Hamburg. Cornelia Prüfer-Storcks im Abschiedsinterview über Kontaktverbote in Heimen, mehr Geld für Pflegekräfte und eine Niederlage.

Nach neun Jahren scheidet sie am Mittwoch aus dem Amt als Hamburger Gesundheitssenatorin. Im Abendblatt-Interview spricht Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) über die Corona-Pandemie mit Schulschließungen und Kontaktverboten in Heimen, mehr Geld für Pflegekräfte und eine Niederlage.

Hamburger Abendblatt: Frau Prüfer-Storcks, was überwiegt: die Freude auf den neuen Lebensabschnitt oder die Wehmut, aus dem Amt zu scheiden?

Cornelia Prüfer-Storcks: Im Moment ist es die Wehmut, Abschied zu nehmen von vielen vertrauten Menschen – hier in der Behörde und im Senat.

Hat Bürgermeister Peter Tschentscher nicht versucht, Sie zu überreden zu bleiben?

Prüfer-Storcks: (Lacht.) Darüber werde ich nichts sagen.

Durch Ihr bewusstes Ausscheiden haben Sie dem Bürgermeister zumindest eine größere Senatsumbildung auf SPD-Seite erspart – er konnte Ihre Stelle einfach streichen …

Prüfer-Storcks: Ich würde das so nicht darstellen. Bisher hat es eine Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz gegeben. In Zukunft gibt es eine Behörde für Gesundheit und Soziales und eine für Justiz und Verbraucherschutz. Der Senat ist neu zugeschnitten worden. Das ist ein nicht seltener Vorgang nach einer Bürgerschafts- oder Landtagswahl.

Hat die Corona-Pandemie nicht klar gezeigt, wie wichtig eine eigenständige Gesundheitsbehörde mit einer eigenständigen Senatorin ist?

Prüfer-Storcks: Es wird auch in Zukunft eine Gesundheitssenatorin geben. Das wird Melanie Leonhard sein. Sie ist eine sehr engagierte und starke Sozialpolitikerin und wird auch das Thema Gesundheit entsprechend vertreten und weiterentwickeln. Es gibt viele Schnittstellen zur Sozialpolitik. In vielen Ländern ist Soziales und Gesundheit klassische Kombination.

Ist es nicht auch eine Frage des Stellenwerts, ob es eine Behörde mit eigener Senatorin gibt oder eine Kombination?

Prüfer-Storcks: Es gibt auch jetzt eine Kombination in dieser Behörde: Der Verbraucherschutz mit dem Arbeitsschutz ist übrigens personell der deutlich stärkere Bereich. Als Olaf Scholz 2011 diese Behörde gebildet hat und ich hier angefangen habe, haben viele gefragt, warum man eine solche Behörde überhaupt brauche. Jetzt fordern sie, sie in der jetzigen Form zu erhalten. Ich nehme das mal als Kompliment für meine Arbeit und das, was ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dieser Behörde gemacht habe.

Wenn Sie die vergangenen drei Monate betrachten: Was ist in der Pandemie-Bekämpfung deutschlandweit und speziell in Hamburg wirklich gut gelaufen?

Prüfer-Storcks: Wir haben im Konzert mit allen 16 Ländern und dem Bund versucht, bei allen wesentlichen Maßnahmen beieinanderzubleiben und unsere Entscheidungen zu erklären. Das war richtig, und die Menschen haben sich daran gehalten. Das wird dazu beigetragen haben, dass es uns so gut gelungen ist, die Pandemie einzudämmen. In Hamburg hatten wir einen schlechten Start, weil wir aufgrund der Skiferien sehr stark von Corona-Fällen betroffen waren. Die Menschen kamen aus Gebieten wie Südtirol, Ischgl, die das Robert-Koch-Institut noch gar nicht als Risikogebiete ausgewiesen hatte. Das war unsere Starthypothek, von der wir uns sehr gut heruntergearbeitet haben. Es ist immer viel getestet worden, mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Die mobilen Testungen zu Hause durch die kassenärztliche Vereinigung haben sich sehr bewährt. Es hat bei uns keine Szenen gegeben, dass sich Menschen vor Testzentren zusammenballen – die einen schniefen und husten, die anderen haben nur Angst, infiziert zu sein.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Was ist nicht gut gelaufen? Was hätten Sie mit dem Wissen von heute anders gemacht?

