Mülheim. Dass Mülheim eine neue Unterkunft für Geflüchtete bauen will, wird von fast allen Fraktionen unterstützt. Wie die Diskussion dazu im Rat verlief.
Mülheim wird auch im kommenden Jahr zahlreiche Menschen aus der Ukraine aufnehmen und wappnet sich dafür langfristig. Die Pläne für mindestens eine weitere Geflüchtetenunterkunft waren bereits vor der Sitzung des Stadtrats am Donnerstag bekannt geworden – und nun beschlossen. Wie die Verwaltung diesen Schritt begründet.
„Wir gehen davon aus, dass sich eine erhöhte Anzahl Menschen aus der Ukraine jetzt auf den Weg machen wird, weil die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Zeiten von Minustemperaturen weiter fortschreitet“, sagte Sozialdezernentin Daniela Grobe am Donnerstag im Rat.
Freie Betten in Mülheim sind wohl nur ein kurzzeitiger Puffer
Eine Videokonferenz mit der Cousinen-Partnerstadt Ivano-Frankivsk, der Grobe und Oberbürgermeister Marc Buchholz beiwohnten, habe die Situation vor Ort noch einmal deutlich gemacht.
Dementsprechend sind die 98 freien Betten an der Mintarder Straße, die 124 in der Harbecke-Halle und die 15 freien Wohnungen womöglich ein sehr schnell aufgebrauchter Puffer.
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Umso glücklicher ist die Stadt darüber, dass die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft (MWB) neben der Entwicklung der Fläche an der Zeppelinstraße östlich des Hauptfriedhofs auch noch bereit ist, jährlich bis zu 150 Wohnungen aus ihrem Bestand zur Verfügung zu stellen.
Erste MWB-Wohnungen sollen bis Februar 2023 zur Verfügung stehen
25 bis 30 davon sogar schon bis Februar, so dass bis zu 120 Personen direkt untergebracht werden können. „Das ist etwas, was uns im Gesamtkonzept schon weiterhelfen würde“, sagt Grobe. Zumal im ersten Quartal des neuen Jahres auch die Wiederertüchtigung der Einrichtung an der Eltener Straße für etwa 80 Menschen abgeschlossen sein soll.
Weitere 80 beabsichtigt die Stadt bis Jahresende am Uhlenhorstweg 29 unterzubringen, in der ehemaligen Residenz Uhlenhorst. Eine Kooperationsvereinbarung mit dem Eigentümer sei aktuell in der Abstimmung. Im weiteren Verlauf des Jahres kommen dann die restlichen 125 Wohnungen aus dem MWB-Bestand hinzu. Eine genauere Zeitschiene will die Genossenschaft nach dem erfolgten Beschluss mitteilen. Stadtkämmerer Frank Mendack beugte den Befürchtungen vor, MWB könnte bei einer anderweitigen Nutzung der Fläche ein Privileg haben: „Der Erbpachtvertrag gilt nur für diese Nutzung und müsste andernfalls geändert werden.“
Stadt will von einer Landeseinrichtung an der Parsevalstraße profitieren
Im ersten Halbjahr 2024 folgen weitere 75 MWB-Wohnungen, zudem sollen dann in der Stadtgärtnerei zwischen 500 und 700 Plätze geschaffen sein. Last but not least dient ein Grundstück an der Heißener Blücherstraße als Vorratsfläche für weitere 500 bis 700 Geflüchtete. Der Bereich soll als Gewerbefläche erschlossen werden, damit er später entsprechend erweitert werden kann. „Damit haben wir keine Wegwerfkosten“, betonte Mendack.
