Hamburg. Pädagogen können vom Präsenzunterricht befreit werden. Laut Behörde sind die Ausfälle für die Schulen gut verkraftbar.
Die Befürchtung, dass sich Lehrerinnen und Lehrer aus Sorge vor einer Covid-19-Infektion in großer Zahl vom jetzt angelaufenen Präsenzunterricht befreien lassen würden, hat sich in Hamburg nicht bewahrheitet. Nach Angaben der Schulbehörde, die auf einer präzisen Abfrage an allen 370 staatlichen Schulen basiert, fehlen coronabedingt nur 1,65 Prozent der Pädagogen.
Danach haben 301 der 20.037 Lehrerinnen und Lehrer ein ärztliches Attest vorgelegt, das die gesundheitlichen Risiken eines direkten Kontaktes mit einer großen Zahl von Schülern und Kollegen beschreibt. Hinzu kommen 63 von insgesamt 1920 Erziehern und Sozialpädagogen, die an Schulen tätig sind.
In Hamburg gibt es keine amtsärztliche Überprüfung
Laut der Anweisung der Schulbehörde kann pädagogisches Personal, „bei dem aufgrund besonderer gesundheitlicher Risiken (Vorerkrankungen, Schwangerschaft) die Gefahr eines schweren Verlaufs von Covid-19 oder eine erhöhte Gefahr der Ansteckung besteht, auf Grundlage eines aktuellen spezifischen ärztlichen Attests“ vom Präsenzunterricht befreit werden.
Anders als in Schleswig-Holstein erfolgt in Hamburg keine amtsärztliche Überprüfung oder Begutachtung der ersten ärztlichen Expertise. Im nördlichen Nachbarland sind von rund 2000 Attesten weniger als zehn Prozent für eine Befreiung vom Präsenzunterricht anerkannt worden. Die Quote der Befreiungen liegt deutlich unter einem Prozent der insgesamt rund 28.000 Pädagogen und Pädagoginnen.
Vom Präsenzunterricht befreite Lehrer werden im Fernunterricht eingesetzt
Die vom Präsenzunterricht befreiten Lehrkräfte in Hamburg werden unter anderem im Fernunterricht der Kinder eingesetzt, die ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Schule sein dürfen. Nach Angaben der Schulbehörde können die Schulen die coronabedingten Personalausfälle insgesamt gut verkraften, weil alle Schulen über eine Vertretungsreserve verfügten.
Nur an einzelnen Standorten könne es zu einer Zusammenballung mehrerer Faktoren wie Krankheiten, Erziehungsurlaub, Schwangerschaften und coronabedingte Abwesenheit kommen. In solchen Fällen würden den Schulen zum Beispiel zusätzliche Vertretungskräfte zugewiesen. „Die sehr niedrigen Zahlen zeigen, dass die Befürchtungen und Spekulationen über angeblich dienstunfähige Kollegien weit übertrieben und unberechtigt waren“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Rabe: „Lehrkräfte sind keineswegs besonders ängstlich“
Rabe sieht ein Vorurteil gegenüber Lehrern angesichts der niedrigen Zahl von Befreiungen vom Präsenzunterricht widerlegt. „Lehrkräfte und Pädagogen sind ganz offensichtlich keineswegs, wie häufig unterstellt wurde, besonders ängstlich oder besonders auf das eigene Wohlergehen bedacht, sondern sie haben Freude an ihrem Beruf und möchten gerne ihre Schüler unterrichten“, sagte Rabe dem Abendblatt.
Corona-Regeln an Hamburgs Schulen (Stand: 3. August):
- Maskenpflicht an weiterführenden Schulen für alle Beteiligten, ausgenommen im Unterricht
- Schüler und Beschäftigte müssen grundsätzlich den Mindestabstand einhalten
- Schulen müssen eine entsprechende Wegführung und feste Areale auf den Pausenhöfen organisieren
- Während des Unterrichts gilt die Abstandspflicht nicht
- In besonderen Fällen können Schüler verschiedener Klassen miteinander lernen, etwa in Oberstufen- oder Wahlpflichtkursen
- Schüler verschiedener Jahrgangsstufen müssen weiterhin untereinander den Mindestabstand einhalten
- In Sport, Schwimmen, Musik und Theater sind große Abstandsregeln einzuhalten und Körperkontakte zu vermeiden
- Schüler und Beschäftigte mit besonderen gesundheitlichen Risiken können sich per Attest vom Präsenzunterricht befreien lassen
- Kranke Schüler sowie Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten, die keinen negativen Test vorweisen können und noch nicht in Quarantäne waren, werden umgehend nach Hause geschickt und dürfen die Schule vorerst nicht betreten
- Bei Fernunterricht muss die Schule wöchentlich Telefongespräche mit den Schülern organisieren und den Austausch von Arbeitsbögen, Arbeitshefte, Bücher und handschriftlicher Arbeiten garantieren
- Schulen müssen bis zu den Herbstferien in jeder Woche den vollständigen Unterricht erteilen
- Projektwochen, Ausflüge, auswärtige Besuche sowie weitere Schulaktivitäten sind bis zu den Herbstferien nur erlaubt, wenn sie nicht zu Lasten der regulären Unterrichtsstunden gehen
- Klassenreisen sind bis zu den Herbstferien untersagt
In der Tat war zunächst nicht klar, in welchem Umfang Pädagogen von der Möglichkeit Gebrauch machen würden, sich vom Unterricht in der Klasse, also im engen Kontakt mit Schülern, befreien zu lassen. Vor den Sommerferien hatte in der Phase der schrittweisen Wiederöffnung der Schulen eine einfache Erklärung der Lehrer über die Zugehörigkeit zu einer der Risikogruppen (zum Beispiel älter als 60 Jahre) ausgereicht, um nicht in Präsenz unterrichten zu müssen. Bei einer Stichprobe der Schulbehörde an mehreren Schulen hatte es Spitzenwerte von 20 bis 30 Prozent der Lehrer gegeben, die nicht in der Klasse unterrichten wollten. Das war bei dem deutlich reduzierten Angebot an Präsenzunterricht in der Regel unproblematisch.
Deutliche Verbesserungen der Reinigung
Die Bundesländer hatten sich darauf verständigt, nach den Ferien eine Attestpflicht für Lehrer einzuführen. Die Praxis ist unterschiedlich. Während Schleswig-Holstein zum Beispiel eine betriebsärztliche Überprüfung mit der Folge durchführt, dass 90 Prozent der Atteste nicht anerkannt werden, verzichtet Hamburg darauf. Nach einer Umfrage von ZDF heute sind in Schleswig-Holstein weniger als ein Prozent der Lehrer vom Präsenzunterricht befreit, in Mecklenburg-Vorpommern etwa drei Prozent, in Berlin sieben Prozent und in Nordrhein-Westfalen sogar 15 Prozent.
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Rabe führt die niedrige Hamburger Zahl auch darauf zurück, dass „die deutlichen Verbesserungen der Reinigung, die neu eingeführten Regeln zur Einhaltung der Mindestabstände und zum Tragen von Masken und die besonderen Unterstützungsmaßnahmen der Beschäftigten durch die Schulbehörde für viel Vertrauen gesorgt haben“.
Am gestrigen Mittwoch meldete die Behörde vier Neuinfektionen, darunter eine Lehrkraft – alle hätten keinen Kontakt zu ihren Schulen gehabt.