Hattingen. Als Beata W. ihren Kinderwagen schiebt, wird ihr ein Messer in den Rücken gerammt. Und der Täter aus Hattingen hat noch mehr Frauen überfallen.

„Ich bin froh, dass eine große Gefahr von der Bevölkerung Hattingens genommen ist“, sagt Polizei­direktor Günter Kordel am 6. November 1990. Einen Tag zuvor hat er mit seinen Ermittlern Ralf G. aus Blankenstein festgenommen, der zwei Frauen ermordet und zwei weitere lebensgefährlich verletzt hat. Sein Motiv: Frust und Frauenhass.

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Zwei Wochen zuvor, 25. Oktober 1990, ein Fußweg in der Nähe des Büchsenschützes in Welper: Gegen Viertel vor zehn geht die junge Polin Beata W., die erst wenige Wochen zuvor nach Hattingen gekommen ist, diesen Weg. Sie schiebt den Kinderwagen, in dem ihre acht Monate alte Tochter liegt, den schmalen Stieg zur Querstraße hinauf, als es passiert: Der arbeitslose Maurer – 21 Jahre alt, 1,90 Meter groß und kräftig – kommt von hinten und rammt ihr ein Messer in den Rücken. Es ist ein Stich, der das Glück einer jungen Familie zerstört.

Die 22-Jährige schafft es noch, ihr Baby an sich zu nehmen und bis zu den ersten Häusern zu tragen, doch dann bricht sie bewusstlos zusammen. Eine Anwohnerin findet die sterbende Frau und ihr Kind. Ein Notarzt kommt, ein Rettungshubschrauber fliegt sie in eine Bochumer Klinik, wo sie jedoch nur wenige Stunden später verstirbt.

Vorfall wenige Wochen zuvor am Kemnader See

Schnell kommt ein furchtbarer Verdacht auf: Beata W. könnte Opfer eines geistesgestörten Mörders geworden sein, der wenige Wochen zuvor am Kemnader See eine Frau mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte – die 31-Jährige hatte den Anschlag aber wie durch ein Wunder überlebt. Die Mutmaßung, dass ein Mann wahllos Frauen überfällt, löst in Welper und der ganzen Stadt Panik aus.

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Es wird eine Sonderkommission eingerichtet, es gibt anonyme Hinweise – aber keinen Fahndungserfolg. Am 2. November ermordet der Täter in einem der Parkhäuser an der Ruhr-Uni eine zweite Frau.

Als der Golf der toten Studentin zwei Tage später am Kemnader See gefunden wird, kommen die Ermittler dem Täter so langsam auf die Spur. Er ist mit dem Auto gefahren, das sehen einige Freunde von ihm. Und die vertrauen sich ihrem Lehrer an. Der rät: „Geht zur Polizei!“

Nachdenklich: Polizeidirektor Günter Kordel und Walter Pindur, Leiter der Sonderkommission, nach der Verhaftung.
Nachdenklich: Polizeidirektor Günter Kordel und Walter Pindur, Leiter der Sonderkommission, nach der Verhaftung. © WAZ | Matthias Graben

Hattinger Amtsrichter hatte Hinweise gegeben

Nachdem Ralf G. einen Tag später in der elterlichen Wohnung an der Wittener Straße festgenommen wird, mehren sich die Stimmen, dass der zweite Mord hätte verhindert werden können. Denn bereits eine Woche zuvor hatte sich ein Hattinger Amtsrichter vertrauensvoll an die Polizei gewendet – er habe G. einmal wegen eines Notzuchtdelikts verurteilt und der käme seiner Einschätzung nach bei dem Welperaner Mord als Täter infrage.

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G. wird aufgesucht, befragt und kommt mit seiner Kaltschnäuzigkeit durch: Er sei zur Tatzeit auf der Bank gewesen, danach habe er einen Fahrradschlauch gekauft und einen Freund besucht.

Dieser Freund bestätigt die Falschaussage, ohne zu wissen, dass er damit einen Mörder deckt.

Urteil: Unbefristete Unterbringung in psychiatrischer Klinik

Womöglich hätte aber auch schon dieser erste Mord verhindert werden können. Denn im Rahmen der Ermittlungen stellt sich schließlich heraus, dass der Blankensteiner bereits im September 1990 eine Bochumerin (41) vor ihrer Haustür mit einem Messer niedergestochen hat und anschließend mit ihrer Hand­tasche davongelaufen ist. Hier glaubte die Polizei noch an einen „normalen Raubüberfall“.

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Bei seiner Verhaftung gesteht G., dass er seine Taten „aus Frust und Hass auf Frauen“ begangen hat.

Die Verhandlung findet vor dem Schwurgericht Bochum statt. Der Mörder wird zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt – und zur unbefristeten Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Landesklinik.

Ralf G. zeigt vor Gericht keine Reue.