Hamburg. CDU gewinnt Bergedorf und Wandsbek, AfD zum Teil zweistellig. Ein Bezirksamtsleiter verliert sogar „zu Hause“. Der Newsblog.
Die ersten Trends waren schon am Montagnachmittag erkennbar: Nach den herben Einbußen bei der Europawahl 2024 haben die Grünen in Hamburg auch bei der Bezirkswahl 2024 einen Dämpfer erlitten. Nach ihren Triumphen im Jahr 2019 in vier von sieben Bezirken (Altona, Eimsbüttel, Mitte und Nord) könnte ein Einbruch im „Grün-Trend“ Hamburgs der Partei um die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank einen Tiefschlag versetzen. Ist der Grün-Trend auch mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2025 schon vorbei? Sind andere Hamburg-Koalitionen als Rot-Grün denkbar geworden? Dennoch stehen Siege in drei Bezirken in der grünen Bilanz des Wahl-Sonntages.
Die Hamburger CDU dürfte dagegen Rückenwind für ihre Oppositionsarbeit und die Bürgerschaftswahlen 2025 verspüren. Sie gewann Bergedorf. und am Ende auch hüchdünn in Wandsbek nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Die AfD hat sich neue Hochburgen in Hamburg erobert. Sie dürfte wie andere Rechtspopulisten europaweit vor allem vom Thema Flüchtlingspolitik profitiert haben.
Wie Hamburgs SPD um Bürgermeister Peter Tschentscher nach der Europa- und Bezirkswahl dasteht, muss sich zeigen. Traditionell sind die Sozialdemokraten in der Lokalpolitik fest verankert. Jedoch haben Bauprojekte wie der Elbtower, das Holstenareal oder das Gelände der ehemaligen Esso-Häuser auf St. Pauli Zweifel an der Zuverlässigkeit der Planungen in SPD-Hand genährt. Im Hafen stößt vielen der MSC-Deal übel auf. Trotzdem zeigt die Bezirkswahl eine Stabilisierung der SPD und sogar Gewinne. Die Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland erklärten am frühen Abend: „Auch wenn noch ausgezählt wird, zeichnet sich ab: Die SPD hat in allen sieben Bezirken zugelegt und ist damit auf Bezirksebene wieder die stärkste politische Kraft. Wie schon bei der Europawahl ist es uns in Hamburg gelungen, uns von dem negativen Bundestrend abzuheben.“
Bezirkswahlen Hamburg 2024: Ergebnisse und Reaktionen
Dass die Wählerinnen und Wähler in Hamburg ein großes Interesse an der Politik vor Ort haben, zeigt sich in der Beteiligung. Wie bei den Europawahlen lässt sich ein Anstieg der Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2019 verzeichnen: von 58,0 auf 62,4 Prozent im Jahr 2024.
Bezirkswahlen 2024 in Hamburg: Verfolgen Sie die Ergebnisse und Aktuelles hier im Newsblog:
Bezirksamtsleiter verliert sogar „zu Hause“
Niederlage für den Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz „im eigenen Hause“. Im Trauzimmer des Bezirksamtes Hamburg-Nord (Wahlkreis 40307) haben die Grünen 9,7 Prozentpunkte bei den dort registrierten Wählerinnen und Wählern eingebüßt. Die Partei von Werner-Boelz holte im Herzen des Bezirks bei 1181 gültigen Stimmen nur noch 24,6 Prozent. Die SPD zog mit 30,1 Prozent vorbei.
CDU-Chef Thering will Sondierungen in allen Bezirken
CDU-Parteichef Dennis Thering sagte am Montagnachmittag zum Ausgang der Bezirkswahlen, die CDU habe deutlich hinzugewonnen. „In Bergedorf liegen wir klar vorne und in Hamburgs größtem Bezirk Wandsbek haben wir uns ein sehr knappes Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD geliefert. Für unser beharrliches Engagement für ein sicheres Hamburg, eine funktionierende Mobilität und eine starke Wirtschaft haben wir viel Unterstützung bekommen.“ Die Senatskoalition in Hamburg sei geschwächt und die Bürgerschaftswahl 2025 „völlig offen“. Die CDU werde in allen Bezirken „sondieren“, mit welchen demokratischen Partnern und in welchen Konstellationen wir möglichst viele unserer Punkte umsetzen können“.
