Hamburg. Der Platzmangel in Eimsbüttel stellt die Politik vor Herausforderungen. Welche Themen hier in Zukunft noch wichtig sind.
- 209.500 Menschen sind am Sonntag, 9. Juni, in Eimsbüttel zur Wahl der Bezirksversammlung aufgerufen
- Die Politik möchte mehr für Fußgänger und Radfahrer in Eimsbüttel tun
- An den Magistralen soll mehr Wohnraum entstehen
Am Sonntag, 9. Juni, sind im Bezirk Eimsbüttel 209.500 Menschen dazu aufgerufen, die Bezirksversammlung neu zu wählen. Eimsbüttel ist flächenmäßig zwar der kleinste der sieben Hamburger Bezirke, doch auf den rund 50 Quadratkilometern leben insgesamt knapp 275.000 Menschen. Das Besondere hier: Seit Ende 2021 wird mit wechselnden Mehrheiten regiert.
Ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl 2025 ist dieser Termin der Stimmungstest für die rot-grüne Koalition im Rathaus – und mehr: Die Hamburger Bezirkswahlen zeigen, nicht nur welche Kandidaten und Kandidatinnen für die kommende Amtszeit ins Rennen geschickt werden, sondern auch, welche Themen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort am meisten beschäftigen.
Bezirkswahlen 2024: Ausbau des Radroutennetzes, Sanierung von Spielplätzen
Dazu zählen Schwerpunkte, die auch im für den Bezirk entwickelten Leitbild „Eimsbüttel 2040 – Zukunft. Lebenswert. Gestalten.“ eine Rolle spielen. Darin beschrieben sind Punkte, die sich die Verwaltung für 2024 und die folgenden Jahre auf die Agenda gesetzt hat – wie etwa den Ausbau des Radroutennetzes, energetische Sanierungen und die Instandsetzung von Spielplätzen. Es geht primär darum, Grünzüge und Parks zu erhalten, sogar auszuweiten und Stadtteilzentren weiterzuentwickeln.
Für Fußgänger und Radfahrer soll ebenfalls mehr getan werden, auch zulasten des Autoverkehrs. Denn in den dicht besiedelten Stadtteilen des Bezirkes herrscht Platzmangel, und trotzdem wollen alle Verkehrsteilnehmer die Flächen für sich beanspruchen.
Das ist etwas, bei dem sich die Grünen in Eimsbüttel besonders hervortun, damit aber auch manch ursprünglich grüne Wähler, die auch Autofahrer sind, vergrätzt haben. „Wir wollen dem Umweltverbund – also Fuß- und Radverkehr, aber auch dem ÖPNV – mehr Fläche zur Verfügung stellen“, sagen Kathrin Warnecke und Ali Mir Agha, Fraktionschefs der Grünen in Eimsbüttel, in einem gemeinsamen Statement.
Hamburg-Eimsbüttel: In dichten Stadtteilen konkurrieren Verkehrsteilnehmer um den Platz
Dafür gibt es diverse Beispiele: Ein Teil der Bundesstraße wird zur Fahrradstraße, auch die Frohmestraße in Schnelsen soll umgestaltet werden, allerdings sind diese Pläne vorerst gestoppt worden. Auch rund um die Gustav-Falke-Straße wird sich die Verkehrssituation ändern: Hier sollen Straßen für den Durchgangsverkehr gesperrt werden, da in diesem Bereich acht Schulen liegen. „Im Schulcluster rund um die Bogenstraße wollen wir das entwickelte Verkehrskonzept zur Erhöhung der Schulwegsicherheit realisieren“, heißt es dazu von den Grünen.
Veränderte Verkehrsführungen, der Wegfall von Parkplätzen, die Neuordnung des Straßenraums durch Längs- statt Querparken oder die Förderung neuer Parklets (hier ist der Bezirk sogar Vorreiter): Das führt im Bezirk Eimsbüttel zu Zuspruch, aber auch zu Konflikten um die wenigen Abstellflächen in den Quartieren.
Die Sozialdemokraten um ihren Fraktionschef Gabor Gottlieb bemühen sich dabei um Ausgewogenheit: „Ob zu Fuß, mit dem Rad, Bus und Bahn oder dem Auto – wir stehen für eine Verkehrspolitik fernab dogmatischer Verbohrtheit. Dort, wo Menschen auf ein eigenes Auto angewiesen sind, werden sie auch in Zukunft eine funktionierende Infrastruktur vorfinden.“
Parken in Eimsbüttel: Versöhnung von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern
Auch den Liberalen ist das Thema wichtig: „Die Parkplätze durch das Verbot des Schrägparkens oder der Einführung von Anwohnerparkzonen zu verknappen führt zu einer nicht hinnehmbaren Diskriminierung von Autofahrern“, sagt FDP-Fraktionschef Benjamin Schwanke.
