Hamburg. Ein ungewöhnliches Jahr geht zu Ende: So anders war der Alltag für die Hamburger im Corona-Jahr und so besonders die Schlagzeilen.

So ungewöhnlich wie die neuen Lebensumstände, mit denen sich die Hamburger 2020 wegen Corona arrangieren mussten, so ungewöhnlich waren auch die Themen, die in den Medien teils tagelang präsent waren. Dabei erhöhte sich nicht nur die Schlagzeilen-Dichte seit Beginn der Pandemie drastisch, auch die Art der Neuigkeiten veränderte sich.

Vor Corona wären Berichte wie "Kein Toilettenpapier, keine Nudeln: Doch der Nachschub kommt" oder "Glühweinverbot ab sofort in der ganzen Stadt" kaum vorstellbar gewesen. In der Zeitrechnung "nach Corona" oder besser "während Corona" – noch ist die Pandemie ja nicht überstanden – verwundert die Hamburger jedoch fast gar nichts mehr.

Themen, die es ohne Corona vermutlich nie gegeben hätte und mit denen sich die Hamburger meist erstmals im Alltag beschäftigen mussten, haben wir in diesem Jahresrückblick zusammengestellt:

  • Toilettenpapier in Supermärkten und Drogerien ausverkauft
  • Reisende Hamburger führen zu Nachbarschaftsstreit
  • Kultur: Proben mit Frischhaltefolie und Premieren vor dem PC
  • Hamburg ohne Großveranstaltungen – aber mit neuen Grenzen im Golfsport
  • Privat feiern? In 2020 so schwierig wie noch nie
  • Die Diskussion des Jahres: Kitas und Schulen öffnen?
  • Kein Glühwein, kein Weihnachtsmarkt – und kein Gottesdienst?

Toilettenpapier in Supermärkten und Drogerien ausverkauft

Klopapier, Nudeln, Mehl und Hefe – dass es in einer Krise diese Produkte seien werden, die Hamburger vor einem drohenden Lockdown horten und die somit nicht mehr in jedem Supermarkt erhältlich sein werden, hätte 2019 vermutlich fast niemand richtig getippt.

Die Hashtags #Toilettenpapier und #Hamsterkäufe waren auf Social Media zu Beginn der Pandemie und im Zusammenhang mit dem "Lockdown Light" im November besonders beliebt und wurden häufig mit Fotos von leeren Supermarkt-Regalen veröffentlicht.

Ein Frau läuft mit dem Arm voller Klopapierrollen aus einem Budni heraus.
Ein Frau läuft mit dem Arm voller Toilettenpapierrollen aus einer Budni-Filiale. © picture alliance/dpa | Unbekannt

Großauftrag für 600 Spuckschutzwände

Auch Desinfektionsmittel wurde besonders im März und April in der gesamten Stadt zur Mangelware und durch den Einzelhandel nur noch in haushaltsüblichen Mengen abgegeben. Unternehmen wie Beiersdorf fuhren derweil die Produktion für das keimtötende Mittel hoch, Hamburger Gin-Macher gaben Alkohol sogar für die Produktion an Apotheken ab.

In der Metropolregion Hamburg profitierten Unternehmen derweil von einem – zumindest aus Vor-Corona-Sicht – ungewöhnlichen Auftrag: Die Hamburger Justizbehörde bestellte 600 Spuckschutzwände. Die Schutz-Aufsteller für Kassen, Tresen und den Lebensmittelbereich, die die Gefahr von Tröpfcheninfektionen und Virusübertragungen minimieren, wurden somit 2020 zum Verkaufsschlager.

Reisende Hamburger führen zu Nachbarschaftsstreit

Ein weiteres Thema erregte die Gemüter im Corona-Jahr 2020: Der Tourismus und die Einschränkungen, die mit Corona in diesem Jahr einher gingen. Zum einen boomte das Interesse an Urlauben an Nord- und Ostsee, was zu Schlagzeilen wie "Strandampel zeigt Rot – Strände an Ostsee für Besucher dicht" führte.

