Herne. Die Haupt-Feuerwache in Herne ist eine „Schrottimmobilie“, klagt die Feuerwehr. Vor 54 Jahren, zur Eröffnung, wurde sie bejubelt. Ein Rückblick.

  • Vor 54 Jahren wird in Herne die die neue Feuer- und Rettungswache eingeweiht.
  • Das alte „Spritzenhaus“ an der Breddestraße/Ecke Hermann-Löns-Straße war viel zu klein.
  • Neue Wache an der Sodinger Straße kostete 3,57 Millionen Mark.

Herne braucht endlich eine neue, moderne Feuer- und Rettungswache. Dem würde wohl keiner widersprechen, der die Hauptwache in Herne-Mitte kennt. Auch in den 1950er Jahren tut eine neue, moderne Feuer- und Rettungswache Not: Die Herner Feuerwehr will nur noch raus aus ihrem alten „Spritzenhaus“. Deshalb wird eine neue Wache gebaut – die aktuelle an der Sodinger Straße. „Mit allen Schikanen“ und „allen technischen Finessen“ sei sie ausgestattet, jubeln die Ruhr-Nachrichten. Vor 54 Jahren, am 11. November 1968, wird die Hauptwache eingeweiht.

In Herne gesucht: Ein „modernes und würdiges Domizil“

Die Wache, in der die Herner Feuerwehr bis dahin residiert, liegt an der Breddestraße/Ecke Hermann-Löns-Straße. Sie ist ein betulicher Klinkerbau, 1902 errichtet, und trotz der Anbauten so veraltet, „dass dringend Abhilfe geschaffen werden muss“, schreibt die WAZ im Oktober 1966. Der für die Feuerwehr zuständige städtische Dezernent Dr. Trost beschreibt das Ganze so, dass 1902 die Zeit gewesen sei, „als sich die Feuerwehr gerade auf Pferdegespanne umstellte, um die Spritzen zum Brandherd zu ziehen“. Längst aber seien die Verhältnisse an der Breddestraße für die Feuerwehrleute primitiv.

Zu alt und zu beengt: die Herner Feuerwache an der Breddestraße, hier um 1962.
Zu alt und zu beengt: die Herner Feuerwache an der Breddestraße, hier um 1962. © Stadtarchiv Herne

„Die hygienischen Verhältnisse sind schlecht, die Unterbringung des Personals nicht zeitgemäß“, so schreibt die WAZ weiter. Vor allem fehlten ein Übungsplatz sowie Räume für die Pflege und Lagerung der wertvollen Geräte, für Handwerker, für die Desinfektion der Wäsche und Bekleidung. Kurz: Höchste Zeit also, dass die aufstrebende Großstadt endlich ein „modernes und würdiges Domizil“ für die Feuerwehr bekommt.

Land beteiligt sich mit 50 Prozent an den 3,57 Millionen Mark

Nach langer Suche entscheidet sich die Stadt für einen Neubau an der Sodinger Straße. Der Planungsauftrag geht im Dezember 1964 an den Essener Industriearchitekten Conrad. Ihn kennen die Verantwortlichen im Rathaus: Von Conrad sind in der Stadt bereits der Ausbau des Fuhrparks und des neuen Omnibus-Betriebsbahnhofs geplant und umgesetzt worden. Die Kosten für das neue Feuerwehr-Depot veranschlagt die Stadt auf 3,57 Millionen Mark, das Land beteiligt sich mit 50 Prozent.

„Die Stadt will mit dem Neubau der Wache eine weitere städtebauliche Dominate setzen“, schreibt die Herner Zeitung bei der Grundsteinlegung 1966. „Sie will vor allem einer Verödung der Innenstadt vorbeugen und baut deshalb auch Wohnungen mit.“ Sechs werden zu Dienstwohnungen, zwölf entstehen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus.

Die neue Feuerwache an der Sodinger Straße im Bau (rechts unten). Dafür wurde die alte Feuerwache (Bildmitte) später aufgegeben.
Die neue Feuerwache an der Sodinger Straße im Bau (rechts unten). Dafür wurde die alte Feuerwache (Bildmitte) später aufgegeben. © Stadtarchiv Herne

„Das modernste an Nachrichtentechnik“

Die Verantwortlichen sind stolz auf die moderne Hauptwache an der Sodinger Straße 9. Immer länger und länger wird der eine Satz, in dem die WAZ die Vorzüge des neuen Depots auflistet: „Das Raumprogramm umfaßt eine Fahrzeughalle für 15 Feuerwehrfahrzeuge, eine Halle für fünf Krankenwagen, zwölf Schlafräume für insgesamt 78 Feuerwehrmänner, dazu Aufenthalts-, Speise- und Leseraum mit Fachbüchern, Schulräume, sechs Büroräume für die Verwaltung, eine Schlauchwäsche mit Schlauchturm und vollautomatischem Schlauchaufzug zum Trocknen von 250 Schläuchen, Arbeitsräume zur Wartung der Geräte und Ausrüstungen, Lager- und Desinfektionsräume für Atemschutzgeräte, Werkstätten für Stark- und Schwachstrom, Schlosserei, Schreinerei, Schuhmacher- und Schneiderwerkstatt und Bekleidungskammer.“ Und die Zentrale mit Schaltpult, Hebeln, Hörern und Mikrofonen, so ergänzt die Westfälische Rundschau am 12. November 1968, am Tag nach der Eröffnung, sei „das modernste an Nachrichtentechnik, was im Feuerwehrwesen existiert“.

