Herne. In Herne hat es ein Bauwerk gegeben, das ständig klopfende Geräusche von sich gab. Deswegen nannte der Volksmund den Eisen-Koloss „Teckelbahn“.
Die längste Transportbrücke Europas für Kohle stand früher am Rhein-Herne-Kanal, der längste Teil auf Herner Gebiet. Die Oberkettenbahn, die von den Menschen bald nur noch „Teckelbahn“ genannt wurde, führte von der Zeche Julia bis nach Recklinghausen-Hochlarmark.
Die Ursprünge der oberirdischen Transportbrücke gehen auf die erste große Krise des Ruhrbergbaus Mitte der 1920-er Jahre zurück, erzählen Gerd Biedermann und Jürgen Hagen von der Geschichtsgruppe „Die Vier!“. „Es wurde auf Halde produziert, Kohle musste günstiger angeboten werden“, berichtet Hagen, der auch Stadtarchivar in Herne ist. Die Harpener Bergbau AG, zu der die Zechen Julia, Von der Heydt und Recklinghausen gehörten, habe auf die Bergbaukrise mit Rationalisierungen, Zusammenlegungen von Anlagen und Stilllegungen reagiert. Nördlich des Rhein-Herne-Kanals sei 1930 und 1931 deshalb auch eine gemeinsame Aufbereitungsanlage für die Bergwerke Julia und Recklinghausen entstanden.
„Julia-Hafen“ mit Zentralaufbereitungsanlage wurde gebaut
In direkter Nähe, so Biedermann und Hagen, legten die beiden Zechen den „Julia-Hafen“ an, ausgestattet mit den modernsten Verladeeinrichtungen. In einer Zentralaufbereitungsanlage seien täglich bis zu 5000 Tonnen Kohle „gewaschen“, sprich: von Fremdmaterial wie etwa Gestein befreit und nach Größe und Qualität sortiert worden. „Eine moderne Aufbereitungsanlage sowie ein eigener Hafen waren ein enormer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Zechenbetrieben“, berichtet Biedermann.
Um die auf Julia und Recklinghausen geförderte Kohle zur Zentralwäsche zu bringen, hätten die Verantwortlichen zunächst die Idee gehabt, einen Zentralförderschacht abzuteufen. Aus Zeitgründen habe die Harpener Bergbau AG dann aber 1931 mit dem Bau einer Oberkettenbahn begonnen, die später von vielen nur noch „Teckelbahn“ genannt werden sollte. Warum? Hier verweisen die beiden Mitglieder der Herner Geschichtsgruppe „Die Vier!“ auf den Herner Schriftsteller Robert Grabski (1912-1990). In seinem 1977 erschienenen Band „Herne in alten Ansichten“ und in einem Zeitungsartikel von 1967 habe er beschrieben, dass das Bauwerk in Baukau wegen seiner ständig klopfenden Geräusche und des fortwährenden Betriebsgeklappers im Volksmund schnell „Teckelbahn“ genannt worden sei.
Die Kettengeschwindigkeit lag bei 1,2 Meter pro Sekunde
Die Kettenbahn, so Biedermann und Hagen, habe nach ihrer Fertigstellung mit ihren 2400 Metern als längste Transportbrücke dieser Art in Europa gegolten: So sei allein der Teil von Julia bis zur Aufbereitungsanlage in Recklinghausen-Hochlarmark etwa 1600 Meter lang gewesen. „Die Kohlewagen“, berichtet Jürgen Hagen, „wurden in den Förderschächten beladen und mittels der endlos laufenden Gliederkette auf die Oberkettenbahn gezogen, zur Aufbereitungsanlage gebracht und leer wieder zu den Schächten geführt.“
Laut Robert Grabski habe die Kettengeschwindigkeit 1,2 Meter pro Sekunde betragen. Und: Die ganze, nach außen verkleidete Anlage einschließlich der Schutzbrücken über der alten La-Roche-Straße, der Rottstraße, dem Kanal und der Emscher wog demnach ganze 1500 Tonnen.
Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg
Die erste große Krise des Ruhrbergbaus
Mitte der 1920er Jahre hatte der Ruhrbergbau mit seiner ersten großen Krise zu kämpfen: Es wurde auf Halde produziert, Kohle musste günstiger angeboten werden, so die Geschichtsgruppe „Die Vier!“. Die Harpener Bergbau AG, zu der die Zechen Julia, Von der Heydt und Recklinghausen gehörten, hätten auf die Bergbaukrise mit Rationalisierungen, Zusammenlegungen von Anlagen und Stilllegungen reagiert, erzählen die Mitglieder. So sei 1928 die Baukauer Zeche Von der Heydt stillgelegt und der Tagebetrieb aufgegeben worden. Die beiden Schächte hätten nur noch zur Bewetterung der ebenfalls in Baukau ansässigen Zeche Julia gedient.
Da die Absatzkrise der geförderten Kohle kein Ende genommen habe, sei es zu einem weiteren Personalabbau gekommen. Durch Zentralisierung und Modernisierung habe die Harpener Bergbau AG zudem auf die wirtschaftliche Zwangslage zu reagieren versucht. So sei es zum Betriebszusammenschluss der Bergwerke Julia und Recklinghausen gekommen – und schließlich zur Aufbereitungsanlage, für die die Kettenbahn gebaut worden sei. Auch die Zeche Teutoburgia im alten Amt Sodingen wurde Opfer der Bergbaukrise. Die Förderung wurde 1925 – nach nur 14 Jahren Betrieb – wieder eingestellt, erinnert Stadtarchivar Jürgen Hagen. Vier Jahre später habe die in Castrop-Rauxel benachbarte Zeche Erin das Grubenfeld sowie die Schächte übernommen und Teutoburgia fortan als Wetter- und Seilfahrtschacht genutzt.
Im Zweiten Weltkrieg habe ein Bombentreffer die „Teckelbahn“ beschädigt und außer Betrieb gesetzt, nach Ende des Zweiten Weltkrieges habe die wiederhergestellte Bahn ihren Betrieb aber erneut aufgenommen. Einige Jahre sei sie in Betrieb geblieben. Das Ende nahte, als 1961 die Tagesanlagen der Zeche Julia stillgelegt wurden und die Kohleförderung nur noch in Recklinghausen erfolgte. „Damit war auch das Schicksal der Teckelbahn besiegelt“, so Biedermann.
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Stadtarchivar Hagen verweist auf die Herner Zeitung vom 1. August 1962. Dort hieß es, „dass die längste Kettenbahn Europas“ auf einer Länge von 1600 Metern abgerissen werde, also der „Julia-Anteil“. Doch auch noch 1967 hätten sich Reste von der ehemals stolzen Kettenbahn in Baukau gefunden. So habe sich Schriftsteller Robert Grabski in der Westfälischen Rundschau vom 9. Dezember 1967 darüber beklagt, dass „das alte Baukauer Wahrzeichen einer ungewissen Zukunft entgegen rostet“. Dort kritisierte er fast poetisch: „Der Rest von mehreren tausend Tonnen Eisen steht heute noch als nutzlose Brücke und reckt gelangweilt seine riesige Spannweite über den Kanal und dem Emscherfluss“.
Nicht „Krummer Hund“ und „Alte Schleuse“
Die WAZ hat vergangene Woche gefragt: Was ist das für ein Bauwerk, das errichtet wird? Dazu haben wir ein Bild aus der Bauphase der „Teckelbahn“ veröffentlicht. Leser haben sich viele Gedanken gemacht: der „Krumme Hund“ war eine Antwort, „die alte Schleuse“ oder „Schiffshebewerk“ – leider alles falsch.
Die richtige Antwort – Teckelbahn – wussten aber auch viele Leser. „Auf dieser Kohlenbahn wurden die Grubenwagen (Hunde) mit Hilfe einer Kette zwischen den Schachtanlagen hin- und hergezogen. Das Klackern der Kette und das Rumpeln der Wagen war weithin zu hören“, schrieb uns beispielsweise Heinz-Dieter Czichy. Wir sagen danke an alle Leser, die mitgeraten und sich bei uns gemeldet haben!
Heute, resümieren Biedermann und Hagen, sei die „Teckelbahn“ als Landmarke in Herne verschwunden. „Vergessen ist sie aber nicht“, betont der Stadtarchivar.
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