Hamburg. Verkehr, Baustellen und die faire Verteilung von Flüchtlingen sind bewegende Themen im Bezirk. Wie Hamburgs Westen tickt.

  • Bezirkswahl 2024 wird für Amtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) zukunftsentscheidend.
  • SPD will wieder stärkste Fraktion in Altona werden und Rathausleitung stellen.
  • Bezirk Altona geprägt von zahlreichen Baustellen, Verkehr spielte zuletzt große Rolle.

Dem Bezirk Altona, der bis 1938 eine selbstständige Stadt war, merkt man diesen Freigeist bis heute an. Rund 205.000 Menschen sind am 9. Juni hier wahlberechtigt – das sind deutlich mehr, als in vielen Großstädten Deutschlands überhaupt leben. Im Hamburger Westen läuft einiges etwas anders als im Rest der Hansestadt – auch politisch gesehen.

So gibt es beispielsweise keine feste Koalition zwischen den hiesigen Fraktionen. Wechselnde Mehrheiten entscheiden. Die AfD spielt eine untergeordnete Rolle, und das Rathaus wird von einer grünen Bezirksamtsleiterin geleitet. Zumindest noch. Denn für Stefanie von Berg wird die Bezirkswahl 2024 zukunftsentscheidend.

Bezirkswahl 2024: Grüne Bezirksamtsleiterin in Altona bangt um ihren Posten

Seit 2019 ist sie die Chefin des Bezirksamts. Zuvor hatten die Grünen bei den Bezirkswahlen mit 35,1 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis in Altona eingefahren und wurden erstmals stärkste Fraktion vor der SPD, die zuvor die Bezirksamtsleiterin Liane Melzer gestellt hatte. Ob das noch einmal den Grünen so gelingt, ist fraglich. Gleichzeitig fehlen Unterstützer.

Für Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg hängt viel von dem Ergebnis der Wahl am 9. Juni ab.
Für Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg hängt viel von dem Ergebnis der Wahl am 9. Juni ab. © Roland Magunia / Funke Foto Services | Roland Magunia

Wie berichtet muss Stefanie von Berg nach Querelen um eine Velorouten-Baustelle in der Reventlowstraße in Othmarschen um ihre 2025 anstehende Wiederwahl bangen. Weil sie gegen den Beschluss einer Mehrheit aller Parteien bis auf die Grünen den Bau weiter umsetzte, entzogen ihr einige Fraktionen das Vertrauen.

Hamburg-Altona: Bezirksamtschefin wegen Baustellen-Streit in der Kritik

Die Sozialdemokraten, die sie zuvor mitgewählt hatten, wollen das Bezirksamt zurück und kündigten nach dem Baustellen-Streit an, mit einem eigenen Kandidaten an den Start gehen zu wollen. Von den Linken und der FDP gibt es Kritik am Führungsstil von Stefanie von Berg. Bleibt die CDU.

Die derzeit drittstärkste Fraktion im Rathaus ist nach dem Streit um den Zeitpunkt der erneuten Baustelle in den Elbvororten ebenfalls auf Distanz zur Bezirksamtsleiterin gegangen, fordert nun eine Ausschreibung der Stelle. Altonas CDU-Fraktionschef Sven Hielscher hält sich aber bewusst alle Optionen offen.

Altona: CDU und Grüne arbeiten hier gut und vertrauensvoll zusammen

Auf einer Podiumsdiskussion in Othmarschen erklärte er auf die Frage, ob die CDU noch einmal die Grüne und in den Elbvororten nicht so beliebte Bezirksamtsleiterin erneut unterstützen wolle: „Der SPD-Kreisvorsitzende ruft jeden Tag bei mir deswegen an. Wenn es einen guten Vorschlag für einen Kandidaten gibt, können wir darüber reden.“ Aber er hat Bedingungen: ein kompetenter, möglichst neutraler Kandidat, nicht einfach jemand mit SPD-Parteibuch. Gleichzeitig schließt Hielscher eine erneute Wahl von Stefanie von Berg aber auch nicht aus.

Dazu muss man wissen: In Altona gibt es schon lange eine historisch gewachsene, gute Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen. Hier ist man sich näher als in vielen anderen Bezirken und Städten im Land. Seit Jahrzehnten ist Gesche Boehlich aus Blankenese Fraktionschefin der Grünen. Sie steht für Kontinuität – genauso wie Hielscher, der seit 1982 politisch aktiv im Bezirk Altona ist und in Othmarschen lebt. Man kennt sich, versteht sich, vertraut sich.

SPD in Altona im Wandel: Neue Gesichter übernehmen Führung

Auf die SPD in Altona sei dagegen kein Verlass, heißt es von den anderen Parteien. Allerdings ist die SPD im Wandel, stellt bei den Bezirkswahlen ganz neue Gesichter nach vorn wie Sören Platten aus Groß Flottbek. Er will der neue starke Sozialdemokrat in Altona werden. Der bisherige Fraktionschef Thomas Adrian aus Lurup möchte sich nach Jahrzehnten politischer Arbeit an vorderer Front zurückziehen. Ein Erneuerungsprozess, der bereits zu Problemen geführt hat.

So trat der langjährige Sozialdemokrat und Sportexperte der Partei, Andreas Bernau, nach Querelen aus der Partei überraschend aus. Er ist nun fraktionsloses Mitglied in der Bezirksversammlung und tritt auch so wieder zur Wahl an.

