Hamburg. In einigen Wahllokalen kommen Rechtspopulisten auf bis zu 37,5 Prozent. Hochburgen haben einiges gemeinsam. Zugewinne bei Bezirkswahlen.
Von Werten wie in Ostdeutschland ist die AfD in Hamburg weit entfernt - doch die Rechtspopulisten haben auch in der Hansestadt zugelegt. In einzelnen Wahllokalen wurden sie sogar stärkste politische Kraft. So lohnt sich ein Blick in ihre Hochburgen. Grob gesagt handelt es sich dabei um sozial schwächere oder belastete Quartiere. So liegt die AfD vorn beispielsweise in Billstedt und Rothenburgsort, Jenfeld, Lurup und Osdorf, Teilen von Rahlstedt und Farmsen-Berne sowie in Hausbruch. In Neugraben-Fischbek wurde die Rechtspartei im Wahllokal 71513 mit sage und schreibe 37,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Bundestrends zufolge haben gerade junge Leute AfD gewählt. Auch bei den Bezirkswahlen gewinnt die AfD dazu.
37,5 Prozent im Wahllokal in der Schule am Ohrnsweg – das ist dort ein riesiger Sprung. Das Plus zur letzten Europawahl beträgt 22,5 Prozentpunkte. Die Wähler kommen aus der Sandbeksiedlung, einer Ansammlung von viergeschossigen Mehrfamilienhäusern aus den 1970er-Jahren. Eine Erhebung aus dem Jahr 2017 bescheinigte dem Quartier einen extrem hohen Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund, der bei 70 Prozent liegt. Darunter sind auch viele Menschen mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion. Der Statusindex für 2020 wird mit „sehr niedrig“ angegeben. Ein Ortsbesuch.
Europawahl: AfD und ihre Hochburgen in Hamburg – wo sie am stärksten ist
„Man fühlt sich hier mehr wie im Ausland“, sagt Jochen Jäger, der dort lebt. Dazu seien die deutschen Bewohner der Häuser eher ältere Menschen. Das bringe viele Probleme mit sich. „Ich glaube, dass deswegen viele die AfD gewählt haben“, meint Jäger. Aber auch die Bundespolitik sieht er als Grund. „Die Leute glauben, dass es hier im Land schlecht läuft und es sie als Erste trifft, wenn es weiter runtergeht.“ Auch Rentnerin Marianne S. lebt nicht gern hier, einen Umzug kann sie sich aber nicht leisten. Lesen Sie hier mehr zum AfD-Erfolg in Neugraben-Fischbek.
Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU im Bezirk Harburg und selbst aus dem Stadtteil Neugraben-Fischbek, wundert das hohe Ergebnis der AfD oder anderer Parteien am rechten und linken Rand in der Sandbeksiedlung, aber auch in einigen angrenzenden Bereichen, nicht. Diese Entwicklung gebe es seit 20 Jahren.
Hochburgen: Wie sich die Stimmung in Rothenburgsort ändert
Auch in anderen Teilen Hamburgs wurde die Rechtsaußen-Partei bei der Europawahl stärkste Kraft: In Hausbruch beispielsweise errang die AfD im Wahllokal 71402 insgesamt 34,2 Prozent der Stimmen, in Farmsen-Berne im Wahllokal 51409 waren es 25,2 Prozent. In Rahlstedt wurde die AfD in mehreren Wahllokalen stärkste Kraft, mit 30,4 Prozent (52.629) und 28,3 Prozent (52.639) und 26,2 Prozent (52.630).
Ebenso in Rothenburgsort. Wir treffen beim Besuch vor Ort einen aus Russland stammenden Mann, der anonym bleiben will, aber die AfD gewählt hat. „Das sind traditionelle Menschen“, sagt er. Hier wurde die Partei in einem Wahllokal mit 24,7 Prozent stärkste Kraft. Doch nicht alle empfinden in Rothenburgsort so. Eine Anwohnerin erzählt, dass die Popularität der AfD im Stadtteil zu spüren ist. „Es ist ganz klar und deutlich zu hören.“
Auch über Flüchtlinge werde abfällig gesprochen. Die Rothenburgsorterin findet das gute Abschneiden der AfD schlimm. Seit 2011 lebt sie in dem Stadtteil und hat über die Jahre beobachtet, dass sich rechtspolitische Ansichten hier weiter verbreitet haben. Auch eine andere Einwohnerin hat die Veränderung in Rothenburgsort wahrgenommen. Die politische Lage sei zunehmend angespannt.
Hamburg: Auch bei Bezirkswahlen legt AfD zu
Auch bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen legte die AfD zu. Nach Auszählungsstand von 16.50 Uhr kam sie in vier Bezirken auf ein zweistelliges Ergebnis: In Bergedorf (14,4 Prozent, + 5,9), in Harburg (14,2 Prozent, +4), in Wandsbek (11,3 Prozent, +3,6) und Hamburg Mitte (10,2 Prozent, +2,5).
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Insgesamt erzielte die AfD bei der Europawahl in Hamburg 8 Prozent – 1,5 Prozent mehr als bei der letzten Wahl. Der Landesvorsitzende Dirk Nockemann sagte am Wahlabend, die AfD liege „in Hamburg immer irgendwo im Bereich der Hälfte des Bundestrends“. Man habe das Ergebnis von 2019 immerhin verbessert, „und wir haben die FDP und die Linken klar hinter uns gelassen“. Das Ergebnis sei daher „respektabel“. Bundesweit sprach er von einem „bärenstarken Ergebnis“.