Oberhausen. Nach acht Jahren als Oberhausener Beigeordnete für Umwelt, Gesundheit, Stadtplanung muss sich Sabine Lauxen am 22. Juni zur Wiederwahl stellen.

Die frühere Vize-Regierungssprecherin der Landesregierung, Sabine Lauxen, wusste von Anfang an, dass es hier in Oberhausen nicht einfach sein wird: Zum ersten Mal in der Stadtgeschichte hatten es die Grünen (damals noch in der Koalition mit der SPD) geschafft, einen Dezernenten-Posten zu besetzen – und dann in dieser so von Polit-Männern dominierten Stadt auch noch mit einer Frau.

Sabine Lauxen Anfang 2013 mit OGM-Chef Hartmut Schmidt, dem heutigen Grünen-Ratsfraktionschef Andreas Blanke und Ex-NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), die Lauxen empfohlen hat.
Sabine Lauxen Anfang 2013 mit OGM-Chef Hartmut Schmidt, dem heutigen Grünen-Ratsfraktionschef Andreas Blanke und Ex-NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), die Lauxen empfohlen hat. © WAZ FotoPool | Kerstin Bögeholz

Und nun, acht Jahre später, ist ihre Wiederwahl arg gefährdet, die Kritik unter einflussreichen Politikerinnen und Politikern im Rat erheblich. Die 55-Jährige Betriebswirtin und Politologin ist bereits in Krefeld als neue Umweltdezernentin im Gespräch, doch Lauxen antwortet auf Nachfrage fast schon ein wenig trotzig: „Ich stelle mich hier zur Wiederwahl, ich will in Oberhausen bleiben.“ Dies aber wird wohl schwierig werden.

Aus eigener Erfahrung formulierte die Oberhausener Grünen-Ikone Bärbel Höhn 2012 düster, in deren NRW-Umweltministerium Lauxen später als stellvertretende Abteilungsleiterin für Ernährung fungierte: Es sei für eine Frau nicht leicht, als „einzige in einem bisher reinen Männergremium grüne Akzente zu setzen und sich nicht unterbuttern“ zu lassen. „Insofern brauchen wir dafür eine erfahrene, starke Frau, die sich durchsetzen kann.“ Für Höhn war Lauxen eine geeignete Kandidatin.

Populäre Themen, die Bürger auf die Barrikaden bringen

Zudem sollte und wollte Lauxen hier die besonders populären Themenfelder beackern, die gerne mal die Bürger auf die Barrikaden bringen: Radwege, neue oder renovierte Straßen, Baustellen, Lärm, Gesundheit, Tempolimit, Bäume, Dreck auf Plätzen und in der Luft.

Sabine Lauxen wurde am 17. September 2012 vor dem Rat der Stadt Oberhausen als Dezernentin vereidigt.
Sabine Lauxen wurde am 17. September 2012 vor dem Rat der Stadt Oberhausen als Dezernentin vereidigt. © WAZ FotoPool | Kerstin Bögeholz

Aber auch die Ratspolitiker, die Lauxen im September 2012 wählten oder sich vornehm enthielten (CDU), wussten, dass es für Oberhausen nicht so einfach werden würde mit dieser Dezernentin: Die Politikwissenschaftlerin, Mitglied der Grünen, kannte sich zwar in kommunikativen, umweltpolitischen und gesundheitlichen Fragen aus, doch hatte sie praktisch keine echte Erfahrung mit Stadtplanungsthemen. „Ich muss mich hier mehr einarbeiten als bei Umwelt- oder Gesundheit. Aber meine Aufgabe ist es ja auch nicht, beste Sachbearbeiterin zu werden, sondern die strategische Umsetzung anzugehen“, argumentierte Lauxen in ihrem ersten Interview.

Nun ja, die Einarbeitung verlief offenbar nicht so erfolgreich, dass Oberbürgermeister Daniel Schranz seinen langgehegten Gedanken fallen ließ, im Einklang mit einem Großteil des Rates der gebürtigen Darmstädterin die Stadtplanung und den Wohnungsbau wieder wegzunehmen – Mitte 2019 war es so weit. Ein dunkles Vorzeichen für die am Montag, 22. Juni 2020, im Rat anstehende Wiederwahl der Dezernentin.