Das sehen die Christdemokraten um ihren Fraktionschef Rüdiger Kuhn im Bezirk ähnlich, sie werben im Wahlkampf damit, dass sich Fußgänger, Rad- und Autofahrer versöhnen: „Der Verkehr muss ganzheitlich betrachtet werden. Oftmals führen kleine Lösungen dazu, dass an anderen Stellen mehr Probleme entstehen. Vorhandene Fuß- und Radwege lieber kostengünstig ertüchtigen, als alles Geld in ein Projekt zu stecken.“ Grundsätzlich sollten die Eimsbütteler und die Institutionen vor Ort rechtzeitig miteingebunden werden. „Wer mitgestaltet und sich wiederfindet, akzeptiert auch eher Kompromisse“, so Kuhn.
Straßenbahn Hamburg: Die Linken plädieren für eine Rückkehr nach Eimsbüttel
Eimsbütteler, die sich vorstellen können, dass Hamburg wieder die Straßenbahn einführt, denken wie Mikey Kleinert von den Linken: „Auch wegen des bevorstehenden Klimakollapses müssen wir weg vom motorisierten Individualverkehr, und das schnell.“ Kleinert bringt die Forderung nach der Straßenbahn wieder auf die Agenda: „Die sind schneller gebaut, fürs Klima besser, und wir verteilen öffentlichen Straßenraum gerechter.“
Mobilität ist also eines der beherrschenden Themen im Bezirk Eimsbüttel, der Wohnungsbau ein anderes. Die Vorgabe im sogenannten Bündnis für Wohnen aus dem Jahr 2016 ist eindeutig: 10.000 neue Wohneinheiten müssen in Hamburg jedes Jahr genehmigt werden. Und 1050 davon entfallen auf den Bezirk Eimsbüttel.
Bezirkswahlen 2024: An Hauptverkehrsachsen sollen Wohnungen entstehen
Angedacht ist eine Nachverdichtung vor allem an den Magistralen, wie an der Hoheluftchaussee. Um der Wohnungsnot in Hamburg entgegenzutreten, verfolgt der Bezirk die Strategie eines „Wachstums nach innen“. Heißt: Bereits genutzte Flächen sollen nachverdichtet werden – auch um Grünflächen zu schonen. So wie auf dem alten Beiersdorf-Gelände an der Unnastraße: Dort entstehen rund 800 Wohnungen.
Nicht ganz so reibungslos verlaufen die Pläne in Niendorf, wo der Bezirk rund um die Paul-Sorge-Straße nachverdichten möchte. Dort sollen zwischen Ein- und Mehrfamilienhäusern Häuser mit mehreren Wohnungen entstehen, doch die Anwohner wehren sich dagegen.
Die Politik ist sich beim Wohnungsbau einig: „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, vor allem Sozialwohnungen“, sagen Kathrin Warnecke und Ali Mir Agha. Den Grünen geht es dabei um noch mehr: „Gleichzeitig wird der Klimawandel zu höheren Temperaturen und Starkregenereignissen führen. Deswegen müssen wir Grünflächen und Bäume erhalten und die Neuversiegelung so gering wie möglich halten. Höheres Bauen und das Nachverdichten an den Magistralen können Lösungsansätze sein.“
SPD: „Eimsbüttel soll erschwinglich bleiben“
Dem Sozialdemokraten Gabor Gottlieb ist es wichtig, dass Wohnen im Bezirk Eimsbüttel vor allem bezahlbar ist: „Eimsbüttel soll weiter erschwinglich bleiben – und zwar nicht nur für Besserverdiener, sondern auch für den Krankenpfleger, die Polizistin, Alleinerziehende oder Rentner. Wir wollen gute, neue Wohnungen schaffen.“
Auch die Linken sehen die hohen und steigenden Mieten als drängendes Thema: „Das Bezirksamt müsste aktiver gegen Wohnungsleerstand und -verfall vorgehen. Es gibt viel zu wenig Buß- und Zwangsgelder. Gerade der Verfall von Wohnraum führt dazu, dass einst günstige Mieten zu Wucherpreisen nach Neubau angeboten werden“, sagt Spitzenkandidat Mikey Kleinert. Für Benjamin Schwanke (FDP) steht aber auch fest: Weil Eimsbüttel eines der dichtbesiedelten Gebiete Nordeuropas ist, könne Wohnungsbau nur maßvoll erfolgen.
Eimsbüttel: Im Bezirk stehen in kommenden Jahren viele Baustellen an
Es wird insgesamt ein wenig ungemütlich werden in den kommenden Jahren, und das liegt an diversen Großprojekten, die viele Baustellen mit sich bringen werden. Ein Beispiel: Die Verlegung der Fernwärmetrasse – die Arbeiten dazu sollen im Herbst 2024 beginnen. Die neue Leitung, eine Art Fernwärmeautobahn des Hamburger Stadtnetzes, startet im Haferweg in Altona und endet an der Grindelallee in Rotherbaum. Auch der Bau der neuen Linie U5 wird im Bezirk für diverse Baustellen sorgen – erste Bohrungen sorgten bereits im Februar für Aufsehen.