Prüfer-Storcks: Hinterher ist man immer klüger. Beispiel Kita und Schulen: Da hatte es ja einen ziemlich abrupten Wechsel der Ansagen durch die Wissenschaft gegeben. An einem Tag sagten die Virologen, es sei nicht nötig, Kitas und Schulen zu schließen. Am nächsten Tag sagt Herr Drosten, er hätte noch eine Studie gelesen, und nun müssten die Kitas und Schulen schnell geschlossen werden. Wir wissen es letztlich nicht, ob wir nicht auch nur mit Abstands- und Hygienegeboten durch die Zeit gekommen wären und ob die Schließungen wirklich notwendig waren.

War denn die Schließung der Kitas und Schulen im Nachhinein ein Fehler?

Prüfer-Storcks: Das kann ich mit den Kenntnissen von heute noch nicht beantworten. Es macht wenig Sinn, darüber nun zu spekulieren. Zum damaligen Zeitpunkt war es der Rat der Wissenschaftler. Es ist auf jeden Fall die Maßnahme, die mir neben dem Besuchsverbot für Pflegeheime am schwersten gefallen ist. Wir haben den Eltern Probleme gemacht, viele Kinder lange Zeit nicht gefördert, und für die Bewohner der Pflegeheime war das eine extreme Härte. Wir sollten und werden aber jetzt den Mut haben, weitere Schritte der Öffnung zu gehen. Dafür sprechen sich ja auch Wissenschaftler und Ärzte aus.

Der Bürgermeister, der Senat und Sie persönlich mussten in kurzer Zeit sehr weitreichende Entscheidungen treffen, die das Leben stark eingeschränkt haben. Fühlten Sie sich von der Wissenschaft gut beraten oder letztlich doch alleingelassen?

Prüfer-Storcks: Ich mache der Wissenschaft keinen Vorwurf. Die Wissenschaftler konnten nur so gut beraten, wie sie selbst Erkenntnisse über diese neue Erkrankung hatten. Man hätte sich vielleicht manchmal frühzeitiger korrigieren können. Aber wir waren eben beide – Politik und Wissenschaft – auf dem Weg des Lernens.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Hamburger insgesamt?

Prüfer-Storcks: Ich glaube, die Hamburger waren auch in dieser Frage sehr hanseatisch, haben sich an die Abstandsgebote gehalten und waren überwiegend sehr diszipliniert. Im Moment haben wir so wenig Fälle, dass da schon mal leicht das Gefühl aufkommt, das Virus sei verschwunden. Das ist nicht der Fall. Man muss nur in andere Bundesländer schauen, um zu sehen, wie schnell ein Ausbruch passieren kann. Wenn sich die Menschen nicht an unsere Rechtsverordnungen gehalten hätten, hätten wir nicht den Erfolg gehabt.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Wenn Sie Fotos sehen von Menschenmassen in Schlauchbooten auf dem Berliner Landwehrkanal, wenn Sie Berichte lesen von Partys am Strand von Sylt oder überfüllten Kneipen wie dem Hamburger Zwick – steigt da Wut in Ihnen hoch?

Prüfer-Storcks: Wut ist ein zu starker Ausdruck. Es ist Leichtsinn, und es fehlt an Rücksichtnahme. Es gibt Bereiche, in denen wir weitere Lockerungen durchführen müssen, weil es einfach notwendig ist. Dazu zählen z.B. die Bereiche Kinderbetreuung und Schulunterricht, Pflegeheime, soziale und kulturelle Einrichtungen. Was an Partys stattfindet, gehört für mich nicht in die Kategorie unbedingt notwendig. Darauf kann man gut verzichten, und es wäre ein Akt der Solidarität, das zu tun.

Wie kann man das verhindern?

