Essen. Nach Raub auf 16-Jährigen in Bredeney steht fest: Die drei Jugendlichen, die die Polizei stellte, sind unschuldig - doch die Folgen dramatisch.
Der brutale Raubüberfall auf einen 16-Jährigen am Wochenende in Essen-Bredeney kennt noch immer keine Täter, dafür aber eine ganze Reihe von Opfern: Denn die drei Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren, die die Polizei nach einer nächtlichen Verfolgung mit Hubschrauber und Diensthund im Süden der Stadt gestellt hat, sind komplett unschuldig. Das hat das Präsidium am Dienstag bestätigt.
Wie erst jetzt bekannt worden ist, wiegen die Fahndungsfolgen für den Ältesten von ihnen allerdings besonders schwer - mit womöglich lebenslangen gesundheitlichen Folgen: Der Junge, der vor einem der Beamten zu Fuß flüchtete und schließlich auf einem Waldpfad am Hügelweg von dem vierbeinigen Helfer des Hundeführers gestoppt worden ist, „liegt mit schwersten Bissverletzungen am Arm im Krankenhaus“, klagt seine immer noch entsetzte Mutter in einem Gespräch mit dieser Zeitung.
Drei Finger an der Hand des 15-Jährigen sind taub
Ihr Sohn, der nach einer Zwischenstation im Essener Krupp-Krankenhaus in eine Spezialklinik für Plastische Chirurgie verlegt worden sei, könne drei Finger seiner Hand nicht mehr spüren, sie seien taub. Wohl eine Folge der starken Muskelverletzung. Die faustgroße Wunde müsse mit Hilfe eines Schwamms offengehalten werden, um sie immer wieder zu reinigen zu können. Der 15-Jährige bekomme hoch dosierte Antibiotika verabreicht, die bakterielle Komplikationen möglichst verhindern sollen. Ob er seine Finger jemals wieder so benutzen könne wie bis zu dem Zwischenfall in dem Wäldchen nahe des Bredeneyer Kreuzes, stehe derzeit in den Sternen.
Dort, gegenüber der Markuskirche, hat sich in Coronazeiten offenbar ein Treffpunkt für Jugendliche etabliert, die sich in Lockdown-Zeiten die Langeweile vertreiben wollen. Mehrfach soll die Polizei dort schon eingegriffen und die Grüppchen aufgelöst haben. Auch am Samstagabend, als die Leitstelle kurz nach dem Raub auf den Anwohner (16) der Zeunerstraße eine Fahndung einleitete, hatte sich dort eine Clique versammelt - nur wenige Meter vom Tatort entfernt.
Dem schwer verletzten 15-Jährigen Handfesseln angelegt
„Mein Sohn war auch da“, sagt die Mutter des 15-Jährigen, der wie seine Begleiter Fersengeld gab, als er die Polizisten sah: „Sie hatten ein schlechtes Gewissen wegen der Coronaschutzverordnung“ und die alarmierten Beamten sofort den Verdacht, dass es sich bei den Flüchtenden um die gesuchten Räuber handeln könnte. Die Jagd, sie war damit eröffnet, bis der Diensthund den Jugendlichen zu Boden riss, der nacheilende Beamte den 15-Jährigen auf den Bauch drehte und ihm Handfesseln anlegte, weiß die Essenerin.
Eine Stunde habe sie anschließend mit Ermittlern im Krupp-Krankenhaus verbracht, erinnert sich die Mutter, während zumindest einer der 14-Jährigen auf einer Wache verhört wurde und offenbar Identisches aussagte wie ihr Sohn. Noch in der Klinik habe ihr der Beamte der Ermittlungsgruppe Jugend bedeutet, dass ihr Filius wohl nichts mit dem Raubüberfall zu tun habe.
Ein Opferschutzbeauftragter hat Kontakt zu der Familie aufgenommen
Ganz sicher seien die Ermittler nach eingehender Prüfung dann am Dienstag gewesen, sagt Polizeisprecher Marco Ueberbach. Dass ein 15-Jähriger, der dazu auch noch unschuldig sei, der Leidtragende und zudem schwer verletzt sei, „das macht betroffen und tut auch weh“, so Ueberbach: „Wir werden dem Jungen und der Familie alle möglichen Hilfen anbieten, die wir anbieten können.“ Ein Opferschutzbeauftragter des Präsidiums Essen habe bereits Kontakt aufgenommen. „Doch das Wichtigste ist, dass der Jugendliche möglichst schnell vollkommen gesund wird“, betonte der Polizeisprecher.
Gleichzeitig ließ Ueberbach keinen Zweifel daran, dass der Hundeführer richtig gehandelt habe. Nach der Alarmierung musste er davon ausgehen, dass es sich bei dem Flüchtenden um ein Mitglied der dreiköpfigen Räuberbande handelte, die den 16-Jährigen im Hausflur überfallen habe. Als der Verdächtige vor ihm trotz Aufforderung und der Ankündigung, den Hund einzusetzen, nicht reagierte und der Abstand sich vergrößerte, habe er den Rüden von der Leine lassen müssen. „Der Tatverdacht war da“, sagt der Polizeisprecher - und erst später die Erkenntnis, dass es einen unschuldigen Gymnasiasten getroffen hat. Das, so Ueberbach, mache dem Beamten der Diensthundestaffel schwer zu schaffen. Die betroffene Familie behält sich rechtliche Schritte vor.