Essen. Unsere beliebtesten Plus-Texte, heute: Warum Kirschlorbeer nicht nur in Essener Kleingärten nicht mehr gepflanzt werden darf.
Dieser Artikel ist zum ersten Mal am 3. November erschienen.
Er ist immergrün, doch der Stadtverband der Kleingartenvereine hat ihn auf die rote Liste gesetzt: Kirschlorbeer darf in Essens Kleingartenanlagen nicht mehr gepflanzt werden. Das Verbot, über das der Verband jüngst seine Mitglieder informierte, betrifft sowohl die Parzellen der Pächter als auch das öffentliche Grün in den Anlagen. Es gilt für alle Vereine unter dem Dach des Verbandes. Stadtweit sind es 119 mit insgesamt rund 8500 Gärten.
Kirschlorbeer sei aus ökologischer Sicht nicht wertvoll. „Tiere haben gar nichts davon“, sagt Holger Lemke, Vorsitzender des Stadtverbandes. Deshalb sollen Kirschlorbeerhecken aus den Kleingartenanlagen verschwinden. Nicht nur das Neuanpflanzen ist verboten. Pächter, die ihren Garten aufgeben, sind ab dem 1. Dezember gehalten, Kirschlorbeer von ihrer Parzelle zu entfernen. Bei der Wertermittlung des Kleingartens wird Kirschlorbeer nicht mehr berücksichtigt. Folglich wird der scheidende Pächter nicht mehr von seinem Nachfolger finanziell entschädigt, sollte er Kirschlorbeer gepflanzt haben.
Kirschlorbeer ist beliebt. Der Strauch bildet dichte Hecken und verträgt auch Trockenheit
Bei vielen Klein- und Hobbygärtnern sind Kirschlorbeerhecken beliebt, wächst der robuste und immergrüne Strauch doch zügig. Er bildet dichte Hecken, lässt sich leicht schneiden und verträgt es auch, wenn es lange trocken bleibt, was in den vergangenen Sommern ja häufig der Fall war.
Aus Sicht des Stadtverbandes passen Hecken aus Kirschlorbeeren jedoch nicht mehr in die Zeit. Jahrzehntelang habe das Thema Ökologie im Kleingartenwesen keine Rolle gespielt, räumt Holger Lemke ein. Das hat sich seit einigen Jahren geändert, das Kleingartenwesen besinnt sich seiner Wurzeln. Der Stadtverband lässt Blumenwiesen anlegen, damit Insekten einen Lebensraum finden. Gemeinsam mit der Bonnekamp-Stiftung hat der Verband ein ökologisches Bildungsprogramm aufgelegt und bietet seinen Mitgliedern Seminare an.
„Wir wollen, dass unsere Gärten ökologischer werden“, sagt Holger Lemke. Nicht heimische Pflanzen wie der Kirschlorbeer gehörten dort nicht hin.
Der Naturschutzbund nennt Kirschlorbeer eine „ökologische Pest“
Argumentationshilfe hat sich der Stadtverband beim Naturschutzbund (Nabu) gesucht. Der warnt mit drastischen Worten vor einer „hochgiftigen und ökologischen Pest“ - und meint den Kirschlorbeer. Eine Betonmauer sei wertvoller für die Natur, heißt es auf der Internetseite des Nabu Bremen. Wer Kirschlorbeerhecken pflanze, begehe „ein Verbrechen an der Natur“.
Vögel fänden in einer Kirschlorbeerhecke bestenfalls Unterschlupf, ernähren könne sie die Pflanze nicht. Samen und Blätter seien zudem giftig. Allerdings müsste man lange und ausdauernd darauf herumkauen, erst dann würde giftige Blausäure freigesetzt.
Holger Lemke teilt die Wortwahl des Nabu zwar nicht. In der Sache aber ist man sich einig. Der Vorsitzende des Stadtverbandes erinnert zudem an das Bundeskleingartengesetz. Das Kleingartenwesen werde öffentlich gefördert, betont Lemke. Kleingärtner sieht er deshalb in der Pflicht, der Öffentlichkeit auch etwas zurückzugeben - in dem sie ihre Gärten ökologisch aufwerten.
Dies läge gerade in Essen sehr wohl in deren eigenen Interesse. Lemke erinnert daran, dass die Stadt nach wie vor auf der Suche nach Bauland für neue Wohnungen ist. Kleingärten könnten da leicht Begehrlichkeiten wecken. Es wäre nicht das erste Mal. Der Stadtverband, der die Flächen lediglich von der Stadt gepachtet hat, will dem vorbeugen, indem Gärten noch wertvoller werden - fürs Stadtklima, für Vögel und Insekten, für das natürliche Gleichgewicht in der Stadt.