Prüfer-Storcks: Die Rechtsverordnungen gelten weiter, und die Ordnungskräfte müssen die Einhaltung überwachen. Und wir werden als Senat nicht leichtsinnig werden. Wir machen alles mit Bedacht und Umsicht und werden nicht alle Regeln aufheben. Begleitet wird das alles durch umfangreiches Testen. Wir sind mittlerweile bei mehr als 5000 Testungen pro Tag. Wir testen ganz gezielt in Kitas und Schulen, aber auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Wir haben zum Glück ein stark zurückgehendes Infektionsgeschehen auch in Pflegeeinrichtungen. Das möchte ich nicht aufs Spiel setzen. Wir werden in Kürze mehr Besuche in Pflegeheimen zulassen, das aber begleiten mit mehr Tests für Personen, die von außen kommen.

Kann oder sollte der reguläre Betrieb in Kitas und Schulen nach den Sommerferien wieder starten?

Prüfer-Storcks: Herr Rabe hält die Schulen ja nicht gern weitgehend geschlossen, sondern gehört zu den Bildungspolitikern, die möglichst bald zum Regelbetrieb zurückwollen. Er geht dabei verantwortungsvoll Schritt für Schritt in Abstimmung mit anderen Ländern vor.

Wagen Sie eine Prognose, ob die Schulen nach den Ferien wieder komplett öffnen?

Prüfer-Storcks: Da die Wissenschaft hier schon über die Notwendigkeit der Abstandsregeln in der Klasse diskutiert, halte ich das für wahrscheinlich.

Droht eine zweite Corona-Welle im Herbst?

Prüfer-Storcks: Ich will nicht zur Hobbyvirologin werden und höre nur, was die Virologen dazu sagen. Sie haben am Anfang vor einer zweiten Welle gewarnt und jetzt ihre Erwartung modifiziert. Man kann es nicht ausschließen, deswegen müssen wir weiter wachsam sein. Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass sich im Herbst nicht eine normale Influenza zusammentut mit einer möglichen zweiten Welle. Wir benötigen eine umfassende Impfstrategie gegen die Influenza, über die Empfehlungen hinaus, die es bislang gab.

Wäre ein zweiter Lockdown mit Läden- und Kneipenschließungen nochmals möglich?

Prüfer-Storcks: Das hängt immer von den Fallzahlen ab. Wenn wir ein exponentielles Wachstum der Zahl der Infektionen hätten, muss man selbstverständlich wieder über solche Maßnahmen nachdenken. Aber man muss sich sehr gezielt ansehen, ob man das Infektionsgeschehen lokalisieren kann, also bestimmten Einrichtungen oder Veranstaltungen zuordnen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sofort alles wieder schließen würde, sondern würde gezielt reagieren und gegebenenfalls Schritt für Schritt wieder rückwärts gehen.

Welche Lehren lassen sich bislang aus dem Verlauf der Corona-Pandemie ziehen, auch wenn man die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Staaten betrachtet?

Prüfer-Storcks: Wir können sehen, dass wir in Deutschland ein sehr leistungsfähiges Gesundheitswesen hatten. Wir hatten schon zu Beginn, vor dem Aufbau weiterer Kapazitäten, viermal so viele Beatmungsbetten wie Italien, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl. Wir haben eine sehr starke ambulante ärztliche Versorgung. Die meisten Patienten wurden ambulant getestet und versorgt. Die Krankenhäuser konnten sich um die wirklich schweren Fälle kümmern. In Italien haben sich viele Menschen in den Notaufnahmen angesteckt, weil sie dort stundenlang warten mussten.

Was ist erlaubt, was nicht? Fragen an den Bürgermeister

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Klingt ein bisschen so, als ob es keinen Optimierungsbedarf gebe ...

Prüfer-Storcks: Doch den gibt es. Wir müssen in Zukunft gerüstet sein für einen Ausfall der Lieferung von Schutzkleidung. Das ist ja eingetreten, weil die Produktion in China wegen des dortigen Corona-Ausbruchs eingestellt wurde. Daraus müssen wir die Lehre ziehen, es mit der Bevorratung wirklich ernst zu nehmen. Das stand zwar als Forderung in Pandemieplänen, aber in den Lagern war nicht sehr viel vorhanden. Wir müssen es uns auch leisten, dass zu einem vielleicht höheren Preis auch in Deutschland produziert wird.

