Essen. Trotz teils holpriger Abschnitte ist das Rats-Bündnis von CDU und Grünen auf der Zielgeraden. Montag traf man sich zur abschließenden Videorunde.

Eben erst ist Fabian Schrumpf wieder Vater geworden, und das gleich zweifach: Mutter und Zwillinge sind wohlauf, „alles gut gegangen“, sagt der CDU-Chef im Stadtrat hörbar erleichtert, und wenn’s nach ihm geht, wird auch die Sache mit den Grünen keine allzu schwere Geburt: „Die Stimmung ist nach wie vor gut“, das Bündnis scheint auf der Zielgeraden.

Kaum denkbar, dass nach wochenlangen Gesprächen in sechs Fachgruppen noch einer der beiden Partner abwinkt mit dem Hinweis, es sei „besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Schließlich haben die Verhandlungs-Teams erst noch am vergangenen Samstag im Hotel Atlantic, gleich neben der Grugahalle, eine 13-stündige Marathon-Sitzung absolviert.

Die Finanzdebatte wird wohl der Praxis-Check für all das geplante „Gute, Wahre, Schöne“

Am Montagabend sollte dann die finale Gesprächsrunde per Videokonferenz folgen. Unter anderem auf der Tagesordnung: Personal und Finanzen. Vielleicht die entscheidende Sitzung, denn dort sollte nach Auskunft von Teilnehmern das bislang ausverhandelte schwarz-grüne Wunschkonzert mit belastbaren Zahlen unterfüttert werden. Wenn man so will: Der Praxis-Check für all das „Gute, Wahre, Schöne“, das die Ratsmehrheit in den kommenden fünf Jahren Stadtpolitik unter schwarz-grüner Flagge verfolgen möchte.

Nur OB Kufen blieb außen vor

„Klassischen Sprengstoff sehe ich nicht mehr“ – so lautet das Fazit eines Verhandlungs-Teilnehmers. Kein Wunder, denn mit am Tisch saßen nicht nur die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU und Grünen. Sondern – teils in Doppelfunktion – auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete der Parteien.

Ausgeklinkt hatte sich allerdings ausdrücklich Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Er war nur zuvor bei den Sondierungs-Gesprächen dabei.

Von Sitzungen wie dieser wird abhängen, wie konkret am Ende jene Kooperations-Vereinbarung ausfällt, auf die Christdemokraten und Grüne ihre geplante Zusammenarbeit stützen. Und wie viel an Meinungsverschiedenheiten durch Kompromissformeln oder Formelkompromisse verdeckt bleibt.

Eine halbwegs feste schwarz-grüne Zusammenarbeit gab es im Rat schon vor 19 Jahren

Das hat ja auch in der Vergangenheit immer wieder gut geklappt. Denn schwarz-grünes Miteinander ist in Essen ja alles andere als ein Experiment mit ungewissem Ausgang, im Gegenteil: Die örtlichen Mitstreiter von CDU und Grünen gehören zu den Pionieren dieser noch vor wenigen Jahren exotischen Farbkombination.

„Harmonie in Schwarz-Grün“, so stand es schon 2001 über einem Schulterschluss zwischen Christdemokraten und Grünen. Damals ging es um die Saalbau-Sanierung und die Wiedereinführung der Schul-Sozialmilch, um die Baumschutzsatzung und die Bekleidungspauschale für Bedürftige. Drei Jahre später mündete die im Polit-Alltag gelebte Annäherung in einem festen Rats-Bündnis, das auf 27 Seiten detailliert ausgehandelt und die komplette Ratsperiode aufrecht erhalten wurde.

„Die Kröten sind gut verteilt“ heißt es aus den Verhandlungs-Teams

So ähnlich soll es auch diesmal laufen. „Die Kröten sind gut verteilt“, sagt einer, der dabei war. Um gleichwohl das vertrauensvolle Miteinander nicht zu riskieren, halten beide Seiten bis auf ein paar vage Andeutungen dicht, was die Ergebnisse angeht. Nur so viel: Schule, Bildung, Kultur, Digitales – da sei man im Express-Tempo vorangekommen, auf anderen Feldern stotterte dagegen der schwarz-grüne Motor: Klima, Verkehr, das leidige Thema Rüttenscheid, Sicherheit, Ordnung – da musste schon die eine oder andere Verhandlungspause her.

Schwarz-Grün machte schon damals keine Probleme (von links): Der einstige CDU-Fraktionsgeschäftsführer Heribert Piel, die Christdemokraten Thomas Kufen und Franz-Josef Britz sowie Hiltrud Schmutzler-Jäger und Heribert Rüsing von den Grünen bei der Zwischenbilanz des Bündnisses 2007.
Schwarz-Grün machte schon damals keine Probleme (von links): Der einstige CDU-Fraktionsgeschäftsführer Heribert Piel, die Christdemokraten Thomas Kufen und Franz-Josef Britz sowie Hiltrud Schmutzler-Jäger und Heribert Rüsing von den Grünen bei der Zwischenbilanz des Bündnisses 2007. © Oliver Müller NRZ | Oliver Müller

Im Schluss-Papier wird man unter anderem nachlesen können, wie viele Bäume neu gepflanzt, wie viele zusätzliche Ordnungskräfte auf Streife geschickt werden – einerseits. Auch jahresscharfe Aktionspläne sind vorgesehen. Anderseits dürfte manche hehre Absicht hinter hinreichend ungenauen Formulierungen verschwimmen. Keine Jahreszahlen, keine konkreten Pläne, das bedeutet dann eben auch: kein Ärger, wenn nichts passiert.

Am Montag wollen die Grünen-Mitglieder über das Verhandlungsergebnis abstimmen

Und als heikel gilt ja eh vor allem die Frage, was von alledem sich denn überhaupt finanzieren lässt in einer Stadt, die es nur mit Ach und Krach und viel Geld aus dem NRW-Stärkungspakt von den roten in die schwarzen Zahlen schaffte. Und der Corona jetzt die Bilanz verhagelt, trotz all der angekündigten Hilfen und der Aussicht, die Pandemie-bedingten Verluste auszuklammern und auf künftige Generationen zu verlagern.

Da wäre man wieder bei den neugeborenen Zwillingen von Fabian Schrumpf – oder auch jenen grünen Nachwuchspolitikern, die sich am Montag in die digitale Mitgliederversammlung einwählen, um über das Verhandlungsergebnis abzustimmen. Gut möglich, dass dann schon unterm Weihnachtsbaum ein Kooperationsvertrag liegt, mit schwarzer und grüner Schleife.