Hamburg. Verblüffende Ergebnisse einer Testwahl von unter 18-Jährigen. Wie das Europaparlament aussähe, wenn Kinder an der Macht wären.

Es gibt 15 Wahllokale in Hamburg, die haben schon wieder geschlossen. Da sind alle Urnen wieder eingemottet und sämtliche Europawahl-Stimmen bereits ausgezählt – noch bevor die eigentliche Stimmabgabe am Wahlsonntag, dem 9. Juni, überhaupt möglich ist. Denn es handelte sich um Wahllokale zu Übungs- und Testzwecken für unter 18-Jährige. Die Kinder und Jugendlichen konnten dort in der Woche vor der Europawahl ihr Kreuz setzen. Eine Altersbeschränkung nach unten gab es nicht. U18 nennt sich die Initiative des Deutschen Bundesjugendrings, die die Übungswahlen anbietet.

57.139 Kinder und Jugendliche haben in diesem Jahr in 875 selbst organisierten Wahllokalen an den U-18-Europawahlen teilgenommen. Darunter waren 1090 Hamburgerinnen und Hamburger. Die Stimmauszählung zeigt: Unter 18-Jährige aus der Hansestadt sind in der Tendenz eher im linken Teil des politischen Spektrums zu verorten als die tatsächlich Wahlberechtigten. Je nach Bundesland unterscheiden sich die Wahltrends unter den Minderjährigen allerdings stark.

Europawahl 2024: Minderjährige Hamburger würden eher SPD wählen – und seltener AfD

Am häufigsten stimmten die U-18-Wähler in Hamburg für die SPD. Mit 27 Prozent konnten sich die Sozialdemokraten mehr als ein Viertel der Stimmen sichern. Bundesweit erreichte die SPD bei den minderjährigen Testwählern nur knapp 20 Prozent der Stimmen. Die tatsächlich Wahlberechtigten sind noch schlechter auf die Partei zu sprechen: Laut einer Befragung von infratest dimap (im Auftrag der ARD) zwischen dem 27. und 29. Mai favorisieren bundesweit nur 15 Prozent der Befragten die SPD.

Etwas weniger Stimmen als der SPD gaben Hamburgs junge Testwähler der CDU. Knapp 23 Prozent machten ihr Kreuz bei der Partei. In der bundesweiten infratest-dimap-Befragung gab es eine Zustimmung von 29 Prozent für die CDU. Was die Grünen angeht, sind die U-18-Wähler aus Hamburg mit etwas mehr als 14 Prozent der Stimmen auf Linie des bundesweiten Trends.

Hamburger Jugendliche würden seltener AfD wählen

Etwas weniger Stimmen als die „echten Wähler“ (14 Prozent) gestehen die Minderjährigen Hamburger mit knapp 9 Prozent der AfD zu. Damit stehen sie der Partei weniger aufgeschlossen gegenüber als ihre Altersgenossen aus anderen Teilen Deutschlands. Denn bundesweit erhielt die AfD fast 14 Prozent der U-18-Stimmen. Insbesondere in den neuen Bundesländern hat die in Teilen gesichert rechtsextreme Partei enorme Zustimmungswerte. Fast 47 Prozent der unter 18-jährigen Thüringer stimmten beispielsweise für die AfD.

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Jeweils knapp weniger als fünf Prozent der Stimmen der Hamburger Minderjährigen gingen an FDP und Linke. Kaum eine Rolle spielt für die Kinder und Jugendlichen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Während es in der bundesweiten Befragung unter Wahlberechtigten auf fünf Prozent der Stimmen kommt, kann es bei der U-18-Wahl in Hamburg nur ein Prozent der Wähler überzeugen. Damit liegt das BSW noch hinter Parteien wie Volt, Die Partei oder der Tierschutzpartei.

U-18-Wahl: Kinder und Jugendliche an der Europawahl-Urne

Die Idee zur U-18-Wahl entstand schon im Jahr 1996 in Berlin. Zum Auftakt gab es nur ein einziges Wahllokal. Bis zur Bundestagswahl 2017 wuchs die Zahl auf mehr als 1500 an, knapp 220.000 Kinder und Jugendliche in ganz Deutschland setzten damals ihr Kreuz. Eine Altersbeschränkung nach unten gibt es bei der U-18-Wahl nicht, jedoch basiert sie – wie auch die echten Wahlen – auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Gefördert wird die Aktion durch das Bundesfamilienministerium und die Bundeszentrale für politische Bildung.

Das Besondere an der U-18-Europawahl: Einige der Testwähler werden am Sonntag, 9. Juni, auch ins echte Wahllokal gehen. Denn bei der Europawahl sind in Deutschland Menschen ab 16 Jahren wahlberechtigt.