Hattingen. Jahrhundert-Orkan „Kyrill“ sorgt am 18. und 19. Januar 2007 für so viele Blaulicht-Einsätze wie nie in Hattingen. Am Abend wird es dramatisch.
Die Vorhersagen sind furchteinflößend und die Karte der Unwetterzentrale leuchtet tiefrot bis violett. Der Jahrhundert-Orkan „Kyrill“ verbreitet schon vor seiner Ankunft Angst und Schrecken – und so kommt es auch: 50.000 Festmeter Holz werden durch seine Urgewalt am 18. und 19. Januar 2007 zerstört. Nie hat es in Hattingen mehr Blaulicht-Einsätze gegeben.
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+++ 11.15 Uhr: Schon am Vormittag ist kein Mensch in der Fußgängerzone unterwegs – Wind und Regen zerstören erste Schirme +++
Feuerwehr, Polizei, technische Hilfsdienste – die Einsatzkräfte sind im Dauereinsatz. Gegen halb zwölf wird die Feuerwehr zu ihrem ersten Einsatz gerufen: An der Holthauser Straße hat „Kyrill“ eine Fichte samt Wurzel aus dem Boden gerissen. Die Straße wird gesperrt, der Baum mit einer Kettensäge zerschnitten – es ist nicht der letzte Einsatz für die Säge an diesem Tag.
+++ 12 Uhr: Ein Baum fällt auf der Straßenbahn-Strecke der 308 – für zwei Stunden geht nichts mehr +++
In Häusern pfeift der Wind gespenstisch durch, der Regen knallt gegen Fensterscheiben. Die Schulen beenden nach der fünften Stunde den Unterricht, am Berger Hof schaltet sich das Windrad automatisch aus. Orkanböen zwischen 120 und mehr als 130 km/h halten die Menschen in Atem, Bäum knicken im Hügelland reihenweise um.
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+++ 12.55 Uhr: Eine ältere Dame wagt sich nicht über die Straße, hat Angst weggeweht zu werden. WAZ-Fotograf Udo Kreikenbohm hilft ihr +++
Viele lassen am Nachmittag die Rollläden an Häusern und Wohnungen herunter, viele wollen nicht mehr mitansehen, was sich abspielt. Das Scheppern steigert die Sorgen. Stillstand auf den Schienen: Straßen- und S-Bahn fahren nicht mehr.
+++ 16.05 Uhr: Hoch schlagen die Wellen auf dem Wasser: Am Kemnader See werden Windstärken bis zu 111 km/h gemessen +++
Die Lage wird immer schlimmer, mit zunehmender Dunkelheit immer dramatischer – Licht flackert, ein kurzer Stromausfall. Die Ampeln an der Langenberger Straße und Bruchstraße fallen aus, andere Straßen sind komplett dunkel. Berufstätige wollen mit ihrem Wagen nur irgendwie schnell nach Hause kommen, auf der Isenbergstraße fällt ein Baum auf ein Auto. Die Fahrerin wird eingeklemmt – aber zum Glück unverletzt von den Hilfskräften der Feuerwehr befreit.
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+++ 16.15 Uhr: Der Regen wird heftiger. Alle Züge der Feuerwehr sind im Einsatz, sie sind bereits um diese Zeit mehr als 70-mal ausgerückt +++
Deutlich mehr als 300 Einsätze zählt die Feuerwehr Hattingen,Kyrills Zerstörungswut fordert auch das Technische Hilfswerk heraus: Ein umstürzender Baum landet mitten auf einem der blauen Einsatzwagen. Auch hierbei wird zum Glück keiner verletzt
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+++ 18 Uhr: Hattinger, die in anderen Städten feststecken, wollen unbedingt nach Hause. Sich völlig fremde Menschen schließen sich zu Fahrgemeinschaften zusammen, Mutige wagen sich ans Steuer +++
Der Tag ist surreal, wie in einem apokalyptischen Katastrophenfilm. „Man hat nicht jeden Tag höchste Alarmstufe“, sagt der damals 23-jährige Kai Balster im WAZ-Gespräch. Der freiwillige Feuerwehrmann freut sich, dass er helfen konnte. „Man fühlt sich gut dabei.“
„Kyrill“ und „Ela“
Neben dem Jahrhundert-Orkan „Kyrill“ im Januar 2007 ist auch der Pfingststurm „Ela“, der am 9. Juni 2014 wütete, den Hattingerinnen und Hattingern in Erinnerung geblieben.Doch der Vergleich über Stärke und Ausmaß macht deutlich, dass die beiden Unwetter nicht zu vergleichen sind: Während „Kyrill“ 50.000 Festmeter Holz in den Hattinger Wäldern zerstörte, waren es bei „Ela“ dagegen „nur“ 500.
+++ 10 Uhr: „Es sieht katastrophal aus“, sagt Stadtförster Thomas Jansen, nachdem er sich in der Elfringhauser Schweiz, im Wodantal und im Schulenbergwald einen ersten Überblick verschafft hat +++
Auch die folgenden Tagen bestimmt „Kyrill“: Die Ruhr steigt bis auf 5,59 Meter an, die S-Bahn nach Oberhausen kann vier Tage lang nicht fahren. Die Dachdecker haben alle Hände voll zu tun, die Schäden belaufen sich auf Bagatellen für 150 Euro bis zu einer Neueindeckung für rund 40.000 Euro. Der Wald in der Porbecke ist fast vollständig zerstört, berichtet Holzbauer Jochen Schulte. Im Frühjahr steigt die Waldbrandgefahr durch das herumliegende Holz – hiervon bleibt Hattingen aber verschont.
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