Im Sommer 2020 behalfen sich die Strände an der Lübecker Bucht mit einer Strandampel, um die Massen an Touristen zu koordinieren.
Im Sommer 2020 behalfen sich die Strände an der Lübecker Bucht mit einer Strandampel, um die Massen an Touristen zu koordinieren. © picture alliance/dpa | Unbekannt

Gleichzeitig gab es im Sommer massive Einschränkungen, die Hamburgern etwa Tagesausflüge nach Mecklenburg-Vorpommern verboten oder Reisen wegen geltender Bettengrenzen erschwerte.

Besonders das Hin und Her mit Hamburgs Nachbarland Schleswig-Holstein sorgte bei vielen Hamburgern für Verwirrung: Reisen in das nördlichste aller Bundesländer wurden stark eingeschränkt, sogar Eigentümern eines Ferienhauses wurde die Einreise – sogar gerichtlich – verboten.

Ende März musste sich Schleswig-Holsteins Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) in diesem Zusammenhang sogar bei den Ferienhausbesitzern aus Hamburg (und anderen Bundesländern) entschuldigen, die am Wochenende zuvor von Einheimischen beschimpft worden waren.

Polizisten kontrollierten Einreisende nach Schleswig-Holstein.
Polizisten kontrollierten Einreisende nach Schleswig-Holstein. © dpa | Markus Scholz

Betretungsverbot für St. Peter-Ording und Büsum

Auch an Pfingsten kam es erneut zu undurchsichtigen Regelungen: Tagestouristen durften etwa nach Helgoland, nicht aber auf die die meisten schleswig-holsteinischen Nordseeinseln und Halligen. Auch für die Tourismus-Hochburgen St. Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) und Büsum (Kreis Dithmarschen) galt an den Feiertagen ein Betretungsverbot.

In Hamburg litten die Hotels derweil unter der Krise und boten ihre Zimmer sogar als Räumlichkeiten für das Homeoffice an. Im April überraschten außerdem Schlagzeilen wie "Wer über Hamburg einreist, muss in Quarantäne" oder "Die letzten Reisenden am Hamburger Flughafen", als der Airport mit nur noch 22 Flügen am Tag und leeren Geschäften zeitweise einem Geisterflughafen glich.

Kultur: Proben mit Frischhaltefolie und Premieren vor dem PC

Massive Einschränkungen gab es 2020 auch in vielen Bereichen der Kultur. Die Branche musste sich regelmäßig auf neue Verordnungen und Einschränkungen einstellen, Konzepte erarbeiten, umsetzen und schließlich im November doch wieder schließen.

Auch die Proben der Theater mussten an die neuen Regeln angepasst werden. Dadurch entstanden – vor Corona unvorstellbare – Schlagzeilen wie "'Nicht anfassen!' So sind Theaterproben mit Frischhaltefolie". Aufführungen fanden vor Geisterpublikum oder im Livestream statt. So auch der Hamburger Schlagermove: 50.000 Fans feierten mit Dieter-Thomas Kuhn und DJ Vossi – jedoch nur vor dem Computer.

Wegen Corona: Neue Kinos öffneten in Hamburg

Das Wacken-Festival fand ebenfalls digital statt. Der Veranstalter bat Metal-Fans sogar explizit, nicht nach Wacken zu kommen – zum Schutz der Anwohner vor dem Coronavirus. Um Ansammlungen vorzubeugen, wurde das Festival-Gelände sogar abgesperrt.

Mit Corona hielt auch eine neue Art des Kinos in Hamburg Einzug: Autokinos schienen die Lösung für gemeinsame, aber gleichzeitig individuelle und sichere, Unterhaltung zu sein. Im Hamburger Stadtgebiet eröffneten gleich drei Autokinos: in Steinwerder mit Hafenkulisse, auf dem Heiligengeistfeld sowie auf der Trabrennbahn in Bahrenfeld.

