Essen. Die Krankenhaus-Landschaft wird umgepflügt: Contilia will Marienhospital und Vincenz-Hospital schließen und dafür das Philippusstift ausbauen.
Und wieder heißt es: Kommando zurück bei der Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft im Essener Norden: Nachdem die ebenso umstrittenen wie ehrgeizigen Neubau-Pläne für eine 300 Millionen Euro teure 725-Betten-Klinik im Herzen Altenessens im Januar platzten, suchte die Betreibergesellschaft Contilia im Januar eilig den Notausgang. Sie wollte ihre frisch erworbenen Kliniken im Norden der Stadt verkaufen, womöglich auch an einen der von vielen ungeliebten privaten Betreiber im Lande – und löste damit stadtweit bei Bürgern wie Politikern große Sorgen aus. Alles Geschichte: Es wird keinen Verkauf geben und auch keinen Neubau, sondern ein neues Konzept. Allerdings eines mit Haken.
Denn gleich zwei Krankenhäuser sollen bei der Umgestaltung der Gesundheitsversorgung auf der Strecke bleiben: das Marienhospital in Altenessen sowie das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg. „Die Häuser werden nicht weiter betrieben“, so lautet die Ansage. In diesem Kernland des Essener Nordens will man mit dem Essener Universitäts-Klinikum als Kooperationspartner stattdessen eine neue medizinische
Versorgungs-Struktur etablieren – eng abgestimmt mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort und „weiteren Partnern“, wie es heißt.
Das Borbecker Philippusstift wird zur zentralen Anlaufstelle
So jedenfalls beschloss es am Mittwoch der Aufsichtsrat der Contilia GmbH und bemühte sich, den absehbar schmerzlichen Verlust mit dem Einsatz „modernster Technologien“ schmackhaft zu machen. Und mit einer Kooperation, die die ambulante und stationäre Versorgung mehr denn je miteinander verzahne und so „den Belangen der Essener Patienten entgegenkommt.“ Fachärztliche Betreuung, ambulantes Operieren und die Notfallversorgung blieben so sichergestellt.
Doch Fakt ist: Für Klinikaufenthalte müssen viele Essener demnächst ein Häuschen weitergehen, und zwar nach Borbeck. Das dortige Philippusstift soll künftig „Herz der stationären medizinischen Versorgung im Norden sein“, heißt es von seiten der Contilia. Dort könnten dann – nach umfangreichen Neubaumaßnahmen, versteht sich – alle wohnortnahen Operationen, Behandlungen und Therapien im stationären und ambulanten Betrieb „in größtmöglicher Qualität angeboten werden“. Das Philippusstift werde zur zentralen Anlaufstelle für die Notfallversorgung im Essener Norden.
Contilia gibt zu: „Wir haben Vertrauen und Geduld stark gefordert“
Contilia räumt ein, dass man mit dem strategischen Hin und Her so manchen (potenziellen) Patienten wie Politiker vor den Kopf gestoßen hat, auch und vor allem mit einem Mega-Klinikneubau, von dem man nun nichts mehr wissen will: Zu dieser Entscheidung steht man, aber „wir haben damit das Vertrauen und die Geduld (...) nicht zuletzt unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stark gefordert“, signalisierte Dr. Dirk Albrecht, Vorsitzender der Contilia-Geschäftsführung.
Insbesondere bedaure er, „dass es dadurch zu den Auseinandersetzungen innerhalb der Kirchengemeinde St. Johann Baptist gekommen ist.“ Zur Erinnerung: Das Gotteshaus am Altenessener Karlsplatz sollte dem riesigen Klinik-Neubau weichen, von dem nun niemand mehr etwas wissen will. Seit dem Segen, der Entscheider, das Grundstück hierfür zur Verfügung zu stellen, geht ein tiefer Riss durch die Gemeinde, der kaum zu kitten scheint. „Es ist nicht zu leugnen, dass der gescheiterte Krankenhaus-Neubau Wunden geschlagen hat und viele Verlierer zurücklässt“, kommentierte am Mittwochabend der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, die aktuelle Entwicklung.
Der Kirchenabriss ist vom Tisch, die Gemeinde zieht die Rücknahme-Option
Denn vor allem die Kirche steht nun dumm da: Sie hatte sich auch gegen heftigste interne Widerstände für den Klinik-Neubau in die Bresche geworden. Nun müsse man „mit großem Bedauern“ die Entscheidung des Krankenhausträgers Contilia zur Kenntnis nehmen, auf den Neubau des Krankenhauses in Essen-Altenessen endgültig zu verzichten. „Das ist ein schwerer Schlag für Altenessen und löst zu Recht große Enttäuschungen bei vielen Menschen aus“, sagt Pfeffer spürbar verärgert.
Nun, da der Klinik-Neubau ein für allemal vom Tisch ist, begräbt die Kirchengemeinde nach Auskunft des Bistums sämtliche Pläne für den Kirchenabriss. Schon am Donnerstag wolle der Kirchenvorstand formell beschließen, die im Kaufvertrag mit der Contilia-Tochter KKE vereinbarte Rücknahme-Option zu ziehen.
Unklar bleibt, ob es überhaupt ein Kaufangebot für die Kliniken gab
Unklar bleibt einstweilen, ob die neuen Überlegungen der Contilia für die örtliche Krankenhaus-Landschaft dem Umstand geschuldet sind, dass sich kein Käufer für die Katholischen Kliniken fand. Oder ob es das Angebot eines privaten Klinik-Betreibers zum Kauf gab, man dieses aber ausdrücklich ablehnte.
Erkennbar war Contilia am Mittwoch bemüht, die Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an jenen Häusern zu zerstreuen, die von der Aufgabe des bisherigen Krankenhaus-Betriebs betroffen sind. Die Fachbereiche und Behandlungskapazitäten am Marienhospital wie am St. Vincenz Krankenhaus würden auf die übrigen Standorte der Contilia und der Universitätsmedizin Essen aufgeteilt oder in weiteren Kooperationen realisiert, hieß es. Aufgrund der großen Nachfrage nach medizinischem Personal in allen Bereichen werde der Wechsel in eine andere Einrichtung der Contilia oder zu einem anderen Essener Krankenhausträger „in der Regel und auf Wunsch möglich sein“.
„Wir werden nicht alle Arbeitsplätze erhalten können“
Heikler ist die Lage da schon in den Bereichen Technik, Service und Verwaltung. Es gehöre zur Aufrichtigkeit dazu zu sagen: „Wir werden nicht alle Arbeitsplätze erhalten können“, so Jens Egert, seit Oktober 2019 Mit-Geschäftsführer der Contilia. Man wolle aber allen Betroffenen die bestmögliche Unterstützung anbieten.
Keine Probleme sieht der Betreiber augenscheinlich für den Standort Haus Berge. Das dortige Geriatrie-Zentrum sei in seiner Infrastruktur auf dem neuesten Stand. Mit dem bestehenden Lehrstuhl für Geriatrie der Uni Duisburg-Essen wolle man den Weg der Zusammenarbeit weiter intensivieren.