Essen. Trotz seiner mittelalterlichen Wurzeln besitzt Essen-Burgaltendorf kein klassisches Zentrum. Dafür viel schöne Landschaft, eine wuchtige Burgruine und eines der größten Gotteshäuser des Bistums. Folge 29 unserer Stadtteil-Serie „60 Minuten in...“.
Dieter Bonnekamp war ein echter „Buschklöpper“. So jedenfalls nannten sich die Burgaltendorfer Jungs, die im Oberdorf groß geworden sind und eine traditionelle Feindschaft mit den gleichaltrigen „Burgklöppern“ im Unterdorf pflegten. „Da traute man sich nicht alleine runter zur Burg“, erinnert sich der 73-jährige Vorsitzende des Heimat- und Burgvereins, „dabei haben wir uns, wenn ich mich recht erinnere, nie gekloppt. Aber die Angst war irgendwie immer da.“
Ganz so schlimm ist es heute nicht mehr, trotzdem wird die Teilung des südöstlich gelegenen Essener Stadtteils, der an Hattingen und Bochum grenzt, wahrgenommen. Das liegt vor allen an der Geografie: Ober- und Unterdorf sind baulich nicht verbunden und bilden somit keine geschlossene Einheit. Aber nicht nur das fällt demjenigen auf, der über die Überruhrstraße und die Alte Hauptstraße nach Burgaltendorf fährt. Es fehlt ein Marktplatz, ein zentraler Ort, der für ein Dorf, das auf eine Geschichte bis ins Mittelalter zurückblicken kann, eigentlich typisch ist. Stattdessen wirkt Burgaltendorf (zur Bildergalerie) willkürlich zusammengewürfelt – hier ein paar gesichtslose Bausünden aus den 1970er Jahren, dort eine kleine schicke Neubausiedlung, dazwischen schlichte Einfamilienhäuser, alte Gehöfte und jede Menge schöne Landschaft.
Das ist Essen-Burgaltendorf
Wohnburg wurde 1760 aufgegeben
Fast ein bisschen versteckt sich die eigentliche Attraktion des Stadtteils: die Burg. In der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts als Sitz eines Vogtes des Grafen von Altendorf erbaut, tauchte sie allerdings erst nach der 1970 erfolgten Eingemeindung im Namen auf – und machte aus Altendorf/Ruhr schließlich Burgaltendorf, um Verwechslungen mit dem Altendorf im Essener Westen zu vermeiden.
Heimatverein ermöglicht Besichtigung
Einmal im Jahr dreht sich alles um die Burg: Dann bevölkern beim Ritterfest Burgfräulein und Knappen das Grün um die Ruine oder bieten beim Burgfest mittelalterlich gewandete Händler ihre Waren feil. Beide Feste finden im jährlichen Wechsel statt. Wer die Burgruine auch außerhalb der Feste besichtigen will, kann das von Mitte April bis Mitte Oktober tun: An jedem Samstag, Sonntag und Feiertag von 15 - 17 Uhr ermöglicht der Heimat- und Burgverein einen Blick von den Zinnen.
Als die Wohnburg um 1760 aufgegeben wurde, diente sie den umliegenden Bauern als Steinbruch. „Als ich Kind war, war die Burgruine mit Efeu überwuchert und nicht zugänglich“, erinnert sich Dieter Bonnekamp. Erst das Engagement der Burgaltendorfer, allen voran des Heimat- und Burgvereins, stoppten den Verfall. Inzwischen ist die Ruine jedes Jahr Mittelpunkt eines großen Festes, an dem sich viele Vereine und Gemeinden beteiligen.
Wenig verbliebene historische Gebäude
Artikel und Bildergalerie zu Burgaltendorf
- 850. Geburtstag: Essener Stadtteil Burgaltendorf feiert. Zum Artikel.
- Burg Altendorf hat Mittelalter-Charme und Burgfräulein-Nischen. Zum Artikel.
- Ruine Burg Altendorf. Zur Bildergalerie.
Denn so zerrissen Burgaltendorf baulich auch wirken mag, die Burgaltendorfer halten zusammen und pflegen ihre dörfliche Gemeinschaft und ihre Geschichte. Deutlich wird das an den vielen Gedenktafeln, die an den wenigen verbliebenen historischen Gebäuden angebracht sind. Es sind meist alte Fachwerkgehöfte wie der Alte Schlütershof oder der Brinkmannshof, die rund um die Burg liegen und daran erinnern, dass die Landwirtschaft lange die Region prägte.
Genauso wie der Bergbau: „Rund 300 Tagesöffnungen, dazu zählen Stollenmünder, Schächte, Wetter- und Luftschächte, gab es aus dem oberflächennahen Bergbau in Burgaltendorf“, sagt Bonnekamp, „schon die Burgherren heizten vor 500 Jahren mit Kohle.“ Ab 1832 begann man mit dem Abteufen von Tiefbauschächten und mit der Zeche Theodor entstand hier der tiefste Schacht aller Ruhrzechen. Heute ist, außer wiederkehrenden Tagesbrüchen, nichts vom Bergbau übrig.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Die Droste der Fürstäbtissin
Vor 849 Jahren wurde die „Villa Aldendorpe“ zum ersten Mal schriftlich erwähnt, in einer Urkunde des damaligen Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel. Damals herrschten die Herren von Altendorf, die als Droste für die Küche der Essener Fürstäbtissin und den Essener Markt zuständig waren, über die Höfe rings um die Burg. Das heutige Wappen, das Kurt Schweder entwarf, wurde vom Wappen der Burgherren abgeleitet, die allerdings drei silberne Pferdeprammen (Nasenbremsen) im roten Schild führten. Schweder wählte die Farben Silber und Schwarz.
