Essen. Krankenhausschließung, Umweltspur, Bon-Pflicht und mehr: Lesen Sie im Jahresrückblick, was Essen im Jahr 2020 - fernab von Corona - bewegt hat.
JANUAR
3. Januar: Ärger über die neue Bon-Pflicht – Essens Geschäfte und Bäckereien müssen auch bei Klein-Einkäufen die Kassenzettel herausgeben. Die Kunden finden die neue Regel genauso überflüssig.
14. Januar: Der Anfang vom Ende der Krankenhaus-Landschaft im Essener Norden, so wie wir sie kannten: Erstmals wird bekannt, dass das 300 Millionen Euro teure Medizin-Bauprojekt – eine neue Klinik am Karlsplatz in Altenessen – kippen könnte. Dabei hatte es viele Diskussionen gegeben, weil für den Neubau die Johann-Baptist-Kirche abgerissen werden sollte. Doch jetzt zeichnet sich ab, dass sich Krankenhaus-Betreiber Contilia, der vor zwei Jahren mit den katholischen Kliniken des Essener Nordens fusioniert hatte, schlichtweg verhoben hat.
22. Januar: Paukenschlag in Essens Nord-SPD: der stellvertretende Parteichef Karlheinz Endruschat aus Altenessen tritt aus der Partei aus und schließt sich später einem neu formierten „Sozialliberalen Bündnis“ an. Endruschat gehörte zu denjenigen, die offen Probleme der Migration ansprachen. Später, im Februar, wird die Austritts-Liste in der SPD um einen bekannten Namen länger: Willi Nowack verlässt die SPD. In den Neunzigern war Nowack als Ratsfraktionschef der mächtigste Mann in Essens SPD und wanderte wegen Insolvenzverschleppung 2013 ins Gefängnis.
24. Januar: Aufruhr in der Theater und Philharmonie: 366 Mitarbeiter unterzeichnen einen Brandbrief gegen Geschäftsführer Berger Bergmann. Seit Jahren sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich, es gebe ein „Klima der Verunsicherung, der inneren Kündigung und Angst“. Ende März tritt Bergmann ab.
FEBRUAR
15. Februar: Das Colosseum soll künftig Start-Up-Unternehmen beherbergen. Das teilen RAG-Stiftung und Eon mit, die die geschichtsträchtige Kulturstätte am Berliner Platz kaufen. Vor mehr als 20 Jahren war mit „Joseph“ das erste Musical im Colosseum gestartet. Musical-Betreiber „Stage Entertainment“, bislang Besitzer des Colosseums, zieht sich komplett aus dem Ruhrgebiet zurück.
19. Februar: Das Jahr 2020 wird für den Essener Radverkehr ein gutes Jahr. OB Kufen kündigt eine Verkehrswende an und poltert ein wenig gegen Bürger, die zum Brötchenholen mit dem Auto fahren: „Ihr habt sie nicht alle!“ Gleichzeitig steht das Bürgerbegehren „Rad-Entscheid“ in den Startlöchern, das massive Vorteile für Radler herbeiführen will.
24. Februar: Karneval! 40.000 Jecken sind unterwegs auf den Zügen in Rüttenscheid und Kupferdreh. Leichter Nieselregen hält die Narren vom Feiern nicht ab.
29. Februar: Eine 81-Jährige verursacht in Frohnhausen am Gervinusplatz den schlimmsten Verkehrsunfall des Jahres. Sie rast in eine Menge von Menschen, die gerade der Straßenbahn entsteigen. Ein 66-Jähriger stirbt Wochen später an den Folgen seiner Verletzungen. Elf weitere Personen werden schwer verletzt.
MÄRZ
10. März: Kinobetreiber Hanns-Peter Hüster, der Wegbereiter der Essener Programmkino-Szene, stirbt mit 84 Jahren. 1971 hatte er mit der Übernahme der Galerie Cinema (Rüttenscheid) angefangen, später folgten Eulenspiegel, Glückauf-Filmstudio, Astra und schließlich die Lichtburg.
APRIL
18. April: Wegen der Schließung der Kinos in der Corona-Krise (hier zum Essener Corona-Jahresrückblick für 2020) öffnen zwei provisorische Autokinos – eins am Flughafen Essen-Mülheim, das andere vor der Grugahalle. Sie werden in den nächsten Wochen auch von Schulen genutzt, die dort ihre Abizeugnis-Verleihungen abhalten.