Auf Instagram erklärten der CDU-Kreisvorsitzende Dennis Gladiator und der Spitzenkandidat für die Bezirksversammlung, Julian Emrich: „Die Bergedorferinnen und Bergedorfer haben die CDU zur stärksten Kraft in der Bezirksversammlung gewählt. Die Bergedorfer Ampel (SPD, Grüne, FDP) wurde abgewählt.“ Die Bezirksfraktion werde sich am Mittwoch konstituieren.
Von Altona bis Wandsbek: Das sind die Bezirkswahlergebnisse 2024:
Das sind nach Angaben der Landeswahlleitung die Ergebnisse der Hamburger Bezirkswahl 2024 nach Auszählung von 1897 der 1921 Gebiete. In den Klammern stehen die Ergebnisse von 2019.
- Altona: Grüne 27,6 (35,1), SPD 21,6 (20,4), CDU 18.0 (16,6), AfD 5,5 (4,4), FDP 7,6 (6,8), Linke 12,9 (14,8), Sonstige 6,8 (2,0)
- Bergedorf: Grüne 14,6 (21,9), SPD 26,6 (26,4), CDU 28,6 (24,3), AfD 14,4 (8,5), FDP 4,7 (5,5), Linke 8,2 (10,5), Sonstige 2,9 (2,9)
- Eimsbüttel: Grüne 29,5 (37,2), SPD 23,4 (23,1), CDU 19,5 (16,3), AfD 6,2 (4,9), FDP 6,1 (6,5), Linke 9,1 (10,4), Sonstige 6,1 (1,6)
- Harburg: Grüne 15,8 (25,8), SPD 28,4 (27,1), CDU 23,1 (19,4), AfD 14,3 (10,2), FDP 4,8 (6,0), Linke 8,2 (9,3), Sonstige 5,4 (2,2)
- Mitte: Grüne 21,0 (29.3), SPD 28,5 (27,0), CDU 15,6 (12,1), AfD 10,2 (7,7), FDP 4,8 (4,8), Linke 14,8 (15,6), Sonstige 5,1 (3,4)
- Nord: Grüne 27,9 (35,7), SPD 23,3 (20,8), CDU 19,4 (17,5), AfD 6,4 (4,6), FDP 7,2 (7,7), Linke 7,6 (9,6), Sonstige 8,1 (4,1)
- Wandsbek: Grüne 19,4 (26,3), SPD 27,7 (26,7), CDU 27,9 (22,2), AfD 11,0 (7,7), FDP 6,9 (7,0), Linke 7,0 (7,2), Sonstige – (2,9)
Neuer Wirbel um Olga Petersen (AfD)
Falls jemand #OlgaPetersen sieht, vielleicht mal den Hinweis geben, sie möge ihren Wohnsitz klären angesichts des gewonnenen Mandats für die Harburger Bezirksversammlung! pic.twitter.com/8bAv9gcxMS
— Jenny Jasberg🇪🇺 (@jenny_jasberg) June 10, 2024
Wo ist AfD-Frau Olga Petersen? Auf X teilt die Co-Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Jennifer Jasberg, gegen Petersen aus: „Falls jemand Olga Petersen sieht, vielleicht mal den Hinweis geben, sie möge ihren Wohnsitz klären angesichts des gewonnenen Mandats für die Harburger Bezirksversammlung!“
Petersen ist AfD-Vorsitzende in Harburg und zählt am Montagnachmittag im Wahlkreis Hausbruch zu den Führenden – nach SPD-Mann Mehmet Ali Kizil (3874 Stimmen) und Robert Timmann von der CDU (3690 Stimmen). Zuletzt gab es viel Wirbel um die AfD-Politikerin: Gegen die 41-Jährige wurde ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet, aus der Bürgerschaftsfraktion wurde sie ausgeschlossen. Auch mit den Hamburger Behörden könnte Ärger drohen: Zuletzt gab es Spekulationen, Petersen könne sich mit ihren Kindern in Russland aufhalten. Schulleitung hat laut NDR 90,3 ein Absentismus-Verfahren eingeleitet und die Polizei informiert.
