Essen. Das Südostviertel hat Identitätsprobleme, dabei gehört zu den spannendsten Quartieren in Essen. Folge 28 unserer Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.

So gegensätzlich wie das dicht besiedelte Südostviertel (zur Bildergalerie) ist kaum ein Stadtteil in Essen. Zum zentrumsnahen Viertel gehört der geschichtsträchtige Ostfriedhof genauso wie die Steeler Straße rund um den Wasserturm, der Moltkeplatz mit seinen gutbürgerlichen Häusern und die wenig attraktiven Straßenzüge, die sich zwischen der A40 und den Bahngleisen befinden.

Wie zufällig gezogen wirken die Grenzen, was dazu führt, dass manchen Bewohnern gar nicht bewusst ist, dass sie im Südostviertel leben. „Huttrop“, „Moltkeviertel“ oder „am Wasserturm“ lauten die Angaben einer spontanen Umfrage.

„Einkaufstechnisch gibt es hier fast alles“

Das Identitätsproblem kennt auch Christian Kaiser: „Deswegen ist schon darüber nachgedacht worden, das Südostviertel in Essen-Wasserturm umzubenennen“, sagt er. Der 29 Jahre alter Rechtsreferendar und SPD-Politiker vertritt den Stadtteil im Rat der Stadt und hat während des vergangenen Wahlkampfes quasi jeden Südostviertelbewohner persönlich besucht. „Naja, ganz so stimmt es nicht“, relativiert er, „mein Gebiet lag entlang der Steeler Straße. Aber da habe ich tatsächlich an jeder Tür geschellt.“

Das ist das Südostviertel

12.322 Menschen leben im Südostviertel.
12.322 Menschen leben im Südostviertel. © Ulrich von Born/ WAZ FotoPool
Der Wasserturm an der Steeler Straße im Südostviertel.
Der Wasserturm an der Steeler Straße im Südostviertel. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Der Wasserturm wurde 1883/84 nach den Plänen des Aachener Ingenieurs Otto Intze errichtet.
Der Wasserturm wurde 1883/84 nach den Plänen des Aachener Ingenieurs Otto Intze errichtet. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Der Wasserturm aus der Luft betrachtet.
Der Wasserturm aus der Luft betrachtet. © Hans Blossey
Die Auferstehungskirche an der Manteuffelstraße, Ecke Steubenstraße, wurde 1927-29 erbaut.
Die Auferstehungskirche an der Manteuffelstraße, Ecke Steubenstraße, wurde 1927-29 erbaut. © Hans Blossey
Wegen ihrer markanten Form wird die Auferstehungskirche auch
Wegen ihrer markanten Form wird die Auferstehungskirche auch "Tortenkirche" genannt. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Blick in die Auferstehungskirche.
Blick in die Auferstehungskirche. © Socrates Tassos / FUNKE Foto Services
Blick in die neue Synagoge an der Sedanstraße.
Blick in die neue Synagoge an der Sedanstraße. © Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services
Auf dem OStfriedhof ruhen die Mitglieder großer Essener Familiendynastien.
Auf dem OStfriedhof ruhen die Mitglieder großer Essener Familiendynastien. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Der Ostfriedhof im Essener Südostviertel.
Der Ostfriedhof im Essener Südostviertel. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Der Ostfriedhof im Essener Südostviertel.
Der Ostfriedhof im Essener Südostviertel. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
1955 eröffnete Lichtspieltheater
1955 eröffnete Lichtspieltheater "Eulenspiegel" an der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Der Dieter-Krebs-Platz im Essener Südostviertel.
Der Dieter-Krebs-Platz im Essener Südostviertel. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Das Denkmal für Soldaten auf dem Dieter-Krebs-Platz,
Das Denkmal für Soldaten auf dem Dieter-Krebs-Platz, © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services
Die Kreuzung Steeler Straße und Kronprinzenstraße.
Die Kreuzung Steeler Straße und Kronprinzenstraße. © Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services
Impressionen von der Steeler Straße.
Impressionen von der Steeler Straße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Antik- und Trödelladen an der Manteuffelstraße.
Antik- und Trödelladen an der Manteuffelstraße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Eckkneipe an der Manteuffelstraße.
Eckkneipe an der Manteuffelstraße. © Kerstin Kokoska / Funke Foto Services
Impressionen von der Hagenaustraße im Südostviertel.
Impressionen von der Hagenaustraße im Südostviertel. © Ulrich von Born/ FUNKE Foto Services
Impressionen von der Hagenaustraße im Südostviertel.
Impressionen von der Hagenaustraße im Südostviertel. © Ulrich von Born/ FUNKE Foto Services
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg.
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg. © Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg.
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg. © Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg.
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel und Berufskolleg. © Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel.
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Moltkeviertel. © Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Rellinghausen.
Multicopter-Aufnahme vom Südostviertel vom Moltkeplatz aus in Richtung Rellinghausen. © Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Impressionen vom Moltekeplatz.
Impressionen vom Moltekeplatz. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Die Internationale Schule Ruhr im Moltkeviertel.
Die Internationale Schule Ruhr im Moltkeviertel. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Die Alt-lutherische Kirche am Moltkeplatz im Südostviertel.
Die Alt-lutherische Kirche am Moltkeplatz im Südostviertel. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Das Viktoria-Gymnasium im Südostviertel.
Das Viktoria-Gymnasium im Südostviertel. © WAZ FotoPool
Herwarthstraße, Ecke Saarbrücker Straße.
Herwarthstraße, Ecke Saarbrücker Straße. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen aus dem Südostviertel.
Impressionen aus dem Südostviertel. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen aus dem Südostviertel.
Impressionen aus dem Südostviertel. © Ulrich von Born / FUNKE Foto Services
Impressionen aus dem Südostviertel.
Impressionen aus dem Südostviertel. © Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services
1/45

