Mülheim. Nach jüngsten Eskalationen mit viel Blaulicht gab es in Mülheim einen kleinen „Krisengipfel“ zur ZUE. Warum Anwohner ihre Hoffnung verlieren.

Nach einer neuerlichen Krisenrunde mit Vertretern von Bezirksregierung, Einrichtungsleitung und Stadtverwaltung sind Mülheimer Nachbarinnen und Nachbarn der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für geflüchtete Menschen in Raadt ernüchtert: „Wir haben relativ wenig Hoffnung, dass sich an der Situation etwas ändert“, so ein Anwohner mit Blick auf die zuletzt massive Häufung an Blaulicht-Einsätzen an der Parsevalstraße.

Nichtsdestotrotz: Als „konstruktiv“ bezeichneten mehrere Nachbarinnen und Nachbarn das Gespräch am Runden Tisch der Landesflüchtlingsunterkunft, das sie nach den zahlreichen Vorfällen mit körperlichen Auseinandersetzungen und weiteren Brand-Fehlalarmen seit Mitte Februar bei der Bezirksregierung Düsseldorf als Betreiberin der ZUE eingefordert hatten. Rund 20 Anwohner kamen dazu dieser Tage in die ZUE. Neben Vertretern von Betrieb und Bezirksregierung nahmen OB Marc Buchholz, Sozialdezernentin Daniela Grobe und Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken teil.

Mülheims ZUE: Bezirkregierung will mehr Streifen, mehr Ansprache, mehr Freizeitangebote bieten

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Die Bezirksregierung bilanzierte tags darauf auf Anfrage eine „lebhafte Diskussion“ bei der Bürgersprechstunde. Die jüngsten Vorkommnisse seien ausführlich zur Sprache gekommen. Dabei habe man als Betreiberin Maßnahmen erläutert, „die im Haus ergriffen werden, um diese Einsätze, sofern möglich, zu verhindern“. Die Bezirksregierung kündigte an, die sogenannten Bewohneransprachen nochmals intensivieren zu wollen und den Personalschlüssel des rund um die Uhr im Einsatz befindlichen Sicherheitsdienstleisters zu erhöhen. Die zusätzlichen Sicherheitskräfte (Teilnehmer sprechen von zwei Kräften pro Tag bzw. einer Kraft pro Schicht) sollen abends auch das Außengelände bestreifen und verstärkt auf den Fluren unterwegs sein, um für mehr Ruhe zu sorgen. Zusätzlich sollen den Bewohnern mehr Beschäftigungsangebote gemacht werden – auch im Zusammspiel mit dem Centrum für bürgerschaftliches Engagement oder einer Vernetzung von Institutionen in der Stadt.

Zur Steigerung des Sicherheitsgefühls in der Nachbarschaft habe es noch weitere Ideen gegeben, die nun verfolgt würden, so eine Sprecherin der Bezirksregierung. Etwa hat dem Vernehmen nach OB Buchholz ins Spiel gebracht, länger schon in Mülheim lebende Vertreter der syrischen Community ins Boot zu holen, um Neuankömmlingen zu vermitteln, wie ein Miteinander vor Ort gelingen kann.

ZUE Raadt: 17 Blaulicht-Einsätze im Februar, 13 davon aus medizinischen Gründen

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Die Einrichtungsleitung habe sehr deutlich gemacht, dass „in der Regel individuelle Konflikte zwischen Einzelpersonen zu Auseinandersetzungen führen, die zum Teil Polizeieinsätze nach sich ziehen“, hieß es seitens der Behörde. Dass dies die Nachbarschaft belasten könne, sei unstrittig. Eine Auswertung des städtischen Ordnungsamtes habe aber auch ergeben, dass von insgesamt 17 Einsätzen im Februar lediglich vier Brand(fehl)alarme waren. Die restlichen Einsätze seien aus medizinischer Sicht erforderlich gewesen.

Bilanz zur Bürgersprechstunde zogen im Gespräch mit dieser Redaktion auch Anwohnerinnen und Anwohner. Allesamt lobten sie, wie sich OB und Sozialdezernentin mit konstruktiven Ideen zur Problemlösung eingebracht hätten, von Bezirksbürgermeisterin Stalleicken sahen sie sich in ihrem Anliegen nicht ernst genommen. Für das, was die Bezirksregierung als Betreiberin unternehmen will, fällt das Urteil auch nicht optimistisch aus.

