Hamburg. Aus der Not heraus haben 20 Hotels zu Beginn des Corona-Lockdowns ein ungewöhnliches Angebot in Hamburg entwickelt.
Hamburgs Hotellerie hat gerade erst ein Rekordjahr hinter sich. Die Zahl der Übernachtungen war 2019 um gut sechs Prozent auf ein Allzeithoch von 15,4 Millionen geklettert und trotz zehn neuer Hotels mit insgesamt 1700 Zimmern erreichte die Auslastung einen guten Wert von 77,2 Prozent; im ersten Halbjahr 2019 schafften es die Betriebe der Hansestadt mit 79,8 Prozent unter den 16 Bundesländern sogar an die Spitze.
Umso härter hat die Corona-Pandemie die Unternehmen der Branche getroffen. „Die Auslastung in Hamburger Hotels liegt aktuell im Schnitt über alle Häuser hinweg bei etwa 30 Prozent – das zeigt, wie dramatisch die Situation ist“, sagt Franz J. Klein, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hamburg. „Wer aber besonders auf Geschäftsreisen, Veranstaltungen oder Tagungen setzt, liegt noch unter diesem Wert“, so Klein.
21 Hamburger Hotels bieten Zimmer als Büros an
Aus der Not heraus haben manche Hoteliers zu Beginn des Corona-Lockdowns ein ungewöhnliches Angebot entwickelt: Sie bieten die leer stehenden Zimmer tagsüber als Arbeitsplatz an. Die vom Dehoga empfohlene Internetseite www.homeoffice-im-hotel.de listet allein für Hamburg 21 Hotels mit entsprechenden Offerten auf. Meist werden die Räume für die Zeit zwischen 8 und 18 Uhr dafür vermietet, die Preisspanne reicht von etwa 40 Euro bis zu mehr als 80 Euro für sehr luxuriöse Zimmer.
„Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt Julia Dethlefs, Verkaufs- und Marketingdirektorin des Hotels Madison in der Neustadt. „Manche Kunden mieten gleich für mehrere Tage oder für eine ganze Woche.“ Für 50 Euro pro Tag beziehungsweise 200 Euro pro Woche steht ihnen nicht nur ein Schreibtisch, eine kostenfreie WLAN-Verbindung und eine Telefon-Flatrate ins deutsche Festnetz zur Verfügung. Auch Kaffee, Tee und Softgetränke sind gratis.
„Wir nutzen dafür unsere Studiozimmer, die mindestens 35 Quadratmeter groß sind und über eine ,Kitchenette‘ mit Kochgelegenheit verfügen“, sagt Dethlefs. Hierbei komme dem Madison zugute, dass es ursprünglich als sogenanntes Boardinghouse für längere Aufenthalte konzipiert worden sei. Vor allem Menschen aus „kreativen Berufszweigen“ buchten die Räume derzeit als Homeoffice.
Vor allem Freiberufler nutzen das Angebot
Auch im 25hours Hotel in der HafenCity kann man Zimmer für tagsüber als Büro mieten, die Preise entsprechen denen im Madison. „Außerdem kann man ein Haustier mitbringen – das ist für viele ein wichtiges Thema“, sagt Geschäftsführer Michael End. „Wir haben uns das Homeoffice-Angebot schon bald nach dem Beginn des Lockdowns ausgedacht“, sagt er. „Es handelt sich nicht um ein großes neues Geschäftsfeld, ist aber eine von mehreren Antworten auf die Krise.“ Diese Buchungsmöglichkeit werde etwa ein Dutzend Mal pro Woche in Anspruch genommen.
„Die Kunden sind Angestellte oder auch Freiberufler, die wegen der Pandemie nicht im gewohnten Büro arbeiten“, erklärt End. „Sie kommen zu uns, wenn sie zu Hause keinen geeigneten Platz finden – oder auch, weil sie Kinder haben und für ihre Tätigkeit zwischendurch mal Ruhe brauchen.“
So wirbt das von der Internetagentur Abel Consulting eingerichtete Portal www.homeoffice-im-hotel.de mit der Devise „Niemand stört“. Hotels böten die „ideale Alternative“, wenn ein konzentriertes Arbeiten zu Hause nicht möglich sei, „weil ständig die Türen gehen, die Kinder spielen wollen oder der Partner ,nur kurz‘ eine Frage hat“, heißt es dort.
