Essen. Ein unscheinbarer und etwas grauer Stadtteil? Mag sein. Auf die Menschen lässt der katholische Pfarrer Volker Bauer jedenfalls nichts kommen. Und auch in Bochold gibt es erstaunlich viel Grün. Folge 38 unserer Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.
Das erste, was ich lerne, ist, das Bochold in Oben und Unten unterteilt ist. „In Oberbochold wohnte das Bürgertum, in Unterbochold die Arbeiterschaft“, erklärt Pfarrer Volker Bauer, „so war das zumindest früher.“ Zwar sind die Grenzen inzwischen aufgeweicht, doch immer noch gibt es Unterschiede, die sofort auffallen. Rund um die Kirche St. Fronleichnam, die Wirkungsstätte des katholischen Priesters, gibt sich Bochold (zur Bildergalerie) ruhig und beschaulich. Kleine Siedlungen aus den fünfziger Jahren wechseln sich mit zwei- bis dreigeschossigen Mietshäusern ab.
Dazwischen finden sich immer wieder die reviertypischen Schrebergärten, die entlang des Borbecker Mühlenbachs den Stadtteil wie ein grünes Band durchziehen. Im Gegensatz dazu wirken die Wohngegenden um Haus-Berge-Straße, Bocholder und Germaniastraße anonym und ziemlich grau. Doch der erste Blick trügt: Denn hinter den Häusern finden sich überraschend große Gärten mit Lauben, die im sichtlichen Kontrast zur baumlosen Vorderansicht stehen.
Die Menschen geben dem Stadtteil ein Gesicht
Unseren Rundgang starten wir in „Oberbochold“ an der denkmalgeschützten Bauhauskirche, die 1932 von dem kunstinteressierten Pfarrer Hubert Bollig erbaut wurde. „Jetzt lernen Sie mein Revier kennen“, sagt Volker Bauer, als wir Richtung Mühlenbach loslaufen. Seit 14 Jahren ist der 59-Jährige in der Gemeinde, er kennt nicht nur die Fassaden der Häuser, die wir beim Gang über die Wüstenhöferstraße, die Kesselstraße und den Schölerpad passieren, sondern vor allen die Menschen, die dort leben. Und die für Bauer entscheidend sind, weil sie dem Stadtteil ein Gesicht geben.
Das ist Essen-Bochold
„Die Bocholder sind ehrlich, bodenständig und unglaublich engagiert“, findet er lobende Worte. Wie bestellt hält gerade ein Wagen und Gabriele Kindermann, Ur-Bocholderin und Gemeindeglied, schwätzt im besten Ruhrpottdeutsch drauflos. Auch sie ist engagiert, trotz Kinder und Beruf organisiert sie den Schachklub, verrät Volker Bauer. Andere managen Kleiderkammer, Kindertisch, Bücherei und Essensausgabe – Beispiele für eine lebendige Gemeinde, die auch jeden Sonntag in die Kirche strömt. „Meine Gottesdienste sind immer voll“, sagt Bauer nicht ohne Stolz.
Der „Bocholder Dom“
Mittlerweile haben wir die „grüne Lunge Bocholds“, wie Bauer die etwas struppige parkähnliche Anlage entlang des Mühlenbachs leicht schmeichelhaft nennt, hinter uns gelassen und stehen auf der viel befahrenen Bocholder Straße, eine der Hauptachsen des Stadtteils. Dort gibt es zwar kein echtes Zentrum, aber zumindest günstige Einkaufsmöglichkeiten bei den üblichen Discountern.
Wer nun der Straße Richtung Bergeborbeck folgt, landet in „Unterbochold“. Auf dem Gelände der schon in den 1920er Jahren geschlossenen Eisenhütte Phönix findet sich schon lange ein Sportzentrum, unter anderem mit der größten Tennisanlage der Stadt mit insgesamt 28 Plätzen. Ein paar Meter weiter, wo die Haus-Berge-Straße eine enge Kurve schreibt, steht unweit des Geriatriezentrums Haus Berge der „Bocholder Dom“: Die 1888 eingesegnete katholische Kirche St. Maria Rosenkranz, ein mächtiger rot verklinkerter Bau, wirkt an dieser Ecke fast deplatziert. Dass sie in früheren Zeiten einmal das Zentrum des Stadtteils war, merkt man nicht mehr.
Mater Dolorosa - von der Weltausstellung in Rom nach Bochold
EssenUmso ansprechender präsentiert sich die St. Fronleichnamkirche, in die wir zum Ende des Spaziergangs einen Blick werfen. Das Innere ist bauhaustypisch eher schlicht gehalten, keine Säule stört den Blick auf den Altar. Bauer zeigt uns eine Besonderheit: Eine hölzerne Marienstatue (Pieta), die statt des Leichnams Christi einen Dornenkranz im Schoß hält. Die Mater Dolorosa kam 1934 von der Weltausstellung in Rom direkt nach Bochold.
Die Kirche hält Pfarrer Volker Bauer persönlich offen. „Ich mag keine verschlossenen Kirchentüren“, sagt er, „schließlich wurde St. Fronleichnam von den Menschen der Gemeinde erbaut. Also haben sie auch ein Anrecht darauf, hier zu beten, wann immer sie wollen.“
Haus Berge: Vom Rittersitz zum Geriatriezentrum
Das Haus Berge war einst ein Rittersitz der Herren op dem Berge. Nach mehrfachem Wechsel der Besitzer ging es 1867 an die Barmherzigen Schwestern der Heiligen Elisabeth über, welche im damaligen Landkreis Essen das erste Krankenhaus errichteten. Heute ist hier das Geriatriezentrum Haus Berge, das zum Elisabeth-Krankenhaus gehört. Die Klinik gilt als Vorreiter stationärer, teilstationärer und auch ambulanter Altersmedizin. Neben der Akutklinik mit Tagesklinik und Memory-Clinic gehören zum Geriatriezentrum ein Seniorenstift und 51 seniorengerechte Altenwohnungen.
Das Stadtteilwappen: Buche und Kohle
Die ehemalige Bauerschaft Bochold gehörte zur Bürgermeisterei Borbeck und wurde im Jahre 1915 zur Stadt Essen eingemeindet. Heute ist das bis vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert aus Gehöften bestehende Bochold der am dichtesten besiedelte Stadtteil im Stadtbezirk. Die alten Namen Bocholds bedeuten übersetzt soviel wie Buchenholt. Die Buche hatte einen hohen wirtschaftlichen Wert – ebenso wie die Kohle. Darauf deutet im von Kurt Schweder entworfenen Wappen ein sogenannter Göpel hin, eine sternförmige Achse, mit der Kohle gefördert wurde.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Das Ende der Borbecker Köttelbecke
Viele Jahrzehnte lang war der Borbecker Mühlenbach eine stinkende Köttelbecke, die – teilweise unterirdisch – von Bredeney kommmend durch Schönebeck, Altendorf und Bochold fließend schließlich in Bergeborbeck in die Emscher mündet. Doch mit dem 1992 begonnenen ökologischen Umbau des Emschersystems werden auch die Nebenbäche renaturiert. Das ist beim Mühlenbach bereits in großen Teilen gelungen; jetzt fehlt nur noch das letzte Stück bis zur Emscher.
Amtliche Statistik über Bochold:
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