Auf der zentralen Einkaufsstraße beginnen wir unseren Rundgang. Hier wechseln sich türkische Imbissbuden mit arabischen Gemüsegeschäften, Ein-Euro-Läden und deutschen Supermarktfilialisten ab. Die klassischen Einzelhändler, für die die Steeler Straße einst bekannt war, haben bis auf ein paar wenige aufgegeben. „Leider“, sagt Kaiser, „aber trotzdem ist dieser Teil noch sehr urban und wird von den umliegenden Bewohnern stark frequentiert. Denn einkaufstechnisch gibt es hier fast alles.“

Verwahrloste Häuserzeilen jenseits der A40

Deprimierender sieht es jenseits der A40 aus, die das Südostviertel durchquert. Hässlich, dreckig und verwahrlost sind die Häuserzeilen, verstaubt die Schaufenster, in denen schon lange keine Waren mehr ausgestellt werden. Erst unlängst hat die Bezirksvertretung die Verwaltung gebeten, zu prüfen, wie und ob man etwas gegen die Leerstände tun kann. Christian Kaiser hätte schon Ideen, wie man den Verfall stoppen könnte: „Man müsste das Fassadenprogramm der Stadt nutzen, vielleicht eine Kooperation mit dem Kulturzentrum Storp9 einstielen und leerstehende Geschäfte Künstlern und Kreativen zur Verfügung stellen.“ Dafür müssten sich aber erstmal alle Beteiligten an einen Tisch setzen.

Das Lichtspieltheater Eulenspiegel

Filmkunst – die kann man im Eulenspiegel erleben. Das 1955 eröffnete Lichtspieltheater auf der Steeler Straße hat gute und schlechte Zeiten erlebt – und überlebt.

Nicht nur Cineasten kommen gerne in das Kino. Auch Nostalgiker erfreuen sich an der Ausstattung aus den 1950er Jahren, die noch vollständig erhalten ist. Zusammen mit dem Gebäude, dem Kassenhäuschen mit Treppe und dem Schriftzug über dem Eingang steht das Eulenspiegel seit 2000 unter Denkmalschutz.

Ganz anders wirkt das Südostviertel, sobald man die Steeler Straße Richtung Moltkeplatz verlässt. Sauber und ordentlich wirken die einheitlich gestalteten Häuserblöcke, trotz der nahen Autobahn ist es angenehm ruhig. Direkt an der Hagenaustraße betreibt Abdel Kader Ahmad seinen An- und Verkauf. Zwischen Bierseideln, alten Pelzmänteln, Röhrenradios und unechten Perlenketten findet der Trödelgänger in dem vollgestopften Laden alles, was sein Herz begehrt. Gegenüber hält die Turmwache Stellung, eine dieser klassischen Kneipen, wie es sie immer seltener gibt: Schon am Vormittag stehen die ersten Gäste am Tresen.

Auferstehungskirche und Ostfriedhof

Ein paar Straßen weiter trifft man auf gleich zwei bemerkenswerte Baudenkmäler: Wie eine Torte wirkt die Auferstehungskirche. Nach den Plänen von Otto Bartning mitten in der Weltwirtschaftskrise errichtet, gilt sie als ein Leitbau der modernen Kirchenarchitektur in Europa. Auch der halbkugelige Bau der neuen Synagoge, 1959 errichtet, ist europaweit einzigartig.

