Essen. Zusätzliche Kosten für die Ladenbetreiber, mehr Müll: Die Pflicht, zu jedem Einkauf einen Kassenzettel zu drucken, kommt in Essen nicht gut an.
Donnerstagmittag, 12 Uhr. In der Suppenfabrik in Rüttenscheid gehen Grünkohl und Linseneintopf über die Theke. Eine Scheibe Brot nehmen viele dazu. Den Kassenbon nimmt niemand. „Fehlanzeige. Bis jetzt wollte noch kein einziger Kunde den Kassenzettel ausgehändigt bekommen“, sagt Tatjana Schramm, die hier arbeitet. Ein ähnliches Bild beim Café um die Ecke, in der Bäckerei schräg gegenüber und im Tabakladen. Seit dem 1. Januar sind alle, also auch kleine Läden, verpflichtet, der Kundschaft bei jedem Einkauf einen Kassenbon mitzugeben. Also theoretisch schon bei einem Brötchen für 30 Cent. Eine Umfrage in Essen aber zeigt: Überzeugt ist von dieser Gesetzesänderung offenbar niemand hier.
Bäcker treffen Politiker
Vertreter des Bäckerhandwerks haben kürzlich mit CDU-Politikern im Landtag diskutiert, um auf die Folgen der Bonpflicht hinzuweisen.
Nach Angaben des Handwerks herrschte bei den Parlamentariern Unverständnis darüber, dass in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit besondere Bedeutung habe, auf diese Weise Unmengen an Müll entstehen.
„Warum sollte ich den Kassenbon mitnehmen? Es ist doch umweltfreundlicher, wenn ich ihn ablehne, oder?“, sagt ein Kunde (38) in der Suppenfabrik. Damit liegt er allerdings nicht ganz richtig. Denn Händler und Gastronomen müssen die Zettel ohnehin ausdrucken. Selbst wenn die Kunden diese nicht haben möchten oder wenn es sich nur um Kleinbeträge handelt wie im Falle des 30-Cent-Brötchens.
Essener Kaffeehaus-Betreiberin: Auf uns werden zusätzliche Kosten zukommen
Hinter der Bonpflicht steckt der Plan, den Steuerbetrug bei Registrierkassen einzudämmen. Es soll verhindert werden, dass Händler oder Gastronomen die vom Kunden kassierte Umsatzsteuer behalten und nicht an den Staat abführen. „Warum dazu dieser Aufwand mit den Kassenzetteln betrieben wird, kann ich nicht verstehen“, sagt Susanne Kötter, die das Café Kötter an der Rüttenscheider Straße betreibt. Denn: „Die Daten werden in der Kasse sowieso gespeichert und könnten bei einer Kontrolle jederzeit abgerufen werden.“
In dem traditionsreichen Café sei es bislang so gewesen, dass Gäste an den Tischen früher schon einen Beleg bekommen haben, „nun drucken wir ihn eben auch für den Außer-Haus-Verkauf aus“. Nach Vorteilen hat Susanne Kötter lange gesucht. Gefunden hat sie sie nicht: „Auf uns werden zusätzliche Kosten zukommen. Wir werden Bon-Rollen ohne Ende verbrauchen.“
Bäcker plant, weitere Mülleimer aufzustellen
Gerade die Bäcker und Konditoren werden von der neuen Bonpflicht hart getroffen. Stefan Holtkamp betreibt die älteste Bäckerei der Stadt. Die Zunahme der Bürokratie sei unfassbar, sagte er kürzlich mit Blick auf die Gesetzesänderung zum Jahresanfang. Er kündigte an, seine fünf Filialen in Essen mit zusätzlichen Mülleimern auszustatten, damit die Kunden die unerwünschten Kassenzettel zügig wieder loswerden können.
Andere Branche, gleiche Meinung. Silvia Goska betreibt einen Tabak- und Zeitschriftenladen. „Alle Kunden, mit denen ich darüber spreche, finden die neue Vorschrift blöd. Und ich schließe mich dieser Meinung an.“ Der große Teil der Belege werde im Müll landen, vermutet sie. „Denn bislang wollte kaum ein Kunde den Kassenzettel mitnehmen. Und wenn doch, habe ich natürlich den Bon für ihn ausgedruckt.“
Bäcker Friese hat extra kleine Bons entworfen
In dem kleine Laden „Geschenkewelt“ ein paar Meter weiter verkauft Gabi Gockeln gerade eine Geburtstagskarte – und ärgert sich ebenfalls über das neue Gesetz: „Ich finde es blödsinnig. Einerseits wird über den Umweltschutz gesprochen, andererseits wird neuer Müll produziert. Aber was sollen wir machen?“ Ihre Deko- und Geschenkartikel beginnen bei einem Euro. Der Kunde, der gerade die Geburtstagskarte kauft, lehnt den Kassenzetteln dankend ab. „Ich habe schon genug Papierkram in meiner Tasche“, sagt er.
Ändern wird auch Jörg Friese das neue Gesetz nicht. Aber der Bäcker aus Rüttenscheid hat sich schon lange vorher Gedanken gemacht, wie er trotz der Bonpflicht den Papierverbrauch so gering wie möglich halten kann: „Ich habe extra kleine Bons entworfen, um Papier zu sparen.“ Den normal großen Kassenzettel bekommt der Kunde dann nur auf Wunsch – und diesen Wunsch, prophezeit Friese, werde es gewiss nicht häufig geben.