18. April: Im Hörsterfeld stirbt ein 14-Jähriger nach einer Messerattacke an einer Bushaltestelle. Ein 17Jähriger hatte ihn im Streit mit nur einem Stich tödlich verletzt. Der dramatische Fall bewegt die ganze Stadt; Hunderte Jugendliche nehmen bei einer Trauerfeier am Tatort – einer Bushaltestelle – Abschied. Im Winter kommt der Fall vor Gericht, Mitte Dezember ergeht das überraschende Urteil: Freispruch – obwohl die Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft gefordert hatte. Die Anwälte des Opfers kündigen an, das Urteil anfechten zu wollen.
MAI
16. Mai: Neues Leben im Osram-Haus an der Friedrichstraße, Ecke Kruppstraße: Fast 15 Jahre stand das denkmalgeschützte Gebäude leer. Jetzt ist die Hotelkette „Trip Inn“ kurz vor dem Einzug. Wegen Corona wird die Eröffnung auf Juli verschoben.
28. Mai: Nach dem Baldeneysteig eröffenet jetzt der Kettwiger Panoramasteig – eine 34 Kilometer lange Route, die den Baldeneysteig kreuzt, um dann durch Wolfsbachtal, Ruthertal zur Meisenburgstraße hochzuführen, über Kettwig-Ickten führt, den Kettwiger Stadtwald und Oefter Wald kreuzt und dann über den Pastoratsberg zurück nach Werden führt.
JUNI
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19. Juni: Schock für die Essener Innenstadt: Karstadt-Kaufhof will sowohl den Standort am Willy-Brandt-Platz schließen als auch Karstadt und Karstadt Sports im Limbecker Platz. Später wird die Entscheidung zumindest teilweise zurückgenommen - Karstadt im Limbecker Platz bleibt. Das wird im August offiziell. Doch Mitte Oktober ist Schluss mit Kaufhof am Willy-Brandt-Platz und mit Karstadt Sport im Limbecker Platz.
25. Juni: Nächste Schock-Meldung, diesmal für den Essener Norden: Krankenhausbetreiber Contilia macht eine überraschende Kehrtwende und kündigt die Schließung des Marienhospitals und des Vincenz-Hospitals in Altenessen bzw. Stoppenberg an. Kein Thema mehr ist ein 300-Millionen-Neubau für den Essener Norden. Die Politik schaltet sich ein, auch der Bischof meldet sich kritisch zu Wort - doch das nützt nichts. Die Hospitäler schließen noch im laufenden Jahr. Immerhin: der Philippusstift in Borbeck soll durch einen Neubau deutlich aufgewertet werden.
JULI
3. Juli: Eine weitere Hiobsbotschaft ereilt den Wirtschaftsstandort Essen: Thyssenkrupp Elevators verlässt die Stadt und zieht nach Düsseldorf. 400 Jobs sind weg.
11. Juli: Eine Essener Eisdiele macht bundesweit Schlagzeilen im Sommerloch: „Mörchens“ in Rüttenscheid soll seine traditionellen Eisbecher „Mohren-Kuller“ und „Mohren-Birne“ umbenennen, weil sie angeblich rassistisch sind. Das „Anti-Rassismus-Telefon“ hatte die Namen angeprangert.
AUGUST
11. August: Anders als andere Städte verfügt Essen nicht über ein Online-Vorbuchungs-System an seinen Freibad-Kassen. Die Folge: Lange Schlangen bilden sich, denn wegen Corona sind die Besucherzahlen beschränkt. Die Stadt kündigt an, nachrüsten zu wollen.
26. August: Der Rat schließt sich den Forderungen des erfolgreichen Bürgerbegehrens „Rad-Entscheid Essen“ an. Das heißt: Mehr Radwege, sicherere Kreuzungen, mehr gute Stellplätze für Fahrräder.
SEPTEMBER
13. September: Kommunalwahlen: Thomas Kufen gewinnt die Bürgermeisterwahl klar mit 53,78 Prozent. Gegenkandidat Oliver Kern (SPD) kommt auf gerade mal 20,35 Prozent der Stimmen. Im Rat formiert sich später ein schwarz-grünes Bündnis.
