Mülheim. Umstritten ist Mülheims Politik zur Flüchtlingsunterbringung. Jetzt stellte der Stadtrat Weichen für ein Zukunftskonzept. So lief die Debatte.
Am Ende einer mitunter scharfzüngigen Debatte stellte Mülheims OB Marc Buchholz (CDU) zufrieden eine „überwältigende Mehrheit“ der Stadtrat-Politik für die Vertragsentwürfe fest, mit denen die Stadt sich nicht nur für die Zuweisung neuer Flüchtlinge wappnen will, sondern auch die Voraussetzungen schaffen will, die umstrittene ZUE des Landes in Raadt 2025 außer Betrieb gehen zu lassen.
Über zwei Vertragsentwürfe hatte der Stadtrat in seiner Sitzung am Donnerstag zu befinden. Ohne Debatte verlief die Abstimmung zum Kaufvertrag für eine Landwirtschaftsfläche an der Blücherstraße, die sich die Stadt als Reservefläche sichern will, um dort bei Bedarf Unterkünfte für geflüchtete Menschen zu schaffen. Langfristig will die Stadt dort eine gewerbliche Entwicklung möglich machen.
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Der vorbereitete Kaufvertrag sieht vor, das gut 1,4 Hektar große Grundstück für 800.000 Euro zu erwerben. Rund 100.000 Euro kalkuliert die Stadt zusätzlich für Grunderwerbssteuern sowie Kosten für die notarielle Beurkundung und bereits abgeschlossene bergbauliche Untersuchungen. Daniel Mühlenfeld (SPD) forderte angesichts erster Anwohnerproteste lediglich eine frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, sollte die Stadt tatsächlich in die Situation geraten, Unterkünfte für Flüchtlinge an der Blücherstraße einrichten zu müssen. OB Buchholz sagte dies zu. Die AfD lehnte die Pläne ab, BAMH-Ratsherr Frank Wagner enthielt sich. Ansonsten stimmten alle Fraktionen und Gruppen zu.
Ein Projekt, das ohne Wenn und Aber möglichst zeitnah in Angriff genommen werden soll, ist der Bau eines Wohnquartiers für geflüchtete Menschen auf dem Areal der ehemaligen Stadtgärtnerei am Hauptfriedhof in Holthausen. Für die Stadt will die Wohnungsbaugenossenschaft Mülheimer Wohnungsbau (MWB) dort elf Wohnhäuser und einen Quartierspavillon für die Verwaltung und anderes einer neuen städtischen Unterkunft bauen.
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Mülheims Stadtgärtnerei-Areal: Erst Flüchtlingsquartier, später bezahlbare Wohnungen
Bis zum letzten Ausstattungsmerkmal hatte die Stadt die vorabgestimmte Kooperationsvereinbarung mit dem MWB für alle Bürger nachlesbar veröffentlicht und erntete dafür ausdrückliches Lob von SPD-Sozialpolitiker Sascha Jurczyk. Er dankte für das „sehr transparente Prozedere“, das nicht selbstverständlich sei. Seine Fraktion sei nach dem seinerzeit einzigartigen Bau von Holzhäusern zur Flüchtlingswelle 2015/16 erneut „sehr stolz darüber, dass wir zusammen mit dem MWB eine wahrscheinlich einzigartige Einrichtung in Mülheim haben werden“, sagte er mit Blick darauf, dass die Bauten so konzipiert sind, dass sie mit einer Landesförderung für den sozialen Wohnungsbau bedacht werden.
Denn das Fernziel heißt, die eng bemessenen 135 Wohnungen für Flüchtlinge in zehn, spätestens aber in 20 Jahren durch Versetzen von Wänden in bezahlbare Wohnungen umzuwandeln mit ein bis vier Räumen, die den Standard nach SGB II erfüllen. Dafür bekommt der MWB das 1,4 Hektar große Areal in Erbpacht. Ein Bauleitplanverfahren soll in naher Zukunft eine Umwidmung des Geländes in ein „Allgemeines Wohngebiet“ möglich machen.
