Hattingen. Weil alle im Vollrausch waren, steht die Polizei vor Rätseln: Was ist in Hattingen passiert? Klar ist: Peter F. ist tot. Eine Rekonstruktion.
Drei frühere Obdachlose leben im Herbst 1996 gemeinsam in einer Parterrewohnung an der Bredenscheider Straße 4. Nicht zum ersten Mal lassen sie sich an diesem Tag volllaufen – doch diesmal endet das Saufgelage tödlich. Peter F. (49) stirbt offensichtlich an zwei Schnitten durch die Kehle, einer davon durchtrennt seine Halsschlagader.
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Als Polizisten am 8. Oktober 1996 die Wohnung an der vielbefahrenen B 51 betreten, ist die Leiche des Mannes übel zugerichtet. Mit einem Messer wurde die Kehle durchtrennt, seine Handflächen weisen Brandverletzungen auf – womöglich Spuren einer Folter.
Den Ermittlern kommt ein Mann entgegen, von oben bis unten voll mit Blut. „Gesicht, Hände, Schuhe, der ganze Mann“, sagt eine Polizistin später vor Gericht. Der 26-Jährige hat versucht, die Wunden des 1,65 Meter großen und 50 Kilo schweren Peter F. abzudrücken – es sind Versuche einer Erste-Hilfe-Leistung, die nicht mehr gelingt. Starr blickt er die Beamten an, sagt zu einem „Ich mach’ dich fertig!“ Und: „Du kannst mich ruhig erschießen, das macht mir nichts!“
3,4 Promille Alkohol – aber er schwankt und lallt nicht
Der Mann ist alkoholabhängig, hat mindestens 3,4 Promille Alkohol im Blut. Doch er schwankt und lallt nicht, sondern „steht wie eine Eiche“, berichtet einer der Polizisten. Der Betrunkene wird verhaftet, ebenso ein zweiter Mann. Zu dritt haben sie in der Wohnung gelebt, die das Sozialamt der Stadt für Bedürftige angemietet hat.
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Der Tote indes musste qualvoll sterben: 19 Stiche im Hals- und Kopfbereich zählen die Gerichtsmediziner, weitere stumpfe Gewalt. Die tödliche Verletzung entsteht durch einen Schnitt mit einem Brotmesser mit Wellenschliff.
Die Verhafteten schweigen im Vollrausch, der Dritte ist tot
Was ist hier passiert?
Diese Frage stellen sich Ermittler immer, doch hier ist das Motiv völlig unklar. Aussagen gibt es keine: Die Verhafteten schweigen im Vollrausch, der Dritte ist tot. In Untersuchungshaft kommt schließlich nur einer – der 26-Jährige.
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Erst ganz langsam setzt sich das Bild zusammen, was am Tatort passiert ist: Schon am frühen Morgen werden in der Wohnung die ersten Bierflaschen getrunken, „damit die Kopfschmerzen weg sind“, sagt der vorbestrafte Arbeitslose in Haft. Über den Tag wird bei ihm daraus eine komplette Kiste. Sie geraten aneinander, auch der dritte Mann ist beteiligt. Warum, ist nicht herauszufinden. Irgendwann fällt das Brotmesser aus dem Fenster, das sieht eine Familie, die am Haus vorbeiläuft. Auch dass sie streiten, bekommt sie mit. Mehr aber nicht. Vollgedröhnt mit 3,4 Promille drückt der 26-Jährige die Hände des „Rumänen“, wie er in der Szene genannt wird, auf die glühende Herdplatte. Später greift er zum Messer und führt den Tod herbei.
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„Er hat getötet, ohne Mörder zu sein“, wirft Staatsanwalt Christian Gutjahr dem Mann vor. Die Anklage vor Gericht läuft auf „vorsätzlichen Vollrausch“, das Strafmaß dafür beträgt maximal drei Jahre und neun Monate Gefängnis.
Wegen seines Suffs gilt der 26-Jährige als schuldunfähig
„Es kann keine vernünftigen Zweifel geben, dass er den Tod des bedauernswerten Mannes hervorgerufen hat“, sagt Amtsrichter Wolfgang Pauli nach einer mehr als einstündigen Beratung des erweiterten Schöffengerichts. Es sei eine der grausamsten Taten, mit der er zu hatte. Vorsatz sei im Spiel gewesen.
Angeklagter wehrt sich gegen Anschuldigungen
Sowohl vor dem erweiterten Schöffengericht in Hattingen als auch später vor dem Landgericht in Essen wehrt sich der 26-jährige Angeklagte gegen die Anschuldigungen. Er erklärt, dass der dritte Bewohner (47) den Tod von Peter F. herbeigeführt habe.Zumeist sitzt der Mann an den Verhandlungstagen – wie zuvor schon bei Verhören – still dabei, wirkt apathisch. Er hat bereits ein langes Vorstrafenregister.Sein Schlusswort: „Ich habe nichts mehr zu sagen!“
Dass der 26-Jährige dennoch nicht wegen Mord oder Totschlag angeklagt wurde, liegt an seinem Suff – er gilt als schuldunfähig. Pauli: „Es ist nicht ganz leicht, bei der grausamen Handlung das Urteil plausibel zu machen.“ Er sei nicht in der Lage gewesen, das Unrecht zum Zeitpunkt der Tat einzusehen.
Der Angeklagte wird zur maximalen Haftstrafe verurteilt – und in die Trinkerheilanstalt eingewiesen.
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