15. September: Die Rüttenscheider Straße wird nach Umbauten als „Fahrradstraße“ eingeweiht. Radler können jetzt nebeneinander auf der Straße fahren. Es entstehen außerdem zwei weitere solcher Fahrrad-Achsen – eine von Frohnhausen bis ins Südviertel, eine andere von Steele nach Zollverein. Die Maßnahmen sind umstritten, denn es fallen dafür manchmal Parkplätze weg.
17. September: Die lang anhaltende Trockenheit und Wärme sorgt dafür, dass sich ein Feuer im Schellenberger Wald zu einem veritablen Waldbrand auswächst. Das Feuer lodert Tage später immer wieder neu auf.
18. September: Polizisten aus dem Präsidium Essen/Mülheim haben in einer privaten WhatsApp-Gruppe rechtsextreme Inhalte geteilt. Knapp 30 Beamte werden sofort vom Dienst suspendiert. NRW-Innenminister Herbert Reul spricht von einem „rechtsextremen Netzwerk“ innerhalb der Polizei. Doch die Vorwürfe sind in diesem Umfang nicht haltbar: Acht Polizisten sind wenige Wochen später wieder im Dienst, bei den geteilten Bildern soll es sich um Hitler-Parodien gehandelt haben.
29. September: Die Gewerkschaft Verdi ruft zum Streik auf - zunächst bei Bus und Bahn, später auch bei Erziehern in Kitas und Grundschulen. Die Kritik ist groß, weil die Bedingungen unter Corona schon schwierig genug seien für Eltern, Pädagogen und Erzieher. Trotzdem zieht Verdi ihren Streik durch.
OKTOBER
15. Oktober: Zwei Blindgänger-Funde entlang der B224 haben eine der größten Evakuierungs-Maßnahmen der jüngeren Stadtgeschichte zur Folge. Die Entschärfung sorgt dafür, dass 4.200 Bürger ihre Häuser verlassen müssen. Die Aktion fordert den Einsatz von insgesamt 430 Kräften.
27. Oktober: Essens erste „Umweltspur“ wird eingeweiht. Auf der Schützenbahn ist eine Fahrspur jetzt den Linienbussen und den Radfahrern vorbehalten. Das sorgt für massive Irritationen bei den Verkehrsteilnehmern. Die Polizei muss schwerpunktmäßige Kontrollen starten.
NOVEMBER
6. November: Aufregung bei den Kleingärtnern: Der Stadtverband der Kleingartenvereine legt fest: die beliebten Kirschlorbeer-Hecken sollen verschwinden. Sie gelten ökologisch als nutzlos. Wer eine Scholle loswird, muss den Lorbeer vorher herausreißen. Er darf auch nicht neu gepflanzt werden. Das soll das Insektensterben aufhalten.
14. November: Drama in Bredeney - ein Polizeihund verletzt einen 15-Jährigen massiv, obwohl der Jugendliche an keiner Straftat beteiligt war. Dem Jugendlichen wird ein faustgroßes Stück aus dem Unterarm herausgebissen. Die Polizei hatte nach einem gemeldeten Raubdelikt eine Streife mit Diensthund nach Bredeney geschickt. Als die Jugendlichen, die in der Nähe an einer Parkbank saßen, den Polizeiwagen sahen, flüchteten sie – denn sie hatten gegen Corona-Regeln verstoßen. Die Polizisten ließen den Hund los.
21. November: Verdacht: Im Uni-Klinikum soll ein Oberarzt (44) mehrere sterbenskranke Patienten getötet haben mit einem entsprechenden Medikament. Der Mediziner wird festgenommen. Die Ermittlungen laufen.
28. November: Eine neue Debatte über das Nord-Süd-Gefälle in Essen entbrennt – Auslöser ist eine groß angelegte Berichterstattung über Altenessen. Auch der Oberbürgermeister schaltet sich ein, nachdem ein Ortspolitiker „jedem Bürger empfiehlt, hier wegzuziehen“.
DEZEMBER
14. Dezember: In die Diskussion um eine mögliche Bebauung des Flughafengeländes am Stadtrand zu Mülheim kommt neue Fahrt. Erstmals gibt es Gutachten, die nachweisen: Wenn man die große Freifläche mit Häusern und Büros bebauen würde, wäre das – anders als bislang immer behauptet - nicht schädlich fürs Stadtklima.