Hamburg. Sieben Parteien treten bei der Bezirkswahl 2024 in Bergedorf an. Die Mehrheitsverhältnisse könnten kräftig durchgeschüttelt werden.

Es geht um Oberbillwerder, neue Bahnanschlüsse für Bergedorf und vielleicht sogar einen Wechsel an der Spitze des Bezirksamts: Wenn die Bergedorfer am 9. Juni ihre jeweils zehn Stimmen bei der Bezirkswahl 2024 abgeben, könnte die seit viereinhalb Jahren im Rathaus an der Wentorfer Straße amtierende Ampelkoalition ausgedient haben. Im Wahlkampf jedenfalls versucht die Opposition mit Reizthemen Stimmen zu fangen, obwohl Projekte wie die U-Bahn-Verlängerung von Mümmelmannsberg bis Bergedorf, eine Straßenbahn für Lohbrügge und vor allem ein Baustopp für den Zukunftsstadtteil Oberbillwerder auf der grünen Wiese gar nicht zu Wahl stehen. Darüber entscheidet die Hamburgische Bürgerschaft, die erst am 2. März 2025 zur Wahl steht.

Doch tatsächlich könnten diese landespolitischen Themen entscheidend sein für den Ausgang der Bezirkswahl in Bergedorf. Denn die heutigen Mehrheiten sind denkbar knapp, eine Fortsetzung der Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist keinesfalls sicher. Etwa beim Thema Oberbillwerder steht der Koalition mit ihren 25 Abgeordneten eine ungewöhnliche Phalanx der Kritiker aus CDU, AfD und Linken gegenüber. Sie bringen es derzeit auf 20 Stimmen, wobei die CDU mit ihren elf Bezirksabgeordneten die zweitgrößte Fraktion nach der SPD (12) und vor den Grünen (10) stellt.

Bezirkswahl 2024: In Bergedorf ist Oberbillwerder ein Reizthema für viele

Verschiebt sich dieses Machtgefüge nur leicht, würde die SPD als stärkste Kraft abgelöst, könnte das die Besetzung des Chefsessels im Rathaus wieder auf die politische Tagesordnung spülen: Die Sozialdemokraten hatten im Sommer 2021 Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann (SPD) ohne Ausschreibung ins Amt gehoben, nachdem Vorgänger Arne Dornquast in die Hamburger Sozialbehörde gewechselt war. Der scharfe Protest der CDU daran war von Bergedorfs Ampelkoalition seinerzeit schlicht ignoriert worden. Eine Abwahl unter neuen Mehrheitsverhältnissen wäre möglich.

Ob Bergedorfs Christdemokraten diese alte Rechnung nach dem 9. Juni tatsächlich wieder aus der Schublade holen, bleibt abzuwarten. Immerhin genießt Schmidt-Hoffmann fraktionsübergreifend einen guten Ruf, unter anderem, weil es ihr gelang, die Hauni mit einem Baufeld für ihre Fabrik der Zukunft im Innovationspark an der A25 von akuten Abwanderungsplänen aus Bergedorf abzuhalten. Und es gibt eine vergleichbare Situation aus dem Jahr 2001, als ihr Vor-Vorgänger Dr. Christoph Krupp vor der Ablösung stand. Kaum ein Jahr im Amt, pochte Hamburgs CDU damals nach ihrem Erdrutsch-Sieg auf die Ablösung des Sozialdemokraten. Doch Bergedorfs CDU widerstand, beließ Krupp wegen seines großen, gerade nicht parteipolitischen Engagements für Bergedorf im Amt.

Freie Wähler scheiterten 2019 nur ganz knapp an der Drei-Prozent-Hürde

Heute haben sich die Christdemokraten einen Namen gemacht als Kämpfer gegen Oberbillwerder. Als Alternative wollen sie unter anderem die Dorfkerne in den Vier- und Marschlanden durch zusätzlichen Wohnungsbau zukunftsfähig machen. Geht es nach dem Bundestrend, könnte das zum Wechsel an der Spitze der Beliebtheitsskala an der Bille reichen. Doch die Situation in Bergedorf ist komplizierter, vor allem vielschichtiger: Sind mit aktuell sechs Fraktionen so viele Parteien in der Bezirksversammlung vertreten wie noch nie, hätten es 2019 sogar beinahe sieben sein können: Die Freien Wähler scheiterten vor fünf Jahren mit 2,9 Prozent nur ganz knapp an der für Hamburgs Bezirkswahlen gültigen Drei-Prozent-Hürde.