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Das "Cruise Inn" in Steinwerder: Hier traten im Corona-Sommer 2020 auch Künstler wie Revolverheld auf. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Hamburger Eventbranche trug das Jahr 2020 zu Grabe

Aber nicht nur Autofahrer konnten im Sommer in den Genuss der Kinoleinwände kommen. Statt der Harley Days wurde Hamburgs erstes Motorradkino und für Radfahrer laut Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) "Deutschlands größtes Fahrradkino" veranstaltet.

Schließlich trug die Hamburger Eventbranche das Jahr 2020 im Oktober doch mit einem Trauerzug durch die Innenstadt sinnbildlich zu Grabe. Die Teilnehmer trugen Rosen und Blumenkränze mit sich, um sie am symbolischen Grab vor dem Rathaus niederzulegen.

Symbolisch beerdigten die Demonstranten vor dem Rathaus das Veranstaltungsjahr 2020.
Symbolisch beerdigten die Demonstranten vor dem Rathaus das Veranstaltungsjahr 2020. © Andreas Laible | Unbekannt

Hamburg ohne Großveranstaltungen – aber mit neuen Grenzen im Golfsport

Neben der Kultur fielen auch die großen Sportveranstaltungen der Stadt, wie der Hamburg Marathon, der Triathlon und die Cyclassics, dem Coronavirus zum Opfer. Teilnehmer und Veranstalter trafen diese Entscheidung hart, sie hatten sich nach einer ersten Absage bereits teils auf Nachholtermine im Herbst eingestellt und Konzepte im Sinne des Infektionsschutzes erarbeitet.

Eine Absage stoppte die Hamburger jedoch nicht: Sie nutzten etwa das ursprüngliche Datum des Marathons und gingen – alle mit der selben Startnummer – einzeln im Hamburger Stadtgebiet an den Start.

Auch sämtliche Hamburger Fußball-Ligen, wie auch die Bundesligen, wurden unterbrochen. Im März fand das erste Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte statt. Erst gut zwei Lockdown-Monate später, als die Liga den Spielbetrieb wiederaufnahm, wussten auch die Profis des HSV und des FC St. Pauli, wie es sich anfühlt, ein Punktspiel ohne Fans zu bestreiten.

Lesen Sie dazu auch die sportlichen Jahresrückblicke 2020:

Der Golf-Sport stand im April und Mai vor ganz besonderen Problemen: Clubs am Stadtrand von Hamburg durften wegen neuer Regelungen in Schleswig-Holstein zwar wieder öffnen, Mitglieder den Ball jedoch nicht ins Hamburger Stadtgebiet spielen. Dieses war im Mai mit Flatterband abgesperrt.

Gleichzeitig wurden die "Golffreunde aus Hamburg" wegen der geltenden Einreisebestimmungen nach Schleswig-Holstein im Frühjahr aus Clubs, wie etwa dem Goldclub Hamburg-Oberalster im Kreis Segeberg, per Brief ausgeladen.

Privat feiern? In 2020 so schwierig wie noch nie

Corona wirkte sich im vergangenen Jahr auch massiv auf Veranstaltungen im privaten Bereich aus: Wer in Hamburg eine Feier ausrichten wollte, musste sich intensiv mit den sich stetig ändernden und teils sehr allgemein definierten Regelungen auseinandersetzen.

Lange Zeit waren etwa Feiern jeglicher Art komplett verboten, Kindergeburtstage wiederum bis zu einem bestimmten Alter und gewisser Teilnehmerzahl erlaubt. Halloween wurde 2020 hingegen verboten.

Hochzeiten durften kurz hinter der Stadtgrenze in Schleswig-Holstein anders gefeiert werden als im Hamburger Stadtgebiet. Zwischenzeitlich war in Hamburger Trauzimmern sogar nur die Anwesenheit von drei Personen – dem Standesbeamten und dem Brautpaar – erlaubt.

