Essen. . Für Johannes Saxe (95) ist Frintrop der Mittelpunkt seiner Welt. Jahrhundertelang prägten Bauerndynastien das beschauliche Viertel. Folge 43 unserer Stadtteil-Serie „60 Minuten in...“.
Wenn Johannes Saxe gefragt wird, warum er sich Zeit seines 95 Jahre währenden Lebens niemals aus Frintrop (zur Bildergalerie) herausbewegt hat, schaut er etwas irritiert: Denn für ihn ist der westlichste Stadtteil Essens der Mittelpunkt seiner Welt, hier kennt er jeden Strauch, jedes Haus, jede Straße und deren Bewohner. „Allein 76 Jahre lang habe ich im Kirchenchor gesungen, den haben meine beiden Großväter mitgegründet“, untermauert er sein Bekenntnis zu Frintrop. Und so ist auch die katholische St. Josefkirche einer der ersten Orte, den wir ansteuern. Sie liegt an der Straße Himmelpforten und stand, als sie 1877 erbaut wurde, noch ganz allein auf weiter Flur.
„An die abstrakten Fenster musste ich mich erst gewöhnen“, gesteht er und zeigt auf den zwischen 1987 und 1990 vom Künstler Paul Corazolla geschaffenen Kirchenfensterzyklus hinter sich. Eine überraschende Erbschaft eines gebürtigen Frintropers, der nach Amerika ausgewandert war, ermöglichte dies der Gemeinde. „Trotzdem, ich hätte mir was Gegenständlicheres gewünscht.“
Viele Einzelhändler und ein paar klassische Gastwirtschaften
Im Gespräch mit dem Ur-Frintroper taucht natürlich immer wieder die Vergangenheit auf. „Ich könnte Ihnen zwei Tage lang Geschichten aus Frintrop erzählen.“ Besonders die Kindheit ist ihm präsent: Gemeinsam mit sieben Brüdern wuchs er ohne Strom und fließend Wasser auf, dafür mit Hühnern und Kaninchen, Schwein und Ziege. Der Vater war Lokführer, die Mutter hatte alle Hände voll zu tun, die Rasselbande durchzufüttern. In den Schulferien halfen er und seine Brüder bei den Frintroper Bauerndynastien Breukelmann (danach benannt die Straßen Breukelmannhof und Breukelmannhang), sowie Kauke und Knotte. Diese Bauerngeschlechter waren die eigentlichen Herren von Frintrop, sie prägten jahrhundertelang das Bild des Stadtteils.
Das ist Essen-Frintrop
„Wenn ich so durch Frintrop gehe, dann stelle ich immer wieder fest, dass es sich eigentlich nicht so sehr verändert hat“, behauptet Johannes Saxe, als wir auf der Hauptachse, der Frintroper Straße stehen. Hier gibt es, wie vor 80, 90 Jahren immer noch viele Einzelhändler, ein paar klassische Gastwirtschaften wie Alt-Frintrop (1883 von Bauer Knotte errichtet) und die Straßenbahn, die bereits seit über hundert Jahren Frintrop mit dem Rest der Welt (Oberhausen und der Essener Hauptbahnhof) verbindet.
Felder und Wiesen säumen den Donnerberg
„Da drüben wurden letztes Jahr ein paar schöne alte Häuser abgerissen. Das finde ich sehr bedauerlich,“ sagt er und zeigt auf eine große Baulücke. Aber schon an der nächste Ecke taucht das Vertraute wieder auf: Das Stammhaus an der Stadtteilgrenze von Frintrop und Bedingrade liegt seit über 400 Jahren direkt am Hellweg, der wichtigsten Handelsstraße vor der Industrialisierung, und diente damals wie heute als Gasthaus. „Meine Mutter war als junges Mädchen hier in Stellung“, erzählt er und zeigt das verblichene Foto einer Frau in Schürze und Häubchen, die vor dem Fachwerkbau posiert.
St. Josef in Essen-Frintrop
Mittlerweile sind wir am Donnerberg. Links und rechts säumen immer noch Felder und Wiesen die schmale Straße und vom höchsten Punkt sieht man bei klarem Wetter bis nach Oberhausen. Der Donnerberg hat für den pensionierten Bahnbeamten eine besondere Bedeutung: Jahrzehntelang war das sein täglicher Weg zur Arbeit. „Ich bin immer zu Fuß zum Dellwiger Bahnhof gelaufen, das hat mich jung gehalten – wie man sieht.“
Das Stadtteilwappen: Das Dorf der Freien
Nicht ganz eindeutig ist, wo der ursprüngliche Name „Vrilincdorpe“ herrührt: Die einen übersetzen es mit „Dorf der Freien“, andere deuten es keltisch als „sumpfiges Land“. Klar ist, dass Frintrop erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt wurde und am Hellweg, der damals wichtigsten Handelsroute, lag.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung im Ruhrgebiet bereits in vollem Gange war, waren Frintrop und Umgebung Bauernland. Das von Kurt Schweder entworfene Wappen zeigt drei Lindenblätter als Zeichen für die Dorflinde sowie drei darum gruppierte Fachwerkhäuser.
Eine Grabstelle für Mensch und Tier
Wer nach dem Tod neben seinem verstorbenen Hund, Hamster oder Hasen ruhen möchte, kann das seit letztem Jahr in Frintrop tun. Dort hat die Deutsche Friedhofsgesellschaft, ein Familienunternehmen aus Bonn, eine Fläche auf dem Bergfriedhof gepachtet und bietet dort die ersten Urnengräber in Deutschland an, in denen Halter mit ihren Haustieren gemeinsam bestattet werden. „Unser Hafen“ lautet der Name der neuen Friedhofsform. Allerdings werden Mensch und Tier erst im Grab vereint. Trauerfeier, als auch die Einäscherung und Überführung finden getrennt statt.
Die Hälfte von Frintrop ging an Oberhausen
1915 wurde das dörfliche Frintrop nach Essen eingemeindet – und büßte dabei mehr als die Hälfte seiner Fläche ein. 272 Hektar und rund 5000 Einwohner musste Frintrop im Zuge der Kommunalreform an Oberhausen abtreten.
Fast wäre Frintrop sogar ganz an Oberhausen gegangen: Aber die Frintroper entschieden sich für Essen. Den Ausschlag sollen die rund 700 Eisenbahner gegeben haben, die damals auf dem größten Güterverschiebebahnhof Europas (heute Gleispark Frintrop) arbeiteten.
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