Tagesnutzung für 60 Euro – inklusive Getränken
Manche Menschen bräuchten nach wochen- oder monatelanger Homeoffice-Monotonie einfach mal einen Tapetenwechsel, vermutet Janine Beek, Direktorin des Best Western Premier Alsterkrug Hotels. Hier kostet die Tagesnutzung eines Zimmers zwischen 6 und 19 Uhr einschließlich freier Getränke und des Pkw-Stellplatzes 60 Euro.
Allerdings sei das Angebot nicht so gut angenommen worden wie erwartet, räumt Beek ein – und manche Wettbewerber haben die Homeoffice-Offerte auch schon wieder beendet. „Wir sind aber froh über jedes Zimmer, das wir vermieten können“, so Beek. Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit der Corona-Krise wolle man nun jedoch „das Hauptaugenmerk auf den Tourismus richten“.
Denn wie es aus der Branche heißt, sind Hotels von den Auswirkungen der Pandemie sehr unterschiedlich stark betroffen. Urlaubshotels verzeichneten – ebenso wie Ausflugsrestaurants insbesondere mit Terrassen und Biergärten – eine „gute Nachfrage“, sagte Guido Zöllick, Präsident des Dehoga-Bundesverbandes, vor wenigen Tagen. „Nach den Wochen des Lockdowns war die Sehnsucht der Menschen nach Reisen und Ausgehen groß.“ Die Situation der Stadt- und Tagungshotellerie hingegen sei „fatal“, so Zöllick.
Hotels brauchen eine Auslastung von 70 Prozent
„Viele Reiseanlässe wie Messen, Musicals oder große Sportveranstaltungen fehlen“, sagt dazu Dehoga-Hamburg-Präsident Klein. „Im Schnitt machen die Hotels ihr Geschäft zu 30 Prozent mit Geschäftsreisenden, und dieses Segment fehlt noch fast vollständig.“
Mehr als 60 Prozent der Betreiber von Gaststätten und Hotels in Deutschland sehen die Corona-Krise inzwischen laut Dehoga-Umfragen als Existenzbedrohung an – trotz der staatlichen Hilfen. Nach Einschätzung von Klein sind zwar kleinere Privathotels stärker gefährdet als Betriebe, die zu den großen Ketten gehören.
Doch im Juli musste zum Beispiel auch das Berliner Fünf-Sterne-Hotel Sofitel nahe dem Kurfürstendamm mit knapp 150 Beschäftigten Insolvenz anmelden. Ohne das Coronavirus wäre es dazu „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht gekommen, sagte der Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff dem „Tagesspiegel“. Vor der Krise lag die Auslastung bei mehr als 85 Prozent, im Juli waren es gerade noch 25 Prozent.
Wohnen im Hotel für 1550 Euro im Monat
Ungefähr 70 Prozent der Kapazität müssten aber belegt sein, um kostendeckend wirtschaften zu können, hört man immer wieder in der Branche. Auch wenn die Betreiber wegen der Pandemie einen Teil des Personals in Kurzarbeit schicken konnten, fallen die Fixkosten – nicht zuletzt die Pacht für das Gebäude – unverändert weiter an.
Nicht nur in Deutschland ist daher Kreativität gefragt, um neue Einnahmequellen zu erschließen. So unterhielt etwa das traditionsreiche Luxushotel Dolder Grand in Zürich zeitweise sein eigenes Drive-in-Restaurant und lieferte die Gourmet-Gerichte sogar selber aus.
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Naheliegender erscheinen da Angebote, Hotelzimmer zu einem relativ günstigen Preis gleich für einen Monat oder länger zu mieten. Wer wie Udo Lindenberg im Hotel wohnen möchte, zahlt dafür bei der 25hours-Gruppe 1550 Euro pro Monat – ohne Frühstück, das kostet extra. Seit Juni könne dies gebucht werden, sagt Geschäftsführer Michael End: „Unser Langzeit-Miettarif wird recht
rege genutzt.“