Bei der geplanten Landesunterkunft an der Raadter Parsevalstraße ist die Stadt zwar nicht direkt beteiligt, das Vorhaben tangiert sie aber in zwei Punkten: „Wir wollen auch bei einer Landesunterbringung als Verwaltungsspitze vor Ort präsent sein“, verspricht Dezernentin Daniela Grobe. Und noch viel wichtiger: 50 Prozent der tatsächlichen Belegung würden auf die städtische Aufnahmeverpflichtung angerechnet, hieß es. Weiter unklar ist allerdings, wer da überhaupt mit dem Land verhandelt zur Umwandlung des ehemaligen Standorts von T-Systems in eine Flüchtlingsunterkunft. Nach Informationen dieser Redaktion ist es womöglich nur ein Kaufinteressent für die Büroimmobilie, der womöglich noch gar keinen Zuschlag der Eigentümerin hat.
OB nimmt Sorge: Keine 1000 Menschen auf einmal neu im Stadtteil Raadt
„Aufgrund der Geflüchteten, die wir auch im nächsten Jahr erwarten müssen, ist das nur ein temporärer Faktor, deswegen ist die Notwendigkeit gegeben, weitere Unterkünfte zu schaffen“, unterstrich der OB.
Buchholz betonte, dass nicht zeitgleich über 1000 Menschen an den beiden Standorten untergebracht werden. Das Land plane, wenn vertraglich alles fixiert ist, ab dem Frühjahr „aufbauend“ Geflüchtete in Raadt unterzubringen. „Unsere Überlegungen mit dem MWB sind ja mit 15 bis 18 Monaten danach liegend“, so der Oberbürgermeister.
Mülheimer AfD-Chef: „Stadt sendet ein fatales Zeichen“
Dennoch sende die Stadt mit dem Vorhaben ein fatales Zeichen, meinte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander von Wrese und ergänzte: „Die Behauptung, für die Sanierung der VHS und unserer Infrastruktur fehlen die finanziellen Mittel, erscheint angesichts der zu erwartenden Kosten grotesk.“
Laut Kämmerer Frank Mendack stellt das Land aber extra Mittel für die Ukraine zur Verfügung. „Sonst könnten wir gar keine Gelder dafür nutzen und müssten sie an anderer Stelle einsparen“, so Mendack. Darüber hinaus entstünden ohnehin Kosten, wenn Flüchtlinge in die Stadt kommen, „egal ob wir die Stadtgärtnerei oder eine andere Unterbringung nehmen“, erläuterte der Kämmerer.
CDU-Fraktionschefin: „Wir sollten Menschen ein würdiges Obdach geben“
Dennoch sieht von Wrese die „die Integrationsfähigkeit der Stadt an einem Punkt angelangt, wo ein weiterer Bau von Flüchtlingsunterkünften den Bürgern unserer Stadt gegenüber nicht verantwortbar ist“.
„Wir stehen für Flüchtlinge ein, dann gehört auch dazu, dass wir Flächen mieten, Häuser bauen, Kompromisse eingehen“, konterte FDP-Fraktionschef Peter Beitz. Seine CDU-Amtskollegin Christina Küsters verwies auf eine humanitäre Verpflichtung. „Wir sollten Menschen ein würdiges Obdach geben, das sollten eben nicht Turnhallen sein, weil das sicherlich nicht die beste Unterbringungsmöglichkeit ist und weil wir auch das große Ganze im Blick haben müssen.“
Wie die Stadt Geflüchtete in den Wohnungsmarkt integrieren will
Teil drei des mehrheitlich gefassten Beschlusses (nur die AfD stimmte dagegen, die MBI enthielten sich) umfasste eine städtebauliche Planung für eine Fläche am Dümptener Papenbusch. „Wir gehen davon aus, dass viele, die zu uns kommen, auch bei uns bleiben werden“, meinte Baudezernent Felix Blasch. „Deswegen wollen wir die Leute auch in den regulären Wohnungsmarkt aufnehmen.“
SPD-Vertreter Filip Fischer, der seinen Wahlbezirk im Papenbusch hat, machte sich im Rat aber für eine vernünftige Verkehrsanbindung, die Erhaltung der Grünflächen sowie einen Kinderspielplatz stark.