Herne. Die Herner Herdfabrik war über Jahrzehnte ein erfolgreiches und stolzes Unternehmen. Vor 45 Jahren war am Standort der Ofen endgültig aus.
Es waren einflussreiche Bürger, die sich 1897 zusammentaten. Ihr Ziel: die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens. Die Namen der Investoren sind noch heute vielen bekannt, darunter der Kommunalpolitiker Jean Vogel, der Bergrat Otto Hoenig, der Unternehmer Eduard Gessmann und der Kaufmann Julius Meimberg. So entstand die Herner Herdfabrik.
Der korrekte Name lautete zum Start „Herner Herdfabrik, Schaefer & Co.“. So hieß das Unternehmen, das im Februar 1897 ins Handelsregister eingetragen wurde, kurz bevor die aufstrebende Landgemeinde Herne das Stadtrecht erhielt, berichtet Stadtarchivar Jürgen Hagen. Der aus Hamm stammende Julius Schaefer sei erster Geschäftsführer gewesen, als Stellvertreter habe ihm Julius Meimberg zur Seite gestanden. Ihre Fabrik bauten sie am Grenzweg im heutigen Stadtteil Herne-Mitte, auf einem Grundstück, das unter anderem dem Herner Drahtseilfabrikanten Eduard Gessmann jr. gehörte, der fünf Jahre später stellvertretender Geschäftsführer wurde. Bereits im Gründungsjahr, sagt Hagen, sei die Produktion von Kohleherden für den Haushalt angelaufen.
Der Beginn einer Erfolgsgeschichte
Das sei „der Beginn einer Erfolgsgeschichte“ gewesen. 1900 schon sei das Fabrikgebäude erweitert worden, 1909 sei ein Lagerhaus gebaut worden, 1911 ein Bürogebäude. „1913 schließlich gliederte die Firma eine Eisengießerei an, um den eigenen Gussbedarf selbst decken zu können“, erzählt Hagen, der auch Mitglied der Herner Geschichtsgruppe „Die Vier!“ ist. Anfang der 1920er Jahre sei dann die Produktpalette erweitert worden, am Grenzweg seien – nun als „Herdfabrik und Eisengießerei A. G.“ – auch Gasherde, Gaskocher, kombinierte Herde für Kohlen und Gas, Zentralheizungs- sowie Hotelherde hergestellt worden. In den 1950er Jahren schließlich seien Elektroherde sowie Kohle- und Ölöfen hinzugekommen.
Dann aber sei es bergab gegangen. Zwar seien Anfang 1970 mit dem Allgas-Heizofen „Algamat“ und einem Einbau-Nachtstromspeicherofen weitere Neuheiten vom Band gelaufen. „Diese Innovationen“, so der Stadtarchivar, „waren aber schon die ersten Anzeichen für den Niedergang.“ Die letzte Stunde der Kohlenofenproduktion habe Ende 1970 geschlagen, der Absatz sei um sage und schreibe 70 Prozent gesunken. „Öl- und Zentralheizungen liefen den klassischen Öfen mehr und mehr den Rang ab“, erklärt er. Folge: Anfang 1971 sei die Eisengießerei geschlossen worden.
Letztes Produkt: ein Nachtspeicherofen
Nachfahre forschte im Stadtarchiv über seine Familie
Anfang 2010, erzählt Stadtarchivar Jürgen Hagen, kontaktierte Dieter Jungclaussen im Rahmen seiner Familienforschung das Stadtarchiv. Sein Großvater Heinrich Jäger, erzählte Jungclaussen, sei bis in die 1920er Jahre Direktor der Herner Herdfabrik gewesen.
Bei einem E-Mail-Kontakt vor kurzem ging Dieter Jungclaussen dann ins Detail: Mit seiner Mutter hatte er Anfang der 1980er Jahre die ehemalige Herner Herdfabrik besichtigt. Er berichtet, wie enttäuscht sie sich darüber geäußert hatte, was von dem ehemals stolzen Unternehmen noch übrig geblieben war.
Jungclaussen habe sich sicher gezeigt: Wäre sein Großvater nicht so früh gestorben, er hätte bestimmt r echtzeitig eine Modernisierung seiner Produktpalette eingeleitet, und die Geschichte der Herner Herdfabrik hätte damit vermutlich einen ganz anderen Verlauf genommen.
Auch die Produktion der als Pionierarbeit gelobten Nachtstromspeicheröfen habe die Traditionsfirma nicht retten können: „Ofen ist aus – ‚Kohlen‘ alle“ titelte die WAZ am 2. Dezember 1971 und berichtete vom bevorstehenden Aus für die Herdfabrik. „Ausgerechnet an ihrem 75. Geburtstag war das Ende der Traditionsfirma gekommen“, erinnert Hagen. Am 30. März 1972 sei ein mit Blumen geschmückter Nachtspeicherofen als letztes Produkt der Herner Herdfabrik vom Band gelaufen.
Für 35 Mitarbeiter sei es zunächst weiter gegangen, die Gesellschaft für Maschinen- und Elektrobau „Momac“ habe eine Produktionshalle übernommen, um dort Nachtspeicheröfen zu produzieren. „Das Gastspiel dauerte nicht lange, im Juli 1974 wurde die Fertigung eingestellt“, erzählt der Stadtarchivar. An den verwaisten Hallen am Grenzweg wuchert noch heute das Grün.