Herne. Die Stadt Herne plant den Neubau der Herner Feuerwache. Die WAZ hat sich angeschaut, wie sehr die alte Hauptwache aus der Zeit gefallen ist.

Es ist das größte Bauprojekt, das die Stadt Herne jemals selbst gestemmt hat: der Bau der neuen Feuerwache an der Werkshallenstraße. Die Kosten liegen nach jetzigem Stand bei rund 98 Millionen Euro. Nun mag sich mancher in Zeiten knapper Kassen fragen, ob es wirklich notwendig ist, diese riesige Summe zu investieren. Deshalb hat die WAZ einen Rundgang durch die alte Wache an der Sodinger Straße gemacht, um zu sehen, wie groß der Handlungsbedarf ist.

Dazu muss man das Wörtchen „alt“ nur in eine Zahl fassen. Rund 50 Jahre ist die Wache nun in Betrieb, was Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre der neueste Stand der Technik war, ist es längst nicht mehr. Die Gebäude sind aus der Zeit gefallen, das wird an ganz vielen Stellen deutlich. Die Wache sei ein großer Kompromiss, der sich Richtung Provisorium entwickelt, bringen Marco Diesing, stellvertretender Fachbereichsleiter Feuerwehr, und Oberbrandrat Ralf Radloff den Zustand beim Besuch der Herner WAZ-Redaktion an der Sodinger Straße auf einen Nenner. Doch sie betonen zugleich. All die Kompromisse wurden und werden gemacht, um die Einsatzbereitschaft zu 100 Prozent aufrecht zu erhalten.

Ein Beispiel für einen Kompromiss findet sich in der Fahrzeughalle. Darin steht unter anderem ein sogenannter Rüstwagen. Was Laien nicht erkennen können: Die Herner Feuerwehr hat ihn extra auf kleine Räder bauen lassen, damit er durch das Tor passt. Überhaupt diese Fahrzeuge: Im Laufe der Zeit habe sich die Anzahl verdoppelt, was die Feuerwehr vor das Problem stellt, wo man sie hinstellen kann. In der Rettungswache stehen Wagen hintereinander, soll die Hecktür des vorderen aufgemacht werden, muss er erst ein Stück nach vorne rollen. Diesing: „Auch die Rettungswache genügt nicht mehr heutigen Ansprüchen.“

Mit dem Knopf im Vordergrund wird ein Tor des Gebäudes im Hintergrund geöffnet.
Mit dem Knopf im Vordergrund wird ein Tor des Gebäudes im Hintergrund geöffnet. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Andere Fahrzeuge stehen auf dem Hof unter freiem Himmel. Doch der Hof soll einerseits auch Übungsfläche sein, andererseits droht in einem harten Winter wie dem jüngsten das Einfrieren. Deshalb kommen schon mal Heizlüfter zum Einsatz. Und wenn man sieht, dass mit einem Knopf in einem Haus die Garagentür in einem anderen Gebäude geöffnet wird, bekommt man ein gutes Gespür dafür, wie viel Improvisationstalent die Feuerwehrleute aufbringen müssen, um alle Abläufe so geschmeidig zu halten, dass sie innerhalb von acht Minuten nach dem Alarm am Einsatzort sein können.

Die Wache ist verschlungen, was lange Wege mit sich bringt

Auf Grund der - geringen - Größe der Stadt haben die Löschzüge kurze Wege. Für die Wache selbst gilt das überhaupt nicht. Bezeichnet man den gesamten Komplex als verwinkelt, widersprechen Diesing und Radloff nicht. Diese Verschlungenheit liegt unter anderem daran, dass sich die Zahl der Mitarbeiter im Laufe der Jahrzehnte verdoppelt hat. Damit wuchs der Raumbedarf. Die Lösung: Die Feuerwehr breitete sich in die Wohnhäuser, die die Wache einrahmen, aus. Man kann sich vorstellen, dass Wohnungen überhaupt nicht den Anforderungen von Büros entsprechen.

Doch auch in der Wache wurde im Laufe der Zeit vielfach umgebaut. Wo Büros waren, werden nun die Atemschutzgeräte für den nächsten Einsatz aufbereitet, an anderer Stelle dient eine ehemalige Garage als Lagerraum. In der Rettungswache herrscht die suboptimale Situation, dass das Material für die Rettungsfahrzeuge im Keller liegt. Also muss die Besatzung Treppen hinab und hinauf steigen - ein Effizienzfresser.

Blick in die Leitstelle (im Bild vorne rechts Disponent Stephan Beier): Auch dort gibt es einige Kompromisslösungen.
Blick in die Leitstelle (im Bild vorne rechts Disponent Stephan Beier): Auch dort gibt es einige Kompromisslösungen. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Auch in der Leitstelle finden sich Kompromisslösungen: Der Lagedienst sitzt nicht in einem eigenen Büro, sondern hat lediglich ein Stehpult. Und der Stabsraum dient gleichzeitig als Ausbildungsraum. Die Decke droht zwar nicht den Einsatzleitern auf den Kopf zu fallen, doch sie ist sehr niedrig. Das kann ein akustisches Problem werden, wenn viel Betrieb herrscht.

„Wir finden immer Lösungen“, erzählen Diesing und Radloff, aber natürlich können sie den Neubau kaum erwarten. Welches Potenzial die neue Wache haben wird, macht Diesing an zwei Zahlen deutlich: Die alte Wache hat - inklusive der Wohnhäuser - eine Fläche von rund 7000 Quadratmetern, die neue hat knapp 25.000 Quadratmetern. Ob Fahrzeughalle, Leitstelle oder Lager - alles kann optimal angeordnet werden, wobei es für den Bau von Feuerwachen auch Normen und Standards gibt. Doch die Zukunft der neuen Feuerwache beginnt mit einem echten Provisorium: Das Baubüro ist in Containern untergebracht, es war einfach kein Büro mehr frei. Zurzeit wird eine Klimaanlage für den Sommer eingebaut. Noch so eine Kompromisslösung.

>> NEUE WACHE SOLLTE EIGENTLICH 2022 FERTIGGESTELLT SEIN

■ 2022 sollte die neue Herner Feuerwache am ehemaligen Güterbahnhof Horsthausen eigentlich stehen, so besagt es ein Ratsbeschluss von 2017.

■ Nach jahrelangen (erfolglosen) Verhandlungen switchte die Verwaltung auf ein neues Grundstück an der Werkshallenstraße in Horsthausen um und verkündete vor fünf Monaten: Die Feuerwache werde 2024/25 bezogen und koste rund 80 Millionen Euro.

■ Inzwischen veranschlagt die Stadtverwaltung Kosten in Höhe von etwa 98 Millionen Euro. In der Summe sein ein Risikoaufschlag enthalten.