Mülheim. Mülheim will sich für den erwarteten Zuzug Hunderter Flüchtlinge wappnen und eine neue Großunterkunft schaffen. Wo diese entstehen soll.
Einige Zeit schon hat Mülheims Stadtverwaltung nach Möglichkeiten gesucht, wo in der Stadt als Antwort auf die zunehmende Zahl an geflüchteten Menschen neue große Flüchtlingsunterkünfte geschaffen werden könnten. Jetzt präsentiert die Stadtspitze der Politik ihren Lösungsvorschlag.
Am Freitag ging eine Beschlussvorlage für den Stadtrat an die Öffentlichkeit, über die die Politik am 15. Dezember nach Debatten drei Tage zuvor in den Bezirksvertretungen und in Fachausschüssen entscheiden soll. Der Vorschlag der Verwaltung beinhaltet dreierlei: den zeitnahen Bau eines neuen Flüchtlingsquartiers mit Platz für 500 bis 700 Menschen, den Ankauf eines Grundstücks als Reservefläche für ein weiteres Flüchtlingsdorf sowie die Verpflichtung, auf einem Bauland auch preisgünstigen Wohnraum für alle Mülheimerinnen und Mülheimer zu schaffen.
Areal der alten Mülheimer Stadtgärtnerei soll bis zu 700 Menschen ein Obdach bieten
Der Reihe nach: Für das neue Wohnquartier für geflüchtete Menschen ist das Areal der ehemaligen Stadtgärtnerei neben dem Hauptfriedhof auserwählt. Als Projektpartner für den Bau der Wohnungen stünde der Mülheimer Wohnungsbau (MWB) bereit, dem das 14.000 Quadratmeter große städtische Grundstück für diesen Zweck per Erbpachtvertrag überlassen werden könnte.
In Mobilbauweise sollen dort zwei- bis dreigeschossige Wohnhäuser errichtet werden, die später womöglich auch für andere Zwecke umgebaut werden könnten, heißt es seitens der Stadtverwaltung. OB Marc Buchholz äußerte am Freitag seine Hoffnung, dass an Ort und Stelle schon innerhalb von 18 Monaten 500 bis 700 Wohnplätze zur Verfügung stehen könnten. Geplant ist, dass die späteren Bewohner dort in eigenen Wohnungen leben und sich selbst versorgen können.
Mülheimer Wohnungsbau will jährlich bis zu 150 Wohnungen bereitstellen
In einer Kooperationsvereinbarung zu diesem Projekt soll ebenfalls verankert werden, dass die MWB-Genossenschaft der Stadt darüber hinaus jährlich bis zu 150 Wohnungen zur Anmietung und Belegung mit geflüchteten Menschen zur Verfügung stellt. Die Zahl von 150 Wohnungen entspreche etwa einem Drittel der jährlichen Wohnungswechsel, sagt MWB-Vorstand Frank Esser, dem wichtig ist zu betonen, dass er keinen Grund sieht für Mitglieder seiner Genossenschaft, dass sie durch eine solche Vereinbarung Probleme bei der eigenen Wohnungssuche im MWB-Bestand bekämen.
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Zu Punkt zwei des Papiers, über das die Politik nun zu befinden hat. Angedacht ist, dass die Stadt an der Blücherstraße in Heißen ein 14.000 Quadratmeter großes Ackerland kauft, um die Fläche als Notreserve zu halten, um bei anhaltend hohen Zuzügen geflüchteter Menschen dort gegebenenfalls ein Container-Dorf zu errichten. Der Eigentümer der Fläche am Weg zur U-Bahn-Station Eichbaum sei grundsätzlich bereit, die Fläche zu verkaufen, so Kämmerer Frank Mendack. Werde die Fläche nicht mehr für eine Flüchtlingsunterbringung benötigt, könne die Stadt sie als autobahnnahe Gewerbefläche für Kleinbetriebe entwickeln.
Mülheimer Wohnungsbau will am Papenbusch bezahlbare Mietwohnungen bauen
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Die Verwaltungsspitze unterstreicht mit dem dritten Element ihres Beschlussvorschlages, dass es ihr wichtig sei, in einem Zuge auch im Fokus zu haben, bezahlbaren Wohnraum für die gesamte Bürgerschaft vorzuhalten. Auch hier ist wieder der Mülheimer Wohnungsbau im Spiel. Seinem Vorhaben, den ehemaligen Mannesmann-Werkssportplatz am Papenbusch in Dümpten zu bebauen, soll nun eine besondere Priorität beigemessen werden.
Wenn die Politik mitgeht, soll dafür zügig ein Bebauungsplanverfahren in Gang gesetzt werden. MWB-Vorstand Esser erklärte am Freitag gegenüber dieser Redaktion, dass seine Genossenschaft bereit sei, auf ein Bauträgergeschäft zu verzichten, wie es zuletzt Teil der Planungen war. Man wolle am Papenbusch nun ausschließlich Mietwohnungen bauen – „mit einem hohen Anteil öffentlicher Förderung“. Wenn das baurechtliche Verfahren schnell vorankomme, könne der MWB womöglich schon 2024 anfangen zu bauen.
Stadt zieht aktuell noch einmal die Notbremse in der Aufnahme von Flüchtlingen
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In einer 31-seitigen Beschlussvorlage für die Politik legt die Verwaltung ausführlich dar, welche Flächen sie zum Ausbau der Wohnplätze für geflüchtete Menschen inspiziert hat. Sozialdezernentin Daniela Grobe machte erneut deutlich, welch enorme Herausforderung die Stadt aktuell zu bewältigen hat. Ende des Vorjahres seien 5526 geflüchtete Menschen in Mülheim registriert gewesen, Ende September seien es bereits 7528 gewesen. Einen solchen Zuwachs habe es selbst im Jahr der Flüchtlingskrise 2015 nicht gegeben. Insbesondere aus Syrien (38,8 Prozent aller in Mülheim untergebrachten Flüchtlinge), der Ukraine (23,1 Prozent) und dem Irak (14,1 Prozent) stammten die Menschen.
Grobe rechnet mit Verweis auf Prognosen des Landes, aber auch auf die zunehmende Zerstörung der Infrastruktur in der Ukraine weiter mit einer nennenswerten Zahl an Flüchtlingen, die Mülheim gemäß seiner Verpflichtungen aufnehmen muss. Aktuell seien vom Land erneut 59 Personen für eine Unterbringung angekündigt worden. Sie werden noch Platz finden in der Harbecke-Sporthalle. Doch auch dort wird es schon wieder eng, sodass die Stadt nach einem ersten Mal im Oktober erneut von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, entsprechend festgelegter Kriterien einen Teil ankommender Flüchtlinge an Landeseinrichtungen weiterzuleiten.
OB hofft, die Harbecke-Sporthalle 2023 wieder für den Sport öffnen zu können
Mit den nun vorgeschlagenen Maßnahmen hofft OB Buchholz, dass die Harbecke-Halle mit aktuell 260 Schlafplätzen im Laufe des Jahres 2023 wieder den Sportlern zur Verfügung gestellt werden kann. Außerdem, so betonen OB und Dezernenten, verfolge man mit den aktuellen Plänen weiter die Strategie, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen, sie möglichst über das Stadtgebiet zu verteilen und schnell in Wohnungen weiterzuvermitteln.