Essen. . Haarzopf ist grün und ländlich. Das verdankt der Stadtteil auch einem selbstbewussten Bürgerverein. Folge 25 der Stadtteil-Serie „60 Minuten in...“.
Wenn Horst Holtwiesche den typischen Haarzopfer beschreibt, dann fällt ihm nur ein Begriff ein: eigensinnig. „Die Stadt hat wenig Freude an uns, weil wir Haarzopfer schnell auf die Barrikaden gehen und uns wehren, wenn uns ein Bebauungsplan nicht passt“, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins und der Stolz in seiner Stimme ist unüberhörbar.
Drei Mal haben die Stadtplaner bereits Anlauf genommen, um aus Kleingärten Wohn- und Gewerbegebiete zu machen, drei Mal sind sie an dem vehementen Widerstand der Haarzopfer gescheitert. Das klingt ein bisschen nach dem berühmten unbesiegbaren Dorf in Gallien, ein Vergleich, der Horst Holtwiesche durchaus gefällt. „Wir sind ja auch irgendwie ein Dorf“, sagt der gelernte Elektriker, der seine Geburtsstätte an der Hatzper Straße nie verlassen hat. Was dazu führt, dass er seinen Stadtteil nicht nur wie die eigene Westentasche kennt, sondern bekannt ist wie ein bunter Hund.
Das ist Essen-Haarzopf
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„Jetzt zeige ich erstmal die schönen Seiten Haarzopfs“, sagt er und spaziert auf dem Haarscheidtweg Richtung Flughafen. Schnell lassen wir die bebauten Flächen hinter uns, dann gibt es nur noch Wiesen, Felder und einen schönen Weitblick, „der mein Herz immer wieder höher schlagen lässt“, sagt Holtwiesche. Rausgehen und sofort im Grünen sein, das sei so typisch für Haarzopf.
Kreative und Künstler im Kotten Keyenburg
Der erste moderne Kirchenbau im Rheinland
2012 erreichte die evangelische Gemeinde in Haarzopf eine Hiobsbotschaft: Ihr denkmalgeschütztes, 1913 erbautes Gotteshaus, das als erster moderner Kirchenbau im Rheinland gilt, ist vom Einsturz bedroht, stellte ein Statiker fest. Feuchtigkeit, Fäulnis, Erschütterungen, Holzwürmer und Käfer hatten der Konstruktion über Jahre zugesetzt. Die Kosten für die eine Million Euro teure Sanierung hat die Gemeinde durch viele Spenden und mithilfe öffentlicher Mittel zusammengetragen. Mitte 2016, so die Hoffnung, soll die Kirche wieder genutzt werden können.
Ein paar Meter weiter treffen wir im Henningweg auf ein Stück Geschichte: Der Kotten Keyenburg, ein großes altes Hof-Ensemble mit mehreren Gebäuden, war das letzte Gehöft Haarzopfs, das noch landwirtschaftlich genutzt wurde. Heute leben in dem hübschen Backsteinhaus mit den grünen Fensterläden Kreative und Künstler.
Gegenüber wurde in den vergangenen Jahren viel neu gebaut. Vor allen junge Familien zieht es in die gleichförmigen Reihenhäuser, die „wie warme Semmeln weggehen“, sagt der 63-Jährige, den die Bebauung nicht unbedingt fröhlich stimmt. „Die Tennisplätze am Sonnenscheinsweg sollen demnächst auch zugunsten von Wohnhäusern verschwinden. Wir müssen weiter scharf aufpassen, dass nicht ganz Haarzopf zugebaut wird.“
Haarzopfer pflegen Bürgerpark
Mittlerweile sind wir am Bürgerpark angekommen: Das Stückchen städtisches Grün, dessen Bepflanzung und Pflege die Haarzopfer übernommen haben, wirkt nach Sturm Ela ein wenig trostlos. Gegenüber stehen drei Asylheime, die, wie die Flüchtlingsunterkunft in der Hatzper Schule, von ehrenamtlichen Bürgern betreut werden.
Hirschgeweih und Wellen
Das Wappen, das der Heraldiker Kurt Schweder entworfen hat, ist ein sogenanntes „redendes Wappen“; die Hirschstangen und der Wellenbalken spielen auf den alten Namen „Hartzapen“ bzw. Harttappe“ an, welches „Hirschbach“ bedeutet. Zum ersten Mal wird der Name Hartzape in einer Schenkungsurkunde des Grafen Berg an das Kloster Werden von 1215 erwähnt. Der Name hat sich kontinuierlich verändert, im Jahre 1582 erscheint erstmals die Schreibweise Haftzbeek (beek = Bach), hieraus wurde Harzper und schließlich Hatzper.
Hier hört man schon das Rauschen des Verkehrs: Die nahe gelegene Hatzper Straße gehört wie die Raadter Straße zu den Hauptachsen Haarzopfs. Letztere wird aber auch als günstige Verbindung zwischen A52 und A40 genutzt. 25.000 Fahrzeuge täglich hat die Stadt Essen unlängst hier gezählt, „deswegen brauchen wir dringend Querungshilfen, die Haarzopf entlasten“.
An der Kreuzung beider Straßen steht das neue, künstliche Zentrum des südwestlichen Stadtteils. Die neue Mitte ist nicht schön, bietet aber alle Einkaufsmöglichkeiten – nicht nur für die alteingesessenen Haarzopfer, sondern auch für die Neubürger, die in den schicken Häusern entlang der Fulerumer Straße leben. „Da entstehen noch ein paar Häuserblöcke“, sagt Holtwiesche ein wenig resigniert. Gerne würde er die Zeit aufhalten und sein Haarzopf so bewahren, wie es ihm lieb ist. „Ich weiß, dass ich manches nicht verhindern kann. Aber ich gebe nicht auf.“
Haarzopf in Zahlen
6785 Haarzopfer
6785 Einwohner zählt Haarzopf und liegt damit stadtweit im unteren Viertel.
Geringe Bevölkerungsdichte
50,4 Personen leben auf einem Hektar der bebauten Fläche (ein Hektar entspricht einer Fläche von 100 mal 100 Metern), auch da gehört das südwestlich gelegene Haarzopf zu den zwölf Stadtteilen mit der geringsten Bevölkerungsdichte.
Wenig ausländische Mitbürger
92,4 Prozent der Haarzopfer besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Nur Stadtwald (93,1), Fulerum (93,1), Byfang (95,2) und Fischlaken (93,9) haben noch weniger ausländische Mitbürger. Den höchsten Ausländeranteil weist mit 45,9 Prozent die Stadtmitte auf.
Die Größe
434,8 Hektar ist Haarzopf groß.
Wenig bebaute Fläche
Verglichen mit anderen Stadtteilen ist Haarzopf sehr grün: Lediglich 30 Prozent der Gesamtfläche sind bebaut; 23 Prozent, nämlich 101 Hektar, sind landwirtschaftliche Flächen, 10 Prozent Forste und 11 Prozent Parks und Grünanlagen.
Viele Senioren
29,5 Prozent der Haarzopfer sind älter als 65 Jahre. Damit liegt der Stadtteil an dritter Stelle. Nur in Werden (29,6) und Rellinghausen (30,7) leben mehr Senioren.
14,8 Prozent Minderjährige
14,8 Prozent der Haarzopfer sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre: Vergleicht man dies mit den anderen 49 Stadtteilen, liegt Haarzopf im Mittelfeld.
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