Auch die Bergleute und Bauern setzten sich ein Denkmal: Zehn Jahre lang sammelten sie Geld, um sich endlich ein eigenes Gotteshaus in ihrem Dorf zu leisten. Heute ist die 1900 erbaute Herz-Jesu-Kirche, die zwischen Ober- und Unterdorf auf einem Hügel thront, der alles überragende Bau in Burgaltendorf und eine der größten Kirchen im Bistum. Sie wird auch ein Mittelpunkt der 850-Jahr-Feier sein, die in diesem Jahr in Burgaltendorf begangen wird. Dann werden einen Nachmittag lang Ober- und Unterdorf zumindest symbolisch vereint: mit einer 850 Meter langen Stillleben-Tafel, die auf der Alten Hauptstraße aufgebaut wird.
Burgaltendorf in Zahlen
Heinrich Kämpchen gab den Bergleuten eine Stimme
Die Realität der Bergleute in Worte fassen, das konnte Heinrich Kämpchen wie kein zweiter. In Hunderten von Gedichten und Liedern schrieb er nieder, was Tausende dachten und erlebten. So hielt er im ausgehenden 19. Jahrhundert als Chronist Alltag, Arbeit, Not und Ausbeutung, aber auch die Kämpfe der Knappen und Hauer fest.
1847 wurde Heinrich Kämpchen im damaligen Altendorf/Ruhr geboren. Sein Vater und Großvater arbeiteten schon unter Tage, und so war auch sein beruflicher Weg vorbestimmt. Unten im Streb erlebte er die Verelendung des einst so stolzen Berufsstandes. Denn mit dem preußischen Berggesetz von 1865 wurde der Bergbau privatisiert und die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich. Kämpchen schrieb über die Bergleute und ihre Familien, über Streiks und Grubenunglücke, über das Ringen um Würde. Als 1889 der große Streik im Ruhrbergbau losbrach, wurde der Sozialdemokrat Kämpchen ins Streikkomitee gewählt und von den Bergwerksbesitzern zur Strafe auf die „schwarze Liste“ gesetzt, was einem Arbeitsverbot gleichkam. Seinen Mund ließ er sich nicht verbieten: Fortan veröffentlichte er in der Bergarbeiterzeitung, Organ des neu gegründeten „Alten Verbandes“, dem Vorläufer der späteren IG Bergbau.
Ihren berühmtesten Sohn haben die Burgaltendorfer nicht vergessen, zumal er seinen Geburtsort und das Ruhrtal in Heimatgedichten rühmte, die er neben der kraftvollen politischen Poesie ebenfalls beherrschte. Eine Straße ist nach ihm benannt, und an seinem Geburtshaus in der Burgstraße steht eine Gedenktafel.
Essener Stadtteile: alle Folgen, alle Bildergalerien, historische Luftbilder
- zum Spezial zur Stadtteil-Serie
- zur Übersicht aller Stadtteil-Bildergalerien
- Folge 48: Huttrop / Folge 47: Bedingrade / Folge 46: Ostviertel / Folge 45: Freisenbruch / Folge 44: Stadtkern / Folge 43: Frintrop / Folge 42: Borbeck / Folge 41: Fulerum / Folge 40: Überruhr / Folge 39: Steele / Folge 38: Bochold / Folge 37: Westviertel / Folge 36: Bergeborbeck / Folge 35: Schonnebeck / Folge 34: Gerschede / Folge 33: Katernberg / Folge 32: Bergerhausen / Folge 31: Frillendorf / Folge 30: Stadtwald / Folge 29: Burgaltendorf / Folge 28: Südostviertel / Folge 27: Margarethenhöhe / Folge 26: Heidhausen / Folge 25: Haarzopf / Folge 24: Altendorf / Folge 23: Stoppenberg / Folge 22: Werden / Folge 21: Holsterhausen / Folge 20: Dellwig / Folge 19: Rellinghausen / Folge 18: Horst / Folge 17: Südviertel / Folge 16: Rüttenscheid / Folge 15: Byfang / Folge 14: Schuir / Folge 13: Karnap / Folge 12: Bredeney / Folge 11: Fischlaken / Folge 10: Kray / Folge 9: Leithe / 8: Nordviertel / 7: Kettwig / 6: Frohnhausen / 5: Altenessen / 4: Kupferdreh / 3: Vogelheim / 2: Schönebeck / 1: Heisingen
- Rankings: Essener Stadtteile im statistischen Vergleich
- zur Galerie mit allen Essener Stadtteil-Wappen
- zum Spezial mit Luftbildern von den Essener Stadtteilen, aufgenommen 1926