Auf eine andere Art einzigartig ist der Ostfriedhof, eine der wenigen grünen Oasen des Viertels: Zwischen alten Bäumen fanden hier die Grillos, die Zweigerts, die Baedekers und Huyssens ihre letzte Ruhe. Allesamt Essener Familien, die die Stadtgeschichte prägten und deren Bedeutung beeindruckende Grabmäler dokumentieren. Weitaus schlichter wird an einen der populärsten Söhne des Südostviertels, den Schauspieler Diether Krebs erinnert: Nur sein Name und die Geburts- und Sterbedaten stehen auf dem Findling, der zwischen zwei immergrünen Nadelbäumen liegt.

Das Südostviertel in Zahlen

Über 12.000 Einwohner

12.322 Bewohner zählt das Südostviertel. Damit belegt es Platz 17 stadtweit.

Die wenigsten Senioren in Essen

25,8 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre, 14,5 Prozent älter als 65 Jahre. In keinem anderen Stadtteil leben weniger Senioren.

Am dichtesten besiedelt

226,4 Menschen teilen sich einen Hektar bebaute Fläche. Damit ist das Südostviertel der am dichtesten besiedelte Stadtteil von ganz Essen.

Viele ausländische Pässe

25,8Prozent der Südostviertelbewohner, also jeder Vierte, besitzt einen ausländischen Pass. Einen höheren Ausländeranteil haben nur der Stadtkern (39,8 Prozent), das Ostviertel (31,4), das Nordviertel (31,5), das Westviertel (26,9) und Altendorf (26,8). Den niedrigsten Anteil Nichtdeutscher hat Byfang mit 2,6 Prozent.

52,48 Hektar bebaut

97,94 Hektar groß ist das Südostviertel. Davon sind etwas mehr als die Hälfte, nämlich 52,48 Hektar bebaut.

Sehr wenig Spielplätze

Der Anteil an Spielplätzen ist erschreckend gering: Nur 0,6 Prozent der bebauten Fläche sind für Kinder vorbehalten.

13,5 Prozent ohne Arbeit

13,5 Prozent der Südostviertelbewohner sind ohne Arbeit (Stand Juni 2015). Statistisch gesehen liegt der Stadtteil damit im Mittelfeld. Übrigens: Die niedrigste Arbeitslosenquote hat Schuir mit 1,9 Prozent; Spitzenreiter ist Altendorf mit 17,8 Prozent.

1/7

Neue Synagoge an der Sedanstraße: ein außergewöhnlicher Ort 

Ein außergewöhnliches Baudenkmal steht seit 1959 in der Sedanstraße im Südostviertel: In einem halbkugeligen kreisförmigen Bau ist die neue Synagoge untergebracht. Die Essener Architekten Dieter Knoblauch und Heinz Heise entwarfen das europaweit einzigartige jüdische Gotteshaus nach dem Vorbild einer in Cleveland/Ohio erbauten Synagoge.

Damals bestand die jüdische Gemeinde aus gerade mal 275 Mitgliedern. Für sie stellte sich kaum die Frage, ob sie die monumentale Synagogen-Ruine am Steeler Tor erneut nutzen wollten. Das Gebäude mit seinen 1400 Plätzen war zu groß, ein Wiederaufbau damals viel zu teuer. Also entschied man sich mutig für einen Neubau, obwohl man nicht wusste, wie und ob sich überhaupt jüdisches Leben in der Stadt wieder entwickeln würde. Der Standort an der Sedanstraße wurde nicht zufällig gewählt: Bis zu seiner Zerstörung im November 1938 stand dort das Jüdische Jugendheim.

930 Mitglieder hat die Gemeinde heute

Es entstand ein architektonisches Kleinod, dessen Schönheit erst innen sichtbar wird. Dazu gehört der helle Betsaal mit den symmetrisch angeordneten farbigen Glasfenstern, die an ein Firmament erinnern. Die vom Boden aufragende Kuppel vermittelt den Menschen, die hier beten, Geborgenheit. Bemerkenswert sind auch die von Kurt Lewy gestalteten Buntglasfenster im Gemeindehaus, die Mikwe (Ritualbad) im Untergeschoss und das begrünte Atrium mit Magnolienbaum, Brunnen, Gedenkstein und festem Platz für die Laubhütte.

Inzwischen zählt die Gemeinde um die 930 Mitglieder, für die die neue Synagoge mit dem angeschlossenen Gemeindezentrum ein wichtiger Ort jüdischen Lebens geworden: 2008 wurde hier die erste Hochzeit seit der Shoa gefeiert.

Essener Stadtteile: alle Folgen, alle Bildergalerien, historische Luftbilder