Herne. In Wanne-Eickel gab es früher das Haus Bönninghausen, einen ehemaligen Adelssitz. Die Stadt ließ das beschädigte Haus abreißen - mit einem Trick.
In Wanne-Eickel stand einst ein stolzes Herrenhaus, umgeben von einer Gräfte: Haus Bönninghausen. Dass es den ehemaligen Adelssitz heute nicht mehr gibt, liegt an der Stadtverwaltung: Sie nutzte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Trick, um die schwer beschädigten Gebäude abzureißen.
Die Erbauer des stattlichen Adelssitzes sind nicht bekannt, sagt Horst Schröder, Mitglied der Herner Geschichtsgruppe „Die Vier!“. Der Wanne-Eickeler hat sich mit der Geschichte des Anwesens befasst und Nachfahren der ehemaligen Besitzer gesprochen. Fest stehe allein: Die Wurzeln des Herrenhauses, das etwa in Höhe der Burgstraße 75 in Eickel gelegen habe, reichten bis ins 14. Jahrhundert zurück.
Mit viereckigem, trutzigen Wehrturm
Das aus dem 17. Jahrhundert stammende zweigeschossige Adelshaus war aus Feldbrandsteinen gebaut, sagt Schröder. Vor dem Zugang habe rechter Hand ein viereckiger, trutziger Wehrturm aus Ruhrsandsteinen gestanden, der zur alten Burganlage gehörte. Untersuchungen hätten ergeben, dass der damals 6,80 Meter hohe und sechs mal sechs Meter breite Turm vielleicht schon im 14. Jahrhundert errichtet wurde. Peter Jakob Muckenheim, der die Ländereien 1837 pachtete und 1855 schließlich kaufte, habe dort mit seiner Familie eine Gärtnerei und eine Samenhandlung betrieben.
Im Winter 1944/45, erzählt Schröder, wurde Haus Bönninghausen bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Nach dem Tod des Nachfahren Heinrich Muckenheim im Jahre 1950, der bis zu seinem Tod das Gelände um das ehemalige Herrenhaus gärtnerisch pflegte, habe die Stadt Wanne-Eickel 1955 die Überreste des ehemaligen Herrenhauses gekauft. Die von Wanne-Eickeler Heimatfreunden unterbreiteten Vorschläge, das Haus wieder aufzubauen, um darin ein Heimatmuseum und das Stadtarchiv unterzubringen, seien nicht umgesetzt worden.
In keiner Denkmalliste zu finden
Die Stadt Wanne-Eickel habe stattdessen im April 1960 die Bagger anrollen lassen: „Um den Abriss genehmigt zu bekommen, griff die Stadt in die Trickkiste“, so das Mitglied der Geschichtsgruppe „Die Vier!“ Beim Landeskonservator habe die Verwaltung den Abbruch des Gebäudes unter dem Namen „Haus Muckenheim“ beantragt – das natürlich in keiner Denkmalliste oder in keinem Adelsregister zu finden gewesen sei.
Die Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel habe den Landeskonservator über den Trick zwar informiert, und dieser habe den Abbruch auch gestoppt. „Doch es war schon zu spät, es standen nur noch die Grundmauern des Wehrturmes“, sagt Schröder. Die Gesellschaft habe um den Erhalt zumindest dieser Überreste noch gekämpft, jedoch ohne Erfolg. Von der Öffentlichkeit unbemerkt sei 1960 schließlich auch der Wehrturm der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Schröder verweist auf einen WAZ-Bericht vom 8. Oktober 1960: „Handstreich gegen Turm von Bönninghausen – Heimatfreunde werden vom Abbruch überrascht“, hieß es da.
Gräfte verlor quasi über Nacht das Wasser
Ulrike Stolba, Tochter von Hilde Meier, geb. Muckenheim, habe sich im Gespräch mit Schröder an viele Geschichten erinnert, die sich um das Haus Bönninghausen ranken. „So erzählten sich die Eickeler, dass das Haus Bönninghausen und die Dorneburg unterirdisch miteinander verbunden waren“, sagt das Mitglied von „Die Vier!“. Das aber habe nicht nachgewiesen werden können. Und: „Hilde Meier erzählte gerne die Geschichte, wie die Gräfte der ehemaligen Wasserburg quasi über Nacht ihr Wasser verlor.“ Verantwortlich dafür sei der Bergbau gewesen, der das Wasser versickern ließ. Ulrike Stolbas Großmutter, Hedwig Muckenheim, die nach dem Verkauf des früheren Adelssitzes in einem benachbarten Haus wohnte, habe nach ihren Erzählungen den Anblick der Ruine nicht ertragen können – und sei von der Burgstraße weggezogen.
Anwesen hatte verschiedene Namen
Im Jahr 1411 wurden im Verzeichnis der Güter des „Offiziums Wattenscheid“ in der „Villa Boninchusen“ ein Zinspflichtiger namens Hermanns van Bonynchusen und im Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486 in ‚Ekell‘ (= Eickel) ein Jan to Bonynchusen erwähnt, sagt Horst Schröder von der Geschichtsgruppe „Die Vier“. So sei der Name des Anwesen, Haus Bönninghausen, entstanden.
Nach Informationen des ehemaligen Wanne-Eickeler Stadtarchivars Rudolf Zienius traten dann 1618 ein Wilhelm Bönninghausen und 1650 ein Johann Bönninghausen urkundlich in Erscheinung, 1630 aber gehörte Gut Bönninghausen der Familie Kumpsthoff aus Dinslaken, die dem Kleinadel angehörte; deshalb hieß das Haus im Volksmund seinerzeit Haus Kumpsthoff. Im 19. Jahrhundert kaufte Peter Jakob Muckenheim das Areal mit dem Gebäude, das der Volksmund dann in Haus Muckenheim umtaufte.
Einer Person aber sei Stolba nie begegnet: der „Weißen Frau“. Diese sei nach einer uralten Erzählung eine junge knickrige Krämersfrau gewesen, die am Haus Bönninghausen ihre Kundschaft betrogen habe: „Sie starb in den besten Lebensjahren, ihre Seele fand aber keine Ruhe.“ Noch heute, so Schröder, soll sie im Bereich des früheren Gutes Bönninghausen herumirren, um abendliche Wanderer vom Weg abzubringen.
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