Essen. Ganz im Osten liegt mit Freisenbruch ein Essener Stadtteil, der in sehr unterschiedliche Quartiere zerfällt und neugierig macht auf Unentdecktes. Folge 45 unserer Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.
Er sagt, wir sollen für den Rundgang mit dem Auto fahren. Horst Rzimski („Spricht sich wie Rimski, das ,z’ hört man nicht“) weiß, wovon er redet. „Das ist groß hier, auch wenn man das nicht denkt.“ Was weiß der Essener Bürger über Freisenbruch, wenn er nicht gerade direkt hier wohnt? Man kennt vielleicht die Bochumer Landstraße, die von Steele aus nach Osten führt, beliebte Ausweichstrecke, wenn die A40 rappelvoll ist. Doch was es noch gibt, das zeigt uns jetzt der 46-jährige Rzimski, der hier die Traditionsgaststätte „Haus Springob“ betreibt und in Freisenbruch aufwuchs.
Man könnte es so sagen: Freisenbruch (zur Bildergalerie) hat zwei Welten, mindestens. Die eine entstand ab 1966, als die gewerkschaftseigene Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“ Hochhäuser aus Beton-Fertigteilen auf alte Äcker pflanzte, als erste von mehreren Trabantenstädten entstand so das Bergmannsfeld, das zu Freisenbruch gehört.
„Leute in Freisenbruch sind stolze Bürger“
Rzimski ist hier groß geworden, Albert-Schweitzer-Straße 8, erster Stock. „Das war super“, sagt er. „Immer waren wir draußen, immer waren Kinder da, und wir hatten genügend Platz zum Spielen. Es war toll, einer hat auf den anderen aufgepasst.“ Und als die ersten Marokkaner kamen oder Inder, da war das überhaupt kein Problem, „nur auf dem Flur roch es plötzlich anders, denn die haben anders gekocht“.
Das ist Essen-Freisenbruch
Waren Bergmannsfeld und die anderen Hochhaus-Siedlungen im Essener Osten zunächst noch begehrt, weil erstens Wohnraum grundsätzlich knapp war und zweitens Nachtspeicher-Heizungen eine willkommene Alternative zu Kohleöfen darstellten, änderten sich die Zusammensetzung der Menschen und der stadtweite Ruf der Siedlungen später radikal.
Der gelernte Betriebswirt und Koch betrieb früher die Gaststätte in der Mitte des Bergmannsfeldes. Sie hieß „Zum Brunnen“. Aber: „Wir gehen zum Horst“, sagten die Leute einfach, „und das“, findet der Wirt, „ging lange Zeit sehr gut“. Später übernahm er eine Gaststätte in Frintrop, bis er vor neun Jahren gemeinsam mit seiner Frau Angela ins „Haus Springob“ wechselte. „Die Leute in Freisenbruch“, sagt Rzimski, „sind stolze Bürger, die nichts auf ihren Stadtteil kommen lassen.“ Und wer von auswärts komme und bei Rzimski am Tresen steht, der frage manchmal: „Ist das nicht schon Bochum hier?“ Wattenscheid liegt einen halben Kilometer weiter.
Alte Bauernkotten und prachtvolle Neubauten
Wir sind dann tatsächlich mit dem Auto durch den Stadtteil gefahren, nach dem Bergmannsfeld kam dann noch der nördliche Teil von Freisenbruch. Das, was sozusagen stadtauswärts links von der Bochumer Landstraße liegt. Was man findet, ist eine bunte Mischung an alten Bauernkotten, liebevoll sanierten Gründerzeitbauten, 30er- bis 50er-Jahre-Arbeiterhäuschen, und dazwischen durchaus prachtvolle Neubauten für Gutsituierte. Das ist das alte Freisenbruch, der gewachsene Stadtteil, und zwischen der eigentümlichen Hochhauswelt und der lieblichen Wohngegend, die im Norden gesäumt wird von den Äckern von Kray-Leithe, dazwischen liegt die Bochumer Landstraße. Vierspurig, stark befahren, „vier Metzger hatten wir früher hier“, sagt Rzimski mit einem Anflug von Nostalgie, „heute ist hier keiner mehr.“
Jetzt verbreiten sich Tattoo-Studios; nichts gegen Tätowierungen, aber bürgerliche Einkaufsstraßen, die Solidität ausstrahlen, brauchen etwas anderes. „Wir haben noch Apotheke, Eisdielen, einen Bäcker, Optiker, Lottoladen und mehr“, zählt Rzimski auf. Aber es gibt Pläne für ein Einkaufszentrum direkt vor Ort. Ob das kommt? „Ich glaub’ nicht dran“, sagt Rzimski. Es schwingt Hoffnung mit.
Stadtteilwappen mit drei Schilfrohr-Kolben
Wir sehen drei Schilfrohr-Kolben und einen dreireihigen Sparren – das ist das Rot-Weiße. Dabei handelt es sich um eine Dach-Konstruktion. Das Wappen wurde von Heraldiker Kurt Schweder entworfen, wie alle Stadtteil-Wappen, und hatte nie offiziellen Charakter. Die drei Rohrkolben stehen zusammen mit dem Sparren für den Namensbestandteil „bruch“ (steht für Moor, sumpfiges Gelände). Der Hof Freisenbruch (Friesenbroke) gehörte zur Grafschaft Mark. Die zu Freisenbruch gehörende Oststadt mit der Siedlung Bergmannsfeld hat übrigens ein eigenes Wappen.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Erst Zeche, dann Fettfabrik
Südlich der Bochumer Landstraße, etwas versteckt am Ende der Alleestraße, liegt ein sehenswertes Industrie-Ensemble im Dornröschenschlaf: Überreste der Zeche „Eintracht Tiefbau“ (1765 – 1925), später „Fett Velten“ wollen noch wachgeküsst werden. Der staunende Betrachter steht vor markanten Backsteingebäuden und einem Kokskohlenturm aus Beton, Baujahr 1913, um den es Denkmalschutz-Bemühungen gibt. Ein Rocker-Club ist hier zu Hause, Lagerstätten, mehr derzeit nicht. Möge die Zeit für diesen ungehobenen Schatz noch kommen.!--StartFragment-->
Haus Springob gibt es seit über 150 Jahren
Eine gastronomische Institution ist das Haus Springob, das Horst Rzimski mit seiner Frau Angela vor neun Jahren übernahm: Direkt an der Bochumer Landstraße gelegen, bietet das Haus heute eine gehobene, gut-bürgerliche Küche an. Außerdem ist die Gaststätte das Zuhause für viele Vereine aus dem Stadtteil, zum Beispiel den Gänsereiter-Club Freisenbruch 1926. Vor allem seit der aufwendigen 150-Jahr-Feier, berichtet Rzimski, sei das Haus bei den Leuten vor Ort wieder im Bewusstsein.
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