Mehr zum Thema Bezirkswahl 2024
- Parkplatzabbau in Hamburg-Nord: Kommt bei Bezirkswahl 2024 die Quittung?
- Drogen, Lärm, Wohnraum: Das bewegt Hamburg-Mitte vor der Wahl
- „Stadtstaat“ Altona: Wie Hamburgs Westen vor der Bezirkswahl tickt
Die Verkehrs- und Parksituation, der Wohnungsbau und Baustellen – das sind die Themen, die die Menschen im Bezirk momentan direkt betreffen. Doch was hinter den Kulissen passiert, ist nicht jedem bekannt. Dabei hat die Verwaltung turbulente Zeiten hinter sich: Zu Jahresbeginn 2023 hatte Sonja Böseler die Leitung des Bezirksamts Eimsbüttel übernommen. Gewählt wurde sie aber nicht. Die ehemalige Steuerungsdezernentin und stellvertretende Bezirksamtsleiterin übernahm gemäß der gesetzlichen Vertretungsregelung die Leitungsfunktion von ihrem Vorgänger Kay Gätgens (SPD).
Denn dieser musste gehen, weil die Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung eine bereits fertig ausgehandelte Kooperation mit der SPD in letzter Minute abgelehnt hatte. Längst ist die unfreiwillige Verwaltungschefin in ihrem Job angekommen.
Bezirksversammlung Eimsbüttel: Im November 2021 scheiterte die Grün-Schwarze Koalition
Dem Wechsel vorangegangen waren unruhige politische Zeiten: Die Grünen hatten 2019 die Bezirkswahl als stärkste Kraft mit 37 Prozent der Stimmen gewonnen, gingen nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit der SPD jedoch ein Bündnis mit der CDU ein. Doch die Koalition mit den Christdemokraten wurde im November 2021 von den Grünen aufgekündigt. Es folgten gegenseitige Schuldzuweisungen. Ein neues Bündnis gab es nicht, und so probiert man es in Eimsbüttel seitdem mit wechselnden Mehrheiten.
Die derzeitige Sitzverteilung im Einzelnen: Die Grünen sind mit 19 Abgeordneten vertreten, die SPD mit 12, CDU mit neun, Die Linke mit fünf und die FDP- sowie die AfD-Fraktion jeweils mit drei Abgeordneten.
Die Spitzenkandidaten im Bezirk Eimsbüttel und weitere Themen, die sie beschäftigen:
Kathrin Warnecke (Grüne)
- Zur Sozialpolitik sagt Kathrin Warnecke: „Es braucht für Kinder- und Jugendliche Angebote. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) auskömmlich finanziert wird, damit alle Jugendhäuser ihr Arbeit fortsetzen und neue Angebote entstehen können.“
Rüdiger Kuhn (CDU)
- Die Christdemokraten wollen die Stadtteilzentren weiterentwickeln und den Freizeit- und Vereinssport auch durch bauliche Maßnahmen stärken.
Gabor Gottlieb (SPD)
- Die SPD hat außerdem die E-Scooter, die verkehrswidrig abgestellt werden, im Visier: „Verkehrsrowdys, egal ob sie mit dem Auto, dem Fahrrad oder dem E-Scooter unterwegs sind, sagen wir den Kampf an. Auch dem Ärgernis, dass E-Scooter in der ganzen Stadt ungeregelt und kostenlos den öffentlichen Raum nutzen, wollen wir in der nächsten Wahlperiode ein Ende setzen.“
Mikey Kleinert (Linke-Fraktion)
- Mikey Kleinerts Ziele: „Wir möchten eine Verkehrspolitik, die sich am Menschen und nicht am Auto orientiert. Ich möchte ein ambitioniertes Klimaanpassungskonzept und eine zügige Umsetzung des Klimaschutzkonzepts. Außerdem wäre es wunderbar, wenn wir Grünflächen neu schaffen könnten.“
Benjamin Schwanke (FDP)
- Die Liberalen planen, die Sitzungen der Bezirksversammlungen für jeden Eimsbütteler zu öffnen: „Wir wollen, dass die Bezirksversammlung und ihre Ausschüsse hybrid tagen. Hierdurch wird es für Eltern leichter, ein Mandat wahrzunehmen, und Bürgerinnen und Bürger können digital an der Bürgerfragestunde teilnehmen und sich einbringen.“
Die AfD-Fraktion hat sich trotz mehrmaliger Anfrage durch das Abendblatt nicht geäußert.