Wenn doch überall alles so schön wachsen und gedeihen würde, wie die Erdbeeren in ihrem Lieblingsprojekt: Umweltdezernentin und Ex-Stadtplanerin Sabine Lauxen mit dem Gärtner Wolfgang Grüne Ende Mai 2020 im Dachgewächshaus auf dem neuen Jobcenter-Bürogebäude in der Oberhausener Innenstadt.
Wenn doch überall alles so schön wachsen und gedeihen würde, wie die Erdbeeren in ihrem Lieblingsprojekt: Umweltdezernentin und Ex-Stadtplanerin Sabine Lauxen mit dem Gärtner Wolfgang Grüne Ende Mai 2020 im Dachgewächshaus auf dem neuen Jobcenter-Bürogebäude in der Oberhausener Innenstadt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Acht Jahre später blicken die Oberhausener auf eine Arbeitsbilanz der Beigeordneten, die freundlich ausgedrückt, recht gemischt ausfällt. Spricht man mit Ratspolitikern, so erinnern sich doch viele an Projekte, die nicht vorangekommen sind, an nicht abgerufene Fördergelder, an unglücklich wirkende Vorschläge. Und so manche Ur-Oberhausener nehmen ihr es übel, dass sie immer noch mit dem Auto von Düsseldorf nach Oberhausen zur Arbeit rauscht, anstatt in deren Heimatstadt zu ziehen.

Desaster um zu dunkle Straßenlaternen unterschätzt

Völlig unterschätzt hatte Lauxen das Desaster um die Ausstattung von 8800 alten Straßenlaternen mit mager leuchtenden LED-Birnen, die ganze Straßenzüge von „Dunkelhausen“ (Spott Auswärtiger) in den Augen der Bürger zu unsicheren Orten für Spaziergänger verwandelten. Durch die jahrelange, sich oft verzögernde Nachbesserung wurde der LED-Austausch doppelt so teuer wie einst mit 2,8 Millionen Euro geplant.

Musste sich immer wieder mal für Baumfällaktionen rechtfertigen: Sabine Lauxen mit Fachkollegen im Osterfelder Volksgarten.
Musste sich immer wieder mal für Baumfällaktionen rechtfertigen: Sabine Lauxen mit Fachkollegen im Osterfelder Volksgarten. © WAZ FotoPool | Gerd Wallhorn

Wenig Freunde nicht nur bei Autofahrern und Baumliebhabern machte sich Lauxen 2014 mit ihrer Idee, die wichtige staugeplagte regionale Verbindung Mülheimer Straße von vier auf zwei Spuren zu verkleinern – und 2016 mit der Ankündigung, über 4000 Straßenbäume, vor allem die wunderschönen Platanen, in Oberhausen ersetzen zu wollen. Auf wenig Wohlwollen bei den Osterfeldern stieß Lauxen mit ihrer Aktion, den Volksgarten kräftig mit Baumfällungen zu durchforsten.

Gleich mehrfach verhedderte sich die Planungsdezernentin dabei, Fördermittel überhaupt zu beantragen oder rechtzeitig abzurufen: An Innovation-City wollte sich Lauxen erst gar nicht beteiligen („zu wenig Personal“), für den Umbau des Altenberger Parks verpasste sie Ausschreibungsfristen und damit 2,3 Millionen Euro, das Innenstadt-Projekt Brückenschlag mit einem Investitions- und Fördervolumen von 40 Millionen Euro kommt nicht voran.

Wohnprojekt auf dem John-Lennon-Platz versandet

Unter ihrer Moderation versandete das Wohnprojekt auf dem John-Lennon-Platz, erbost denken Bürger noch heute an die Zeit der am Ende fruchtlosen Bürger-Planungsspiele mit einem großen See in der Mitte zurück. Frieden stiften konnte Lauxen trotz mehrfacher Entschuldigungen auch nicht, als gut situierte Bürger an der Landwehr einen Proteststurm entfachten, weil die Stadt die Kostenverdoppelung für die Renovierung ihrer Straße über Jahre nicht mitteilte – und sie nun doppelt so hohe Gebühren zahlen müssen.