Bezirkswahlen 2024: AfD tritt mit 83 Jahre altem Spitzenkandidaten an

Außerdem in der Bezirksversammlung vertreten:

  • Die Linke unter ihrem Fraktionschef Karsten Strasser, der einst in der GAL als Vorgänger der Grünen aktiv war, aber wegen der „unsozialen Agenda 2010“ aus- und in die PDS eintrat. Später gründete er die Linken in Altona mit. Er tritt im Wahlkreis Lurup an.
  • Die FDP in Altona wird von der umtriebigen Katarina Blume geleitet und ist derzeit mit drei Sitzen in der Bezirksversammlung vertreten. Blume wohnt in Groß Flottbek, ist seit zehn Jahren in der Bezirkspolitik aktiv und tritt mit dem Slogan „Echt – Ehrlich – Engagiert“ an.
  • Die AfD hat in Altona keinen Fraktionsstatus erreicht, ist mit zwei Vertretern in der Bezirksversammlung vertreten. Ob sich das mit ihrem Spitzenkandidaten Uwe Batenhorst verbessern lässt? Der Rentner und einstige Werbemann aus Iserbrook ist 83 Jahre alt und setzt im Wahlkampf auf TikTok-Videos, die ihn beim Boxkampf zeigen.

Altona: Verkehr, Baustellen, ÖPNV bewegen den Bezirk – oder eben auch nicht

Thematisch betrachtet, ist Altona eine einzige riesige Baustelle. Wegen der vielen Großbauprojekte, die an den Nerven der Bewohner nagen, gibt es zahlreiche Verkehrsprobleme. Der Bau der Fernwärme-Trasse, des A7-Deckels sowie der Umbau der Elbchaussee, der im kommenden Jahr weitergeht, hat wichtige Verkehrsachsen lahmgelegt.

Die Visualisierung zeigt den geplanten Autobahndeckel bei Altona über der A7. Eine Dauerbaustelle, die im Bezirk viel verändern wird, aber derzeit auch viele Nerven kostet.
Die Visualisierung zeigt den geplanten Autobahndeckel bei Altona über der A7. Eine Dauerbaustelle, die im Bezirk viel verändern wird, aber derzeit auch viele Nerven kostet. © picture alliance/dpa/DEGES/V-KON.media | ---

Hinzu kommen zahlreiche weitere Baustellen, etwa von der Deutschen Bahn: der umstrittene Abriss der Sternbrücke, der Bau des neuen Fernbahnhofs Diebsteich oder die Erneuerung des Bahnhofs Sülldorf – um nur einige zu nennen. Für eine bessere Baustellenkoordination und einen barrierefreien Bahnhof in Sülldorf setzen sich die Bezirkspolitiker beispielsweise ein.

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Science City Hamburg: In Bahrenfeld auf der Trabrennbahn entsteht neues Viertel

Zudem werden in Altona die Weichen für die Zukunft der Stadt gestellt. Denn mit dem Projekt Science City entsteht in Bahrenfeld und Lurup ein Wissenschaftshafen, der die wirtschaftliche Zukunft der Stadt absichern soll. Gleichzeitig wird auf der Trabrennbahn und rundherum ein neues Viertel realisiert, in dem etwa 8000 neue Bewohner leben und arbeiten werden.

Das Zukunftsprojekt der Stadt, die Science City Bahrenfeld, entsteht auf der heutigen Trabrennbahn und Umgebung. Unter anderem sind Gebäude für die Uni Hamburg und Desy geplant.
Das Zukunftsprojekt der Stadt, die Science City Bahrenfeld, entsteht auf der heutigen Trabrennbahn und Umgebung. Unter anderem sind Gebäude für die Uni Hamburg und Desy geplant. © Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst GmbH Visualisierung: Moka-studio, Luftbild: Matthias Friedel | Visualisierung: moka-studio, Luftbild: Matthias Friedel

Unklar ist allerdings noch, wie dieses große Gebiet angeschlossen werden soll – beziehungsweise wann. Überhaupt ist das ÖPNV-Angebot in vielen Teilen des Bezirks problematisch. Seit Jahrzehnten versprechen wechselnde Mehrheiten eine U-Bahn, S-Bahn oder Stadtbahnanbindung für Osdorf, Lurup sowie Bahrenfeld. Durch die Science City sollte es in diesem Punkt eigentlich vorangehen, doch die Planung für die S6 zieht sich bis voraussichtlich 2030. Zudem hängt das Bauprojekt nun vom geplanten Verbindungsbahnentlastungstunnel ab.

Bezirkswahl 2024: Altona – Debatte um Flüchtlinge am Botanischen Garten

Neben der Schaffung von Wohnraum ist auch das Problem der „gerechten“ Verteilung von Flüchtlingen im Bezirk zuletzt ein großes Thema gewesen. An der Debatte um die geplante Unterkunft am Botanischen Garten in Klein Flottbek zeigt sich, wie unterschiedlich Altona tickt.

Die Unterkunft für 144 Personen wäre eine der ersten in den Elbvororten, wo mögliche Flächen allerdings auch wegen der Grundstücksstruktur eher Mangelware sind. Im Stadtteil Bahrenfeld sind mit mehr als 3000 Geflüchteten die meisten Flüchtlinge im Bezirk untergebracht.

Manche bösen Zungen sprechen auch von einem Kaviar-Äquator, der den Bezirk durchzieht: auf der einen Seite der reiche Südwesten, auf der anderen der arme Nordosten. Ob sich das auch an den Wahlergebnissen ablesen lässt, wird sich nach dem 9. Juni zeigen.