Gebäude wird zur Schrottimmobilie

Ins alte „Spritzenhaus“ und der angrenzenden ehemaligen Volksschule zieht die Stadtbücherei. Die muss im Zuge der Innenstadtsanierung raus aus dem alten Amtshaus an der Ecke Bahnhofstraße/Shamrockstraße, ihr Gebäude wird abgerissen und weicht einem Geschäftshaus. Die ehemalige Fahrzeughalle der Feuerwehrwache wird dabei zur Büchereihalle umgebaut. Anstelle der großen Tore werden Fenster eingesetzt.

Und die Herner Feuerwehr? Die ist nur wenige Jahrzehnte glücklich im neuen Domizil. Spätestens nach der Jahrtausend-Wende werden wieder Rufe nach einer neuen Wache laut, der Zahn der Zeit schlägt an der Sodinger Straße immer gnadenloser zu. Viel zu wenig Platz, veraltete Technik, beengte Räume, niedrige Fahrzeughallen, Rohrbrüche, kaputte Stromleitungen sind nur einige Beispiele. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so bringt es 2019 der damalige Feuerwehr-Chef Andreas Spahlinger auf den Punkt, arbeiteten in „Schrottimmobilien“.

Der Rat hatte da schon ein Einsehen und beschließt 2017 den Neubau der Hauptwache. Die Arbeiten aber verzögern sich, die Kosten explodieren. 2027 soll die neue Wache nun endlich in Horsthausen öffnen, Kosten: 140 Millionen Euro. Ob sie wieder nur für rund 60 Jahre reicht?

Die weiteren Teile der WAZ-Serie „Herne historisch“

1. City-Center: Vom „Knüller“ zum Sorgenkind

2. Kraft-Messing-Platz: Platz gab es nur für wenige Jahre

3. Wanner Hundewiese: Wo es in Wanne einst die „Hundewiese“ gab

4. Hotel Schlenkhoff: In Herne-Mitte stand einst das erste Haus am Platze

5. Willi Henkelmann: Herner lösen Rätsel um Tod des berühmten Rennfahrers

6. Margarethe Henkel: Als Herne sein „historisches Baby“ feierte

7. Horststadion: Stadion erlebte viele packende Wettkämpfe

8. Möllertunnel: Unterführung wurde geliebt und gehasst

9. Nagelhaus: Als die Menschen Nägel in Wahrzeichen schlugen

10. Herner Herdfabrik: Vor 45 Jahren war der Ofen endgültig aus

11. Feuer zerstörte einst die historische Wassermühle in Herne

12. So riss Wanne-Eickel das Haus Bönninghausen ab

13. Teckelbahn war in Europa einzigartig

14. 100.000 Einwohner: Ein Baby macht Wanne-Eickel zur Großstadt

15. Ein Weltstar aus Herne – Kurt Edelhagen vor 100 Jahren geboren

16. Bummeln mit Flair: Kaiserpassage gab Wanne einen mondänen Anstrich

17. Der Stichkanal: Kanal verband Herne mit dem Schiffshebewerk Henrichenburg

18. Von Kaufmann bis Hertie: Das waren die Kaufhäuser in Herne

19. Herne in Trümmern: 1945 knurrte bei den Menschen der Magen

20. Bau des Bahnhofs sorgte für Chaos in der Stadt

21. Vor 65 Jahren öffnete das Kinderkurheim in Hammelbach

22. XXL-Entertainment-Center wird zur riesigen Bauruine

23. Das Schicksal der „Käseglocke“

24. Bürgerentscheid: Herner wollten zwei Schwimmbäder retten

25. Ruhrbesetzung – was Soldaten über Herne nach Haus schrieben

26. Als Herne einen Flugplatz mit Luftschiff hatte

27. Mond von Wanne-Eickel: Als ein Lied die Stadt berühmt machte

28. Stadt Herne macht Gysenberger Wald zum Naherholungsgebiet

29. Mit allen Schikanen: Feuerwehr in Herne bezieht neue Wache

30. Herne: Bei alten Luftbildern werden Erinnerungen wach

31. Alte Luftbilder zeigen Herne in den 50er und 60er Jahren