Essen. Die Gewerkschaft Verdi hat Streiks angekündigt, auch in Kitas. Essener Eltern halten das zum jetzigen Zeitpunkt für ein „Unding“.

Die Ankündigung der Gewerkschaft Verdi, bald auch Kindertageseinrichtungen bestreiken zu wollen, hat bei Essener Eltern massive Proteste ausgelöst. Der Jugendamtselternbeirat (JAEB), das offizielle Gremium von Vätern und Müttern mit Kindern im Kindergartenalter, appelliert dringend in einem „Offenen Brief“ an die Gewerkschaft, „berufstätige Eltern, die sich derzeit ohnehin in einer schwierigen Betreuungssituation befinden, nicht noch zusätzlich zu belasten.“

Die Gewerkschaft Verdi hatte am Montag Warnstreiks angekündigt. Wegen bislang ergebnislos abgebrochener Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst würden noch in dieser Woche tageweise Busse, Bahnen, Ämter und Betreuungseinrichtungen bestreikt.

„Jetzt zum Streik aufzurufen, ist bei aller Solidarität mit den Erzieherinnen und Erziehern ein Unding“, sagt Robert Armbruster vom Vorstand des JAEB.

Eltern haben keine Planungssicherheit

Nach dem „Lock-Down“ Mitte März hatten die Kindertageseinrichtungen im Juni wieder ihre Türen geöffnet – doch die Lage ist besonders in den Kitas heikel. Weil in den Kitas keine Maskenpflicht herrscht, ist es die Regel, dass bei einem bestätigten Corona-Infektionsfall ganze Gruppen für 14 Tage in die Quarantäne müssen – so geschah es zuletzt beim Kindergarten der Internationalen Schule im Moltkeviertel.

Und erst am Dienstag meldete die Stadt, dass in den Kitas St. Antonius in Freisenbruch sowie in der Kita Heinrich-Strunk-Straße in Altendorf unter dem Betreuungspersonal jeweils einen Corona-Fall gibt. Die Folge: „In den betroffenen Kindertagesstätten wurden Quarantänen für die betreuten Gruppen sowie mehrere Quarantänen im Kollegium ausgesprochen.“

Längster Kitastreik war im Frühjahr 2015

Den bislang längsten Kitastreik in NRWs jüngerer Geschichte gab es im Frühjahr 2015. Damals waren viele Betreuungseinrichtungen über mehrere Wochen geschlossen. Viele Eltern mussten sich mit improvisierten Modellen zu Hause behelfen; nur wenige Notgruppen nahmen Kinder auf.

Bei diesem Streik sparte die Stadt Essen rund 1,2 Millionen Euro Kosten – Gehalt, das nicht an die städtischen Beschäftigten ausgezahlt wurde. Im darauf folgenden Jahr erhielten Eltern für die Zeit des Streiks ihre Gebühren zurück.

Planungssicherheit für Eltern gibt es also derzeit kaum. „Wir Eltern müssen immer wieder mit Schließungen rechnen oder unsere Kinder auch bei sehr leichten Erkältungssymptomen zu Hause betreuen“, erklärt der JAEB in seinem Offenen Brief, der am Montagabend veröffentlicht wurde. Ein Aufruf zum Streik würde jetzt das Verständnis der Eltern minimieren – anders als in der Vergangenheit, als die Angestellten in Betreuungseinrichtungen bei Arbeitsniederlegungen stets auf die Solidarität der Väter und Mütter hätten zählen können, so der JAEB.

„Wir können die Aufregung verstehen“, sagt Verdi

„Wir können die Aufregung der Eltern verstehen“, sagt Henrike Eickholt, die Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Ruhr-West, der für Essen, Mülheim und Oberhausen zuständig ist. „Wir werden ohnehin nur tageweise streiken und die Arbeitsniederlegungen mindestens zwei Tage vorher ankündigen“, erklärte sie erneut gegenüber unserer Redaktion. In Essen werde „sehr sorgfältig“ geschaut, in welchen Einrichtungen wann zum Streik aufgerufen werde.“ Wie immer, sind die kirchlichen Kitas des Bistums nicht von den Arbeitsniederlegungen betroffen. Das bestätigte eine Sprecherin des Kita-Zweckverbandes, der allein in Essen etwa 60 Betreuungseinrichtungen unterhält.

Wie viele Kitas von den Warnstreiks betroffen sein werden, war am Dienstag noch nicht abzusehen.

Der JAEB erinnert unterdessen an die Corona-Monate, die für viele Eltern eine „Doppel- oder sogar Dreifachbelastung“ gewesen seien; viele Väter und Mütter hätten während der Kinderbetreuung zu Hause auch Angst um ihren Job haben müssen oder hätten ihn sogar verloren. Selbstständige hätten ihre Tätigkeit aufgeben müssen. „Bitte sehen Sie von Streiks in Kitas ab und zeigen Sie damit, dass die Bedürfnisse von Kindern und Eltern auch in Zeiten des Arbeitskampfes eine Rolle spielen“, schreibt der JAEB abschließend.

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