Auch am 9. Juni treten wieder diese sieben Parteien an. Vor fünf Jahren kam die SPD auf 26,4 Prozent der Stimmen, die CDU auf 24,3, die Grünen auf 21,9, die Linken auf 10,5 und die AfD auf 8,5. Der FDP gelang das Kunststück, mit nur 5,5 Prozent der Stimmen als kleinste Fraktion wenige Monate nach der Wahl Teil der Koalition mit SPD und Grünen zu werden. Bis dahin war in Bergedorf stets mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt worden, hatte es keine feste Koalition gegeben.

Bergedorfer können bei der Bezirkswahl insgesamt zehn Kreuze machen

Auf die rund 99.000 wahlberechtigten Bergedorfer wartet am Sonntag neben der gleichzeitig abgehaltenen Europawahl (34 Parteien; nur eine Stimme) beim Votum für die Bezirksversammlung ein etwas komplizierteres Verfahren. Wie schon seit 2011 hat jeder Wähler zehn Stimmen, von denen er jeweils fünf auf die Wahlkreis-Listen (rosa) für die Direktkandidaten und die Bezirkslisten (gelb) der antretenden Parteien verteilen kann. So können die Wähler die Reihenfolge der aufgelisteten Kandidaten verändern und damit direkt beeinflussen, wer in die Bezirksversammlung einzieht und wer nicht.

Bergedorfs sieben Wahlkreise im Überblick: Lohbrügge (1), Lohbrügge-Nord (2), Nettelnburg/Bergdorf-West (3), Alt-Bergedorf (4), Vierlande (5), Marschlande (6) und Neuallermöhe (7).
Bergedorfs sieben Wahlkreise im Überblick: Lohbrügge (1), Lohbrügge-Nord (2), Nettelnburg/Bergdorf-West (3), Alt-Bergedorf (4), Vierlande (5), Marschlande (6) und Neuallermöhe (7). © bgz | Frank Hasse

Eingeteilt ist der Bezirk Bergedorf in sieben Wahlkreise, die zusammen 26 Direktkandidaten in die neue Bezirksversammlung entsenden. Jeweils drei kommen aus den Vierlanden und den Marschlanden, je vier aus den deutlich bevölkerungsreicheren Wahlkreisen Neuallermöhe, Lohbrügge, Lohbrügge-Nord, Alt-Bergedorf und Nettelnburg/Bergedorf-West.

Die restlichen 19 Bezirksabgeordneten werden über die gelben Bezirkslisten gewählt, die in allen sieben Wahlkreisen identisch sind. Auch hier kann jeder Wähler Einfluss auf die Rangfolge der Kandidaten nehmen, indem die fünf zur Verfügung stehenden Kreuze verteilt oder gebündelt werden.

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Wer schon vor dem 9. Juni abstimmen will, kann das per Briefwahl tun, die per Post, online oder in der Wahldienststelle des Bezirksamts im CCB-Fachmarktzentrum neben Saturn zu finden ist. Alle Details dazu stehen auch in den Unterlagen, die allen Wählern mittlerweile persönlich per Post zugegangen sein sollen. Wahlberechtigt sind alle Bergedorfer, die spätestens am Wahltag 16 Jahre alt werden.

Weil die Briefwahl immer beliebter wird, geht Bergedorfs Wahlleiter und Vize-Bezirksamtschef Ulf von Krenski von rund 40.000 Briefwählern aus. Das sind noch einmal zehn Prozent mehr als vor fünf Jahren. Die Stimmen der Bezirkswahl werden in Bergedorfs 93 Wahllokalen sowie den jetzt 54 Briefwahllokalen indes erst am Montag ausgezählt. Vorrang hat die Europawahl, deren vorläufiges Ergebnis schon am späten Sonntagabend feststehen soll. Spätestens am Mittwoch, 12. Juni, ist dann auch bekannt, wer in Bergedorfs neuer Bezirksversammlung sitzt, die erneut auch fünf Jahre gewählt wird.