Die ZUE Mülheim-Raadt - eine kleine Chronik:

„Es bräuchte eine Sieben-Tage-Betreuung, nicht mehr Sicherheitskräfte“

„Die Vertreter wirkten hilflos und einfach nur genervt, die Leitung ist komplett überfordert“, sagte eine Anwohnerin der Parsevalstraße mit Blick etwa darauf, dass es zuletzt einem mit Hausverbot belegten Störenfried gleich mehrmals gelungen war, wieder auf das Gelände der ZUE zu gelangen. Der Betriebsleiter habe gar „verzweifelt“ gewirkt, hieß es. Eine Nachbarin glaubt wie andere Teilnehmer nicht, dass „zwei zusätzliche Sicherheitskräfte was bringen werden“. Die Bürgerin beklagt, dass es nur eine Stelle für die psycho-soziale Betreuung der rund 600 Bewohner gebe. Ebenso erkennt sie einen Mangel an Personal, das den Bewohnern ausreichend Tagesstruktur bieten könnte. Am späten Nachmittag und abends, auch an Wochenenden passiere in dieser Sache gar nichts. Gerade aber an Wochenenden sei es immer wieder zu Problemen gekommen. „Es bräuchte eine Sieben-Tage-Betreuung, nicht mehr Sicherheitskräfte“, sagt sie.

Auch glaubt die Nachbarin der ZUE, dass die sogenannte Bewohneransprache ihr Ziel verfehle. Sie sei durch die Flure der ZUE geführt worden, die Wände seien mit Zetteln „zugekleistert“, die in Kleinstschrift und in zig verschiedenen Sprachen Verhaltensregeln vermitteln sollen. „Es bringt ja nichts, einen siebten neben dem sechsten Zettel zu hängen“, glaubt sie, dass besser zu kommunizieren wäre, um die Bewohner tatsächlich zu erreichen.

Anwohnerin sieht ihre Privatsphäre massiv beeinträchtigt

Es sei „bedauerlich, dass durch Einzelfälle andere, die sich ordentlich verhalten, alle in Verruf geraten“, sagt die Frau, die durch die Blaulicht-Einsätze an der ZUE ihre „Privatsphäre massiv beeinträchtigt“ sieht. Ein Nachbar aus der Neubausiedlung nebenan fasst zusammen, was alle vier Teilnehmer zum Ausdruck bringen nach der neuerlichen Runde mit Verantwortlichen: „Es war konstruktiv, aber ernüchternd. Wir haben wenig Hoffnung, dass sich an der Situation etwas ändert.“ Der Winter habe zwar „viel Ruhe gebracht“. Für die nächsten Monate, wenn die Temperaturen wieder steigen und Muslime das Ramadan-Fest feiern, sei aber wieder mehr Lärm, auch Müll zu erwarten, befürchtet er. „Eine vertrackte Situation“ sei das. Klar: Auch eine Vielzahl der ZUE-Bewohner leide unter den Umständen, sagt eine Nachbarin. 140 Blaulicht-Einsätze hatte die Bezirksregierung zuletzt seit Juni 2023 gezählt.

Die Forderung aus der Anwohnerschaft, die Belegungszahl in der ZUE zu reduzieren, sei abgelehnt, hieß es. Die Sanktionsmöglichkeiten für Unruhestifter seien begrenzt. Sie zu verlegen, habe es seitens der Bezirksregierung geheißen, löse das Problem auch nicht. „Für einen Störer, den Sie abgeben, kriegen Sie einen neuen dazu“, sei gesagt worden. Denn auch anderswo in Landeseinrichtungen wird schon mal gegen sogenannte Störer ein Zwangsumzug verhängt.

Anwohner bohren bei OB nach: Kommt in 2025 tatsächlich das Aus für die ZUE?

Großen Raum im Gespräch eingenommen haben soll auch die Perspektive über Sommer 2025 hinaus, wenn der Mietvertrag der Bezirksregierung mit dem Eigentümer der alten Büroimmobilie ausläuft. OB Buchholz bekräftigte am Tag nach dem Runden Tisch, dass Politik und Verwaltung fest gewillt seien, ihr Vetorecht geltend zu machen gegen eine Vertragsverlängerung. Der dafür nötige Bau einer neuen, dann städtischen Unterkunft auf dem Areal der alten Stadtgärtnerei am Hauptfriedhof sei im Zeitplan. Am 6. Mai werde dort der Grundstein verlegt. Womöglich könne der Stadtrat sein Veto bereits in der August-Sitzung, spätestens aber im Oktober beschließen.

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