Ein bevorzugtes Projekt von Umweltdezernentin Sabine Lauxen war das Ackern auf städtischen Flächen, auch „Urban Gardening“ genannt. Hier pflanzt sie im April 2013 mit OGM-Geschäftsführer Hartmut Schmidt.
Ein bevorzugtes Projekt von Umweltdezernentin Sabine Lauxen war das Ackern auf städtischen Flächen, auch „Urban Gardening“ genannt. Hier pflanzt sie im April 2013 mit OGM-Geschäftsführer Hartmut Schmidt. © WAZ FotoPool | Kerstin Bögeholz

Und dennoch: Sabine Lauxen feiert rückblickend auch viele Erfolge, die zumindest ihre Partei, die Grünen, heute glücklich stimmen. „Das ist doch eine gute Beigeordnete, die einen guten Job gemacht hat. Sie hat eine ganze Menge auf den Weg gebracht“, sagt Grünen-Fraktionschef Andreas Blanke. Seine fünfköpfige Fraktion ist wild entschlossen, Lauxen für die nächsten acht Jahre wiederzuwählen.

Dachgewächshaus in der Innenstadt bundesweites Vorzeigeprojekt

Das Dachgewächshaus auf dem Jobcenter in der Innenstadt ist ein bisher äußerst gelungenes bundesweites Vorzeigeprojekt, auf das Lauxen stolz sein kann. Sie besorgte acht Millionen Euro Fördermittel für die Sanierung der Lehrschwimmbecken, ließ ein Gründach- und Solarkataster für Häuser im Stadtgebiet erstellen, gründete das Insektenschutz-Bündnis „Biene & Co“ und machte „Urban Gardening“, das Gärtnern im Stadtgebiet, salonfähig. In ihrer Zeit hat sich nach Stadt-Angaben der Bestand an Grünflächen, Wald und Bäumen erhöht.

Sorgte für neue Mülleimer In der Sterkrader Innenstadt: Sabine Lauxen mit Frank Nottebohm, Anne Janßen und Maria Gutthoff (von links).
Sorgte für neue Mülleimer In der Sterkrader Innenstadt: Sabine Lauxen mit Frank Nottebohm, Anne Janßen und Maria Gutthoff (von links). © WAZ FotoPool | Kerstin Bögeholz

In der Verantwortung der Beigeordneten erhielten Radler bessere Radwege, Rad-Parkboxen und eine grüne Welle. Mit der Kampagne „Respekt, wer’s sauber hält“, den neuen Hunde-Kotbeutelspendern, Müll-Detektiven und der digitalen Identifikation jeder gebührenfinanzierten Restmülltonne trägt sie mit dazu bei, dass Oberhausen sauberer wird.

Sauberere Luft durch Lkw-Fahrverbote

Mit höheren Parkgebühren und dem Lkw-Fahrverbot betrieb Lauxen aktive Verkehrslenkung, um mit weniger Autos in den Innenstädten für bessere Luft zu sorgen. Und die Fördermillionen für die Städtebaukonzepte in Sterkrade und Osterfeld fließen.

Machte während der akuten Phase der Corona-Pandemie im Oberhausener Krisenstab nach Aussagen mehrerer Beteiligter einen guten Job: Dezernentin Sabine Lauxen hier mit Amtsarzt Dr. Henning Karbach.
Machte während der akuten Phase der Corona-Pandemie im Oberhausener Krisenstab nach Aussagen mehrerer Beteiligter einen guten Job: Dezernentin Sabine Lauxen hier mit Amtsarzt Dr. Henning Karbach. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Voll des Lobes sind Parteien und Rathaus-Mitarbeiter für ihren Einsatz in der Pandemie: Als Gesundheitsdezernentin quartierte sie sich ins Gesundheitsamt ein und organisierte den Bereich mit viel Engagement.

Wiederwahl nach acht Jahren Amtszeit notwendig

Nach der Gemeindeordnung des Landes NRW sind Beigeordnete kommunale Wahlbeamte, die für die Dauer von acht Jahren gewählt werden. Nach dieser Zeit steht die Wiederwahl an – rechtzeitig vor Ende ihrer regulären Amtszeit. Sabine Lauxen hat im Herbst 2012 ihre Stelle als Dezernentin für Umwelt, Gesundheit, ökologische Stadtentwicklung angetreten.