Mülheims OB Buchholz kontert Kritiker: „Vieles nicht verstanden“
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Das Projekt werde den Stadtteil Holthausen/Raadt „extrem abwerten“, der Stadtteil habe zur Unterbringung von Flüchtlingen nicht die Infrastruktur-Voraussetzungen, drückte am Donnerstag Frank Wagner (BAMH) seine Ablehnung aus. Für ihn sei nicht zwangsläufig klar, dass die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes in Raadt 2025 tatsächlich schließe – für einen solchen Fall lägen zwei große Flüchtlingsunterkünfte im Stadtteil gerade einmal zwei Kilometer auseinander.
Wagner musste sich ein kräftiges Kontra von OB Buchholz anhören. Der BAMH-Politiker habe von den städtischen Planungen seit Ende vergangenen Jahres offenbar „vieles nicht verstanden“. Der Bau einer städtischen Einrichtung am Hauptfriedhof sei demnach „die Möglichkeit, die ZUE überflüssig zu machen“ und auch nicht wieder in die Not zu geraten, wegen fehlender Unterbringungsplätze Sporthallen wie zuletzt die Harbecke-Halle zweckentfremden zu müssen. Es gebe die Zusage der Bezirksregierung als Betreiberin, für die ZUE in Raadt nicht über den Sommer 2025 hinaus einen Mietvertrag mit dem Eigentümer zu schließen, wenn der Stadtrat dem nicht ausdrücklich zustimme. „Wollen Sie, dass sich die ZUE verlängert?“, verteidigte der OB das Konzept.
Mülheims AfD spricht von „katastrophaler Lage“ bei der Flüchtlingsunterbringung
Die SPD warf Wagner und der ähnlich argumentierenden AfD in Person von Daniel Mühlenfeld und unter Applaus vieler Ratsmitglieder vor, „ein Menschenbild zu haben, dass hoffentlich nicht viele in diesem Gremium haben“. Eine wirklich katastrophale Situation sei nicht die humanitäre Hilfe mit Unterkünften, sondern etwa die Lage der Menschen in der kriegsgebeutelten Ukraine, wies Mühlenfeld Wagner und der AfD Stimmungsmache vor.
Für die AfD hatte etwa Alexander von Wrese eben jene „katastrophale Lage“ bei der Flüchtlingsunterbringung angeprangert. Seine Fraktionskollegen Tobias Laue und Dominic Fiedler hatten ins selbe Horn gestoßen. Man sei statt für den Bau von Unterkünften für „eine konsequente Abschiebung illegaler Flüchtlinge“, hieß es da ungeachtet dessen, dass der Stadt in dieser Hinsicht die Handhabe fehlt.
Grüne: „Ich glaube, Raadt hält das aus und kann wachsen“
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„Ich glaube, Raadt hält das aus und kann wachsen“, verwies Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne) darauf, dass andere Mülheimer Stadtteile größeren Belastungen und Herausforderungen ausgesetzt seien. Auch Peter Beitz von der FDP betonte die Zustimmung seiner Fraktion: „Wir haben den Anspruch, Menschen so zu helfen, wie es in Mülheim üblich ist: Wir helfen ihnen gut.“ Zweifelsohne sei das Stadtgärtnerei-Projekt zwar nicht die erstbeste Lösung, die in einer dezentralen Wohnraumversorgung von Flüchtlingen zu sehen sei. Aber doch „die zweitbeste Lösung“.
Bei fünf Gegenstimmen von AfD und BAMH beschloss der Stadtrat, mit dem Mülheimer Wohnungsbau jenen Bau am Hauptfriedhof anzustreben und darüber hinaus in der Kooperationsvereinbarung festzulegen, dass das Wohnungsunternehmen der Stadt zusätzlich jährlich bis zu 150 Wohnungen aus dem eigenen Bestand für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung stellt.
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