Sie haben in der letzten Phase Ihrer Amtszeit die Ärzte mächtig gegen sich aufgebracht, weil Sie sich in den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt haben, rechtliche Möglichkeiten zu schaffen, um Arztsitze dorthin zu verlegen, wo ein Mangel herrscht. Wo liegen die größten Probleme?

Prüfer-Storcks: Darf ich Ihnen erst einmal widersprechen? Wir haben an keiner Stelle vereinbart, Arztsitze zu verlegen, und ich habe das auch nie gesagt. Richtig ist, dass seit Kurzem im Bundesrecht vorgesehen ist, dass in ländlichen und strukturschwachen Räumen die Länder Ausnahmen von der Niederlassungssperre erlassen können. Das heißt, es geht nicht um die Verlegung von Arztsitzen, sondern darum, in bestimmten Bereichen gezielt zusätzliche Arztsitze zuzulassen, auch wenn im Planungsbezirk insgesamt keine Unterversorgung herrscht. Wir beraten seit Monaten mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Hamburg, wie man das hier umsetzen kann. Der Satz im neuen Hamburger Koalitionsvertrag drückt nichts anderes aus als den Prozess, in dem wir uns schon befinden. Wir wollen die Situation in sozialschwachen Räumen verbessern – das aber ohne Verlegung. Wir werden nicht den Eppendorfer Arzt zwingen, sich in Billstedt niederzulassen.

Aber was passiert, wenn die Verhandlungen mit der KV nicht weiterkommen. Wird dann doch verlegt oder werden neue Arztstellen geschaffen?

Prüfer-Storcks: In den Gesprächen mit der KV geht es um neue Arztsitze. Wir beraten, wie das Thema strukturschwach zu definieren ist. Welche Sozialdaten werden dazu herangezogen? Wie werden die Gebiete identifiziert? Wie kann das umgesetzt werden? Darüber sind wir seit Monaten im Gespräch. Da das aber noch nicht umgesetzt ist, hat das Thema auch Niederschlag im Koalitionsvertrag gefunden.

Wo fehlen denn Arztpraxen?

Prüfer-Storcks: Man kann das lokalisieren. Die Arztdichte in Hamburg ist sehr unterschiedlich. Im Hamburger Morbiditätsatlas haben wir nachgewiesen, dass es eine Verbindung gibt zwischen der sozialen Lage und der Krankheitslast. Die ist in strukturschwachen Räumen höher, und gleichzeitig ist dort die Arztdichte geringer. Ärzte, die in solchen Gebieten arbeiten, haben mehr zu tun.

Sie gelten innerhalb des Gesundheitssektors nicht gerade als konfliktscheu und haben sich mit Ärzten oder Krankenhäusern, beziehungsweise deren Verbandsvertretern immer wieder angelegt. Kann man sich nur so Gehör und vielleicht Respekt gegenüber den starken Lobbys verschaffen?

Prüfer-Storcks: Ich begreife mein Amt jedenfalls so, dass man gestalten muss. Man wird als Gesundheitssenatorin berufen, um die gesundheitliche und pflegerische Situation zu verbessern. Manchmal ist das viel weniger konfliktreich hinter den Kulissen, als es in der Öffentlichkeit erscheint.

Ein wirklicher Konflikt war der Streit um den Entzug der Approbation für den wegen Abrechnungsbetruges verurteilten Kardiologen Prof. Karl-Heinz Kuck. Sie mussten dabei eine Niederlage einstecken. Bereuen Sie die Konfrontation im Nachhinein?

Prüfer-Storcks: Ich hätte mir sicher viel Ärger erspart, wenn ich gesagt hätte, wir lassen das sein. Aber wenn mir das Landesprüfungsamt eine juristische Analyse vorlegt und diesen Schritt als zwingend beschreibt, dann sehe ich es nicht als Aufgabe der Senatorin an, politisch reinzugrätschen. Dann muss man den Konflikt auch mal aushalten – bis hin zur Tatsache, dass ein Gericht das anders sieht als das Landesprüfungsamt.