Nela Riehl überraschende Hamburger Europa-Abgeordnete
Sie fährt überraschend als neue Hamburger Abgeordnete nach Straßburg und Brüssel: Deutschlehrerin Nela Riehl hat es als Top-Kandidatin der Partei Volt ins EU-Parlament geschafft. Dem Abendblatt sagte sie am Montagmorgen: „Ich bin völlig überwältigt und sprachlos. Gleichzeit ist der große Wermutstropfen das Ergebnis der AfD.“ Der europäische Kerngedanke sei „für die Leute“ relevant gewesen, sagte Riehl. Mit zwei Kandidaten aus den Niederlanden seien es nun insgesamt fünf Volt-Abgeordnete im Europaparlament. „Wir wollen ein stärkeres, ein besseres Europa, das hat so viel Potenzial. Ich persönlich möchte ins Feld der Außenpolitik.“ Persönlich kommen für sie jetzt einschneidende Veränderungen zu: „Die Wohnungssuche müssen wir jetzt ganz schnell angehen.“
Bezirkswahl: So waren die Ergebnisse und Einschätzungen in Ihrer Nachbarschaft
Hier finden Sie die Abendblatt-Analysen zu den einzelnen Bezirken:
Grünen-Fraktionsvorsitzende Jasberg beklagt neue AfD-Hochburgen
Die neuen AfD-Hochburgen in Hamburg kommentiert die Co-Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Jennifer Jasberg, nach der Europawahl auf X (vormals Twitter) so: „In Hamburg haben knapp 69.000 Menschen einer Partei ihre Stimme gegeben, deren Europakandidat hier Vorsitzender der Jungen Alternative ist – einer vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Organisation.“ Ihren Post versieht die Bergedorfer Kreisvorsitzende mit dem Hashtag „Schumann“ und zielt damit auf den AfD-Europakandidaten Michael Schumann ab.
Die Grünen in Altona haben ebenfalls erheblich Stimmen eingebüßt. Ihre Vorsitzende Mareike Engels sagte jedoch, ihre Partei sei stärkste Kraft geblieben. „In den letzten Monaten hatten wir es mit einer aufgeheizten Stimmung zu tun. Wir mussten bundesweit viel Hass und Hetze ertragen. Auch in Altona spitzte sich die politische Stimmung im Wahlkampf zu.“
Neugraben-Fischbek: Russlanddeutsche wählen AfD
Ihre größten Erfolge mit jeweils über 30 Prozent fährt die AfD bei der Europawahl im Bezirk Harburg ganz im Westen ein: Die drei Wahlbezirke mit dem höchsten AfD-Stimmenanteil lagen in Neugraben-Fischbek. Dort sind es die beiden Wahlbezirke in der Schule Ohrnsweg, die die Sandbek-Siedlung abdecken und der Wahlbezirk in der Michaelis-Kirche, wo die Bewohner der Petershof-Siedlung wählen gehen. Beide SAGA-Großsiedlungen haben in ihrer Bevölkerung einen großen Anteil an Russlanddeutschen. Es ist die politische Heimat der untergetauchten AfD-Kandidatin Olga Petersen.
Christoph Ploß: „Nicht dem Zeitgeist hinterher“
Nachdem am Sonntag auch Christoph Ploß, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Hamburg-Nord, seine Wahlunterlagen in der Urne verschwinden ließ, äußerte er sich auf x zum Ausgang der Europawahl. „CDU und CSU sind wieder die klare Nummer eins, die Ampelkoalition wird abgestraft und die SPD fährt ihr historisch schlechtestes Ergebnis aller Zeiten ein.“ In einem weiteren Beitrag schreibt der Hamburger: „Die Europawahl zeigt: Wenn die Menschen die Politik der Grünen Partei in der Praxis sehen, laufen sie in Scharen davon.“ Es sei richtig, so Bundestagsmitglied Ploß, als CDU und CSU unter Friedrich Merz nicht dem vermeintlichen Zeitgeist hinterherzurennen, „sondern eine klare bürgerliche Linie zu verfolgen“.