Heiraten im Standesamt Eimbüttel zu Corona-Zeiten: Der Standesbeamte Jan Strube traute ein Ehepaar unter dem Ausschluss weiterer Gäste.
Heiraten im Standesamt Eimbüttel zu Corona-Zeiten: Im April traute der Standesbeamte Jan Strube ein Ehepaar unter Ausschluss weiterer Gäste. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Hohe Bußgelder für Regelverstöße

Aber auch die Gegebenheiten einer Feier konnten 2020 die erlaubte Zahl der Teilnehmer beeinflussen: Wird Alkohol ausgeschenkt? Gibt es einen festen Sitzplan? Wird im privaten Garten oder in einem Restaurant gefeiert? Wer die geltenden Regeln missachtete, musste mit hohen Bußgeldern rechnen

Auch Trauerfeiern wurden 2020 von den geltenden Kontaktbeschränkungen beeinflusst: Die Zahl der Trauergäste wurde drastisch reduziert, teils wurden Trauerfeiern komplett untersagt. Unter strengen Hygienevorschriften ließ etwa der Friedhof Rahlstedt im Mai schließlich wieder bis zu 30 Angehörige zu einer Trauerfeier zu.

Eine Feierlichkeit blieb den Hamburgern 2020 vermutlich besonders im Gedächtnis: Der Umtrunk von Innensenator Andy Grote (SPD), der im Juni nach seiner erneuten Vereidigung als Senator mit 30 Freunden feierte. Seine Gäste blieben dabei straffrei, Grote musste 1000 Euro Bußgeld bezahlen, weil die Veranstaltung nicht mit den von ihm selbst erlassenen Regeln vereinbar war.

Zum Video: Tschentscher: Grotes Fehler darf sich nicht wiederholen

Innensenator Andy Grote fiel im Corona-Jahr wegen einer privaten Feier negativ auf (Archivbild).
Innensenator Andy Grote fiel im Corona-Jahr wegen einer privaten Feier negativ auf (Archivbild). © picture alliance/dpa | Unbekannt

Die Diskussion des Jahres: Kitas und Schulen öffnen?

Bis in die letzten Wochen des Jahres 2020 blieb eine Frage wegen Corona besonders umstritten: Sollen die Hamburger Schulen und Kitas während der Pandemie öffnen oder schließen?

Selbst die zu Beginn der Pandemie noch amtierende Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) war sich zum Ende ihrer Amtszeit im Juni nicht sicher, ob die zwischenzeitlich angeordnete Schließung nötig war. Dabei berief sie sich auch auf die teils gegensätzlichen und abrupt wechselnden Ratschläge der Virologen.

Ab April führte die Öffnung der Kitas und Schulen schließlich zu Schlagzeilen, bei denen Hamburger vor der Pandemie vermutlich ungläubig doppelt hingeschaut hätten:

Kein Glühwein, kein Weihnachtsmarkt – und kein Gottesdienst?

Durch den Lockdown light im November hofften viele Hamburger nach einem Jahr voller Entbehrungen und Verzicht nicht nur auf ein "normales" Weihnachtsfest im Kreise der Familie, sondern auch auf Annehmlichkeiten, die sonst selbstverständlich zur Weihnachtszeit gehören: einen Weihnachtsmarktbesuch, Glühweintrinken in der Kälte oder den Gottesdienstbesuch Heiligabend.

Da die Corona-Zahlen jedoch trotz der neuen Einschränkungen Richtung Ende des Jahres nicht ab- sondern sogar zunahmen, legte der Senat weitere Maßnahmen fest. Das führte zu kuriosen Schlagzeilen wie "Glühweinverbot ab sofort in der ganzen Stadt" oder "Weihnachten in der Kirche? Hamburger Pastoren sind uneins".

https://www.abendblatt.de/hamburg/article231032130/Hamburger-Weihnachtsgeschaeft-startet-in-der-City-vielversprechend-Innenstadt-Einzelhandel-Neuer-Wall-Altstadt.html
Am Sonnabend vor dem 1. Advent waren nur halb so viele Menschen in der Hamburger Innenstadt unterwegs wie sonst üblich. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Auch das Weihnachtsgeschäft, das für viele Branchen die wichtigste Einnahmequelle des ganzen Jahres ist, litt unter neuen Einschränkungen und dem Corona-bedingten Verhalten der Hamburger. Im Dezember hieß es etwa "Weihnachtsgeschäft: 62 Prozent weniger Kunden am Jungfernstieg".