Welche Erfolge rechnen Sie sich denn in Ihrer Amtszeit an?

Prüfer-Storcks: Wir haben die Aufsicht auf die Pflege­heime strukturell völlig neu aufgestellt. Jetzt finden viel mehr Kontrollen statt, und darüber haben wir Transparenz hergestellt. Im Pflegekompass kann sich jeder Angehörige über jedes Pflegeheim informieren. Wir haben lokale Gesundheitszentren auf den Weg gebracht, eine Verbindung aus Hausärzten, Kinderärzten, einer modernen Form der Gemeindeschwester und anderen pflegerischen und sozialen Angeboten im Stadtteil. Wir haben viel getan, um das Thema Pflege voranzubringen, auch in dem wir unseren Einfluss auf Bundesebene genutzt haben. Ich kann es mir mit als Erfolg anrechnen, dass wir die Pflegekräfte aus dem Druck der Fallpauschalen im Krankenhaus befreit haben. Nach Einführung der Fallpauschalen war in den Kliniken stark Personal abgebaut worden, gleichzeitig wurden mehr Menschen behandelt. Wir haben dann erreicht, dass jede Pflegekraft 1:1 bezahlt wird, und wir haben gleichzeitig dafür gesorgt, dass Personalvorgaben gemacht wurden. Auch in den Pflegeheimen haben wir ein Personalbemessungssystem bundesweit einheitlich auf den Weg gebracht. Das wird hoffentlich dazu führen, dass wir in der Pflege eine bessere Arbeitssituation haben und weniger Menschen aus dem Beruf ausscheiden. Wir haben in Hamburg die Zahlen von Menschen in der Pflegeausbildung stetig gesteigert. Aber viele verlassen den Beruf eben auch nach einigen Jahren wieder. Wenn das nicht der Fall wäre, hätten wir kein Problem in der Pflege. Durch unsere generalistische Pflegeausbildung erhalten Beschäftigte auch eine neue Perspektive, so können wir die Lohnschere zur Krankenpflege schließen. Heute sind es zwischen Altenpflege und Krankenpflege noch durchschnittlich 500 Euro Lohnunterschied. Das wird sich ändern.

Auf die nächste Frage rechnen wir nicht mit einer ganz so langen Antwort: Gibt es etwas, woran Sie gescheitert sind?

Prüfer-Storcks: Auf der Bundesebene hatte ich mich für eine Bürgerversicherung eingesetzt und für eine einheitliche Honorarordnung für Ärztinnen und Ärzte. Ich kann es immer noch nicht einsehen, dass die Bezahlung der Ärzte abhängen soll von der Versicherung ihrer Patienten und nicht von deren gesundheitlichen Problemen. Das ist nicht gelungen.

Welche Note geben Sie dem Hamburger Gesundheitssystem insgesamt, wenn Sie den Zustand der Krankenhäuser, bei niedergelassenen Ärzten und in der Pflege betrachten?

Prüfer-Storcks: Bei der Qualität der Versorgung irgendwo zwischen 2 und 2+, aber natürlich ist das Ziel immer die 1. Die Arbeitssituation in der Pflege ist wie überall verbesserungsbedürftig.

Wie geht es für Sie denn nun konkret weiter?

Prüfer-Storcks: Im Moment ist die Sehnsucht ganz stark abzuschalten. Aus dem vollen Lauf heraus jetzt am Mittwoch die Ablösung im Senat – da hatte ich noch nicht viel Zeit, mir Gedanken zu machen, was kommt. Ich brauche eine Auszeit.

Ist perspektivisch eine andere Aufgabe im Gesundheitswesen denkbar?

Prüfer-Storcks: Ich werde keine hauptamtliche Aufgabe mehr übernehmen, dann hätte ich ja auch weitermachen können als Senatorin. Aber ich bin durchaus bereit, mich nochmals ehrenamtlich zu engagieren.