Die #Europawahl zeigt: Wenn die Menschen die Politik der #grünen Partei in der Praxis sehen, laufen sie in Scharen davon. Es war richtig, als @cducsubt unter @_FriedrichMerz nicht dem vermeintlichen Zeitgeist hinterherzurennen, sondern eine klare bürgerliche Linie zu verfolgen!
— Christoph Ploß 🇩🇪🇺🇦 (@christophploss) 10. Juni 2024
Halbzeit der Bezirkswahl-Ergebnisse: Der überraschende Trend hält an
Es sind nur Momentaufnahmen – oder ist bereits ein starker Trend erkennbar? Nach gut der Hälfte der 1921 ausgewählten Gebieten sind das vorläufige Highlights der Bezirkswahl: Die Verluste der Grünen gehen weiter, die CDU scheint da und dort zuzulegen – und die AfD könnte auch bei der Hamburger Bezirkswahl einer der Gewinner sein.
- Altona: Wahlsieger könnten die Grünen erneut werden – trotz Verlusten von 35 auf 26 Prozent. SPD und CDU legen zu, die Linken verlieren etwas.
- Bergedorf: Hier liefert sich die CDU als möglicher Wahlsieger mit der SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit 27 und 26 Prozent. Die AfD ist hier am stärksten in Hamburg mit rund 15 Prozent. Das wäre fast eine Verdoppelung gegenüber 2019.
- Eimsbüttel: Die Grünen verlieren etwa acht Prozentpunkte auf 29, werden aber wohl Platz eins verteidigen können. Die SPD stabilisiert sich bei etwa 23 Prozent, die CDU legt leicht zu auf aktuell 18 Prozent.
- Harburg: Hier wie in Mitte sind die treuesten SPD-Wähler. Die Sozialdemokraten kommen vorläufig auf 28 Prozent, gefolgt von der CDU mit 23. Für die Christdemokraten ist das ein satter Zugewinn, für die Grünen mit jetzt 16 Prozent ein Absturz von rund 25.
- Mitte: Die Grünen rauschen ab auf 21 Prozent (2019: 29 Prozent), CDU und Linke sind in etwa gleichauf (15). Die AfD ist knapp zweistellig. Wahlsieger könnte die SPD werden (28 Prozent).
- Nord: Die Grünen dürften ihren Wahlsieg von 2019 auch 2024 bestätigen, aber mit Verlusten von 35 auf 27 Prozent. Die SPD steht aktuell bei 23 Prozent. Auch die CDU legt wohl leicht zu (aktuell 19 Prozent).
- Wandsbek: Ein ähnliches Bild für Grüne, SPD und CDU hier: Aus dem einstigen Kopf-an-Kopf der meistgewählten Parteien hat sich die SPD 2024 mit 27 Prozent gegenüber den Grünen abgesetzt und muss nur die CDU fürchten (26). Die Grünen sind auf unter 20 Prozent abgerutscht. Die AfD wächst von sieben auf zwölf Prozent.
Impressionen aus einer Hamburger AfD-Hochburg
AfD-Hochburg Hamburg-Rothenburgsort ein Tag nach den Wahlen: „Die AfD ist gut“, sagt ein aus Russland stammender Mann auf der Straße, der anonym bleiben will. „Das sind traditionelle Menschen.“ Auch er hat die rechtspopulistische Partei gewählt, die in einem Wahllokal in Rothenburgsort mit 24.7 Prozent die Mehrheit der Stimmen geholt hat. Doch nicht alle in Rothenburgsort empfinden so. Sabine, die ihren Nachnamen nicht veröffentlicht sehen möchte, hat selber schon oft mitbekommen, dass über die in Rothenburgsort lebenden Flüchtlinge abfällig gesprochen wird. Das für die AfD positive Wahlergebnis findet sie „beschissen“. Seit 2011 lebt sie in dem Stadtteil und hat über die Jahre beobachtet, dass sich politisch rechte Ansichten hier weiter verbreitet haben.
