Essen. Die Aufforderung, Altenessen zu verlassen, sei falsch, so OB Kufen. Viele Wohnbauprojekte stünden vor dem Start, Resignation sei keine Lösung.
In der Debatte um die Zukunft von Altenessen hat Oberbürgermeister Thomas Kufen vor Resignation und Wegzug-Phantasien gewarnt und auf Erfolge verwiesen, die es ebenfalls gebe. Der Aufruf des Vorsitzenden der FDP im Essener Norden, Thomas Spilker , der dazu riet, den Stadtteil zu verlassen, sei weder vernünftig noch glaubwürdig. Spilker lebe schließlich selbst in Altenessen und wolle dies auch nicht ändern. „Ich kann die Frustration über manche Entwicklungen zwar gut verstehen, Fatalismus hilft uns aber nicht weiter“, so der OB.
„Nord-Süd-Unterschiede gab es immer, niemand wird sie umdrehen können“
Kufen räumte ein, dass es vermessen wäre, die Unterschiede in einer Stadt gänzlich einebnen zu können. Der Norden werde immer einen anderen Charakter haben. „Die Arbeiterquartiere gab es eher im Norden, die Naherholung eher im Süden – das war nie anders, und das wird auch niemand mehr völlig umdrehen können.“ [In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]
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Das bedeute aber nicht, dass Altenessen reizlos oder chancenlos sei. „Es gibt jenseits von Gladbecker und Altenessener Straße viele gutbürgerliche Quartiere, in denen die Menschen gerne leben“, weiß Kufen. Die Neigung, Altenessen zu verlassen, sei dort gewiss nicht groß.
OB erwartet keine schnellen Erfolge, aber vieles in Altenessen sei auf gutem Weg
Kufen wies auch den vielfach zu hörenden Vorwurf zurück, die Stadtpolitik kümmere sich nicht um Altenessen . Zwar sei richtig, dass es oftmals keine schnellen Erfolge gibt, „aber die Grundlagen sind gelegt“. Bis man Ergebnisse sehe, dauere es aber mitunter ein Jahrzehnt. Dennoch: „Wir dürfen die Erfolge nicht kaputtreden.“
So entstünden in Altenessen auf dem ehemaligen Milchhof am Palmbuschweg 190 neue Wohnungen und neues Gewerbe, an der Bäuminghausstraße sehen die Pläne sogar bis 350 Wohnungen vor , an der Erbslöhstraße baue die Stadt eine neue Gesamtschule , an der Marina-Idee mit dem Thema Wohnen am Kanal arbeite die Stadt weiter, für die Zeche Carl sei ein Sanierung- und Nutzungskonzept in Arbeit, und an der Karl-Denkhaus-Straße entstehe mit dem KD 11/13 ein Zentrum für Kooperation und Inklusion.
Vieles sei auf einem guten Weg. „Dann kam die Contilia und traf die Stadtgesellschaft an der empfindlichsten Stelle“, klagte Kufen. Gegen die Schließung der Krankenhäuser könne die Stadt Essen nicht viel machen, unterhalb dieser Schwelle gebe es aber Chancen . „Altenessen als Gesundheitsstandort zu erhalten und zu verbessern steht auf unserer Prioritätenliste ganz weit oben“, beteuert Kufen.
Quotierung von Migranten sei rechtlich nicht machbar: „Es gibt Niederlassungsfreiheit“
Ob offen ausgesprochen oder nicht: Bei Debatten um den Essener Norden schwingt immer die Frage mit, wieviel Einwanderung die alteingesessene Bevölkerung für verkraftbar hält und ab wann Integration keine Chance mehr hat. Ideen, den Zuzug von Migranten zu quotieren und vom Norden in den Süden zu lenken, erteilte der OB eine Absage: „Es gibt Niederlassungsfreiheit innerhalb einer Stadt - daran kann ich auch nichts ändern.“ Die verschiedenen Wohnbauprojekte hätten gerade den Zweck, „einen guten Mix in der Bevölkerung“ zu erhalten oder herzustellen. „Darum machen wir das ja, damit die Leute nicht wegziehen“, so der OB.
Auch Stadtdirektor und Gesundheitsdezernent Peter Renzel ließ in den „Altenessener Couch-Gesprächen“ am Montag keinen Zweifel: „Ich finde, dass der Aufruf aus Altenessen wegzuziehen auf keinen Fall befolgt werden darf. Altenessen ist für mich ein liebenswerter Stadtteil mit tollen Ecken.“ Man solle den Stadtteil lebenswerter machen „und da gehören alle dazu“, betont Renzel. Man müsse gemeinsam anpacken, ob in Soziokulturellen Zentren wie Zeche Carl oder in der Stadtteilpolitik. „Mit allen Akteuren, Parteien und der Altenessen-Konferenz ist das machbar.“ Nicht den Kopf in den Sand zu stecken sei angesagt, „sondern alles zu tun, es in gemeinsamer Kooperation gut und besser zu machen“.
Turgay Tahtabas: Der Schlüssel für Altenessens Zukunft sind bessere Schulen
Für Turgay Tahtabas, der im Essener Norden zahlreiche Bildungsinitiativen für Kinder angestoßen und umgesetzt hat, sind gute, modern ausgestattete Schulen der Schlüssel für bessere Integration. „Dann hätten wir vielleicht mehr Chancen, die Vielfalt zu harmonisieren. Das müsste aber im Regelsystem geregelt werden.“ Wäre es in Altenessen so schlecht wie der FDP-Politiker sage, dann würden nicht neue Wohnungen fast alle sofort verkauft, noch bevor sie fertig gebaut sind, gibt Tahtabas zu bedenken.
Entscheidend aber sei die Bildung: „Alle Schulen müssen wir so ausstatten, dass keiner auf die Idee kommt, sein Kind in einen anderen Stadtteil zu bringen.“ Wenn die Gutausgebildeten dann allerdings wegzögen, fange man wieder von vorne an. „Ich bin der Meinung, man muss ein zehnjähriges Masterprogramm für das Stadtteil erstellen und konsequent umsetzen.“
Altenessen-Debatte: So haben wir bisher berichtet:
- FDP-Politiker rät Bürgern, Altenessen zu verlassen
- Ur-Altenessener hat resigniert, will aber bleiben
- Kommentar: Die Stadtteile im Norden leiden unter Image-Problemen
- Gesundheitssituation: Niedergelassene Ärzte brennen für den Essener Norden
- Analyse: Beim Blick auf den Einzelhandel fällt auf, dass die Kaufkraft in Altenessen für kleine Geschäfte nicht ausreicht
- Stadtplanung: Stadtplaner Hendrik Jansen erklärt vier Aspekte, die Altenessen zu einem positiven Image verhelfen würden
- Bürgerbeteiligung: Das kann jeder Einzelne für Altenessen tun
- Interview: Die Bezirksbürgermeister stehen großes Potenzial in ihrem Stadtteil
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