Im Mai 2019 ist ihre Beigeordneten-Kollegin Elke Münich zweieinhalb Jahre vor ihrer offiziellen Amtszeit vom Rat mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgewählt worden. Die SPD-Ratsfraktion hatte die Abwahl der Schul- und Sozialdezernentin erfolgreich betrieben, weil sie unzufrieden mit der Arbeit ihrer Parteifreundin war. Der siebenköpfige Verwaltungsvorstand besteht sonst nur aus Männern.

Und so ist der Ausgang der Wiederwahl von Lauxen im 60-köpfigen Rat offen: Die SPD ringt mit ihren 23 Ratsmitgliedern nach den leidvollen Erfahrungen in der 2018 gescheiterten Ampelkoalition mit den Grünen noch mit sich, ob sie Lauxen doch noch mal acht Jahre Bewährungsfrist verordnen kann – die Tendenz steht wohl eher auf: Nein.

CDU: Viele Sachen an die Wand gefahren

Die CDU-Fraktion (20 Sitze) hat Lauxens Arbeit im Rat und in den Ausschüssen zwar viel offener kritisiert als die SPD, dennoch ist ihr Votum unklar. Viele Christdemokraten schütteln den Kopf, wenn man den Namen Lauxen erwähnt. „Sie hat viele Sachen an die Wand gefahren, ihr wurden originär grüne Themen auf dem Tablett serviert, diese wurden aber nicht umgesetzt“, sagt CDU-Fraktionschefin Simone-Tatjana Stehr. Sie denkt dabei an das von der CDU gewünschte grüne Dächerprogramm, die Pflanzung von 1000 neuen Straßenbäumen oder die fehlende Planung für eine Radstrecke zur überregionalen Radautobahn im Norden und Süden der Stadt.

Beurteilt die Arbeit von Umweltdezernentin Sabine Lauxen äußerst kritisch: Simone-Tatjana Stehr, CDU Fraktionsvorsitzende im Rat.
Beurteilt die Arbeit von Umweltdezernentin Sabine Lauxen äußerst kritisch: Simone-Tatjana Stehr, CDU Fraktionsvorsitzende im Rat. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Bei der endgültigen Entscheidung der CDU spielen allerdings wie häufig im politischen Leben eine Menge wahltaktischer Gründe eine Rolle: Kann man die Dezernentin der Grünen absägen, wenn man doch vielleicht nach der Kommunalwahl im September mit den Grünen koalieren muss und will?

Fünfköpfige Ratsfraktion der Linken stimmt mit Nein

Die Linken mit ihren fünf Ratsmitgliedern jedenfalls haben schon entschieden: Die Ergebnisse von Sabine Lauxens Arbeit haben Fraktionschef Yusuf Karacelik nicht überzeugt: „Wir haben gehofft, dass sie die Ökologie in der Stadt nach vorne bringt, doch sie hat sehr häufig wirtschaftliche Interessen an die erste Stelle gesetzt.“ Beispiele seien die investorenfreundlichen Wohnungsbaupläne für die Seilerstraße/Straßburger Straße (Möbelhaus Rück-Gelände) und das gescheiterte Vorhaben für den John-Lennon-Platz. Auf zahlreichen Bürgerversammlungen hat Karacelik zudem beobachtet: „Sie geht zwar zu den Bürgern hin, aber ihr fehlt das Feingefühl, mit den Bürgern nachhaltig zu reden. Sie wirkt dabei auf mich arrogant.“

Sabine Lauxen vor dem Technischen Rathaus in Oberhausen-Sterkrade.
Sabine Lauxen vor dem Technischen Rathaus in Oberhausen-Sterkrade. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Die kleinen Gruppen im Rat wiederum sind ebenfalls keine Lauxen-Freunde: Die FDP hat schon mal unabgesprochen mit ihren zwei Ratsmitgliedern den Rücktritt der Dezernentin gefordert. Das Bürgerbündnis BOB (zwei Sitze) warf Lauxen Versagen vor, weil wichtige Unterlagen fehlten, um für den zwölf Millionen Euro teuren Multifunktionskomplex in Osterfeld Gelder vom Land abzuzwacken. Die Oberhausener Wählergemeinschaft „Offen für Bürger“ (bisher zwei Sitze) ärgert sich über die Abwicklung von Straßenbauten und fragte: „Ist Dezernentin Sabine Lauxen noch tragbar?“ Am 22. Juni werden es alle Bürger exakt wissen – nach der Entscheidung des Rates.