Hamburger CDU-Mann rät der Ampel: Kurswechsel oder Vertrauensfrage
Christoph de Vries von der CDU Hamburg-Mitte äußert sich am Tag nach den Wahlen auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter): „Der Bundeskanzler und die Bundesregierung haben keine Unterstützung in der Bevölkerung mehr“, so der CDU-Bundestagsabgeordnete. Sie regierten gegen die Mitte der Gesellschaft. Die Ampel habe zwei Optionen: „Entweder ein kompletter Kurswechsel ihrer Politik oder die Vertrauensfrage im Parlament.“ Hauptkonkurrent der CDU und CSU sei die AfD, so de Vries.
AfD-Mann pöbelt gegen die ARD
Der AfD-Vorsitzende in Hamburg-Nord, Krzysztof Walczak, postete auf X: „Die linke ARD hat mal wieder politisches Tourette, wenn jede zweite Partei als rechtsextrem diffamiert wird. Durchschaubare Propaganda.“
Warum Finanzsenator Dressel gut gelaunt scheint
Finanzsenator Andreas Dressel (49) zeigte sich bei der Stimmabgabe am Sonntag noch gut gelaunt. Dass Grüne und SPD auf Europa-Ebene so stark verlieren, wenn auch in Hamburg nicht so viel, wird ihm nicht gefallen. Doch für die Bezirkswahl – Dressel ist stolzer Volksdorfer – hat er wohl noch Hoffnung. Das hat wohl mit seiner Familie zu tun. Etwas nebulös schrieb er auf Instagram: „K1 darf das erste Mal wählen. Jede Stimme zählt.“ K1 klingt wie Kind 1, das augenscheinlich wahlberechtigt ist. Dressel ist Vater von zwei Töchtern und einem Sohn.
Bezirkswahl 2024: Auszählung in Hamburger Messehallen
Die Auszählung der Stimmzettel für die Bezirkswahlen 2024 hat in den Messehallen begonnen. Was für die Beobachter unübersichtlich und wuselig erscheint, soll einem strengen Plan folgen. Auf den Bezirkslisten stehen 1399 Kandidatinnen und Kandidaten, auf den Wahlkreislisten sind es 1273. Jeder Wahlberechtigte hatte zweimal fünf Stimmen, die beliebig vertelt werden konnten. Entsprechend aufwendig ist das händische Auszählen. Die rund 1100 Wahlhelfer, die sich in der Messehalle A4 um die Stimmzettel aus dem Bezirk Mitte kümmern, haben sich vorsorglich mit reichlich Snacks und Getränken eingedeckt. Denn die Auszählung dauert bis „open end“, wie es hier heißt. Realistisch sei, dass die ersten Ergebnisse am späten Nachmittag feststehen, sagt die Sprecherin des Bezirksamts Mitte, Elsa Scholz. Die Auszählung in den Messehallen ist öffentlich. Theoretisch kann ihr jeder beiwohnen, um sich davon zu überzeugen, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht. Die Nacht von Sonntag zu Montag haben die Urnen in einem abgeschlossenen Raum ohne Fenster verbracht. Am Sonntagabend wurden die Bezirkswahlstimmen von rund 400 Urnenwahllokalen unter Polizeibegleitung zu den Briefwahlzentren gebracht.
Europawahl: Freya Gräfin Kerssenbrock knapp gescheitert
Die Hamburger CDU wird auch künftig nicht im Europaparlament vertreten sein. Spitzenkandidatin Freya Gräfin Kerssenbrock verpasste den Sprung nach Brüssel und Straßburg, obwohl die CDU 23 Abgeordnete stellt. „Ich habe heute früh eine weitergeleitete Nachricht der Bundeswahlleiterin mit der Liste der gewählten CDU-Abgeordneten erhalten. Mein Name stand nicht darauf“, sagte Kerssenbrock. Für die Richterin hat der Alltag am Tag nach der Wahl bereits wieder begonnen. Das Abendblatt erreichte die Christdemokratin im Gericht.
Kerssenbrock nahm das Ergebnis mit Gelassenheit auf. „Alles in Ordnung. Ich habe einen tollen Beruf und bin nicht von der Politik abhängig“, sagte die Juristin. Anders als alle anderen Parteien treten CDU und CSU bei der Europawahl mit Landeslisten an. Entscheidend für die Sitzverteilung bei der CDU sind die Ergebnisse und die Wahlbeteiligungen der einzelnen Landesverbände im Vergleich. „Für Hamburg ist die Regelung mit den Landeslisten nicht gut, gerade weil die Stadt sehr stark von der EU profitiert“, sagte die CDU-Politikerin.
Altona: Ändern sich die politischen Verhältnisse zwischen Ottensen und Blankenese?
Muss die grüne Bezirksamtsleiterin Stefanie Berg (59; Altona) um ihren Posten zittern? Wegen verschiedener Bauprojekte und des Ärgers um die Radwege ist von Berg nicht mehr so gut gelitten – weder bei den Bürgerinnen und Bürgern noch in der Bezirksversammlung. Ihre Amtszeit geht noch bis 2025.
Kann Ralf Neubauer die SPD in Mitte wieder zur Bastion der Sozialdemokraten ausbauen?
Mitte-Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer steht eigentlich in der Tradition „prominenter“ Sozialdemokraten hier. Markus Schreiber war hier Bezirkschef, Andy Grote, Falko Droßmann. Doch Neubauer hat von der City über die HafenCity bis zum Elbtower und St. Pauli mit Schwierigkeiten zu kämpfen, deren Ursachen und Folgen weit über Hamburg hinausgehen. Und dann ist da der Hamburger Hauptbahnhof, in dessen Umfeld das Drob Inn immer wieder für Diskussionen sorgt.
Verkehr in Hamburg: Mega-Projekt U5, S-Bahn, Radwege und Anwohnerparken
Wenige Themen haben in den vergangenen Jahren trotz oder wegen der Corona-Pandemie so polarisiert wie der Verkehr in Hamburg. Er mag während der Lockdowns und in Hochphasen von Homeoffice entspannter geworden sein. Doch das Parken in den am dichtesten besiedelten Quartieren wie Eimsbüttel, Hoheluft oder Eppendorf war immer umstritten. Hinzu kommt die geplante U-Bahnlinie U5, die Hamburgs Jahrhundertprojekt ist, sowie der S-Bahnausbau und der möglicherweise realisierte Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET), der die S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Diebsteich unter die Erde legen soll, aber die Stadt erneut um mehrere Großbaustellen bereichern wird. Die Radwege-Diskussion nimmt sich da schon fast gesittet aus.
Das ist das vorläufige Endergebnis der Europawahl 2024 in Hamburg
Das vorläufige amtliche Endergebnis der Europawahl mit einer Wahlbeteiligung von 65,7 Prozent (plus 3,8 Prozentpunkte gegenüber 2019 zeigte diese Reihenfolge:
- Grüne 21,2 Prozent
- SPD 18,7 Prozent
- CDU 18,4 Prozent
- AfD 8,0 Prozent
- FDP 7,0 Prozent
- Volt 6,0 Prozent
- Linke 5,1 Prozent
- BSW 4,9 Prozent
- Sonstige 10,6 Prozent
Grün war der Erfolg in einem weiten Kreis rund um die Außenalster, mit der Ausnahme von Wahllokalen zum Beispiel in Harvestehude und auf der Uhlenhorst. Im Westen ging das tiefe Grün bis Othmarschen. Rot, also SPD-lastig wurde es im Bezirk Mitte Richtung Hamburgs Osten und südlich der Elbe und in Teilen von Wilhelmsburg sowie in Wandsbek. Die CDU feierte Erfolge unter anderem in den Vier- und Marschlanden, in Bergedorf sowie in Wellingsbüttel, Hummelsbüttel und im Westen Richtung Blankenese. Die AfD zeigte sich zum Beispiel stark in Neugraben-Fischbek und in Rothenburgsort.
Von Altona bis Wandsbek: Das sind die wichtigsten Themen
Verkehr, Wohnen, Sicherheit: Das sind die wichtigsten Themen in den sieben Hamburger Bezirken im Überblick:
Zum Nachschlagen: Die Ergebnisse der Bezirkswahl 2019 finden Sie hier. Und hier sind die Ergebnisse der Europawahl 2019 in Hamburg. Zu allem rund um den Wahlsonntag 2024 gelangen Sie hier.