Hattingen. Mit viel Brimborium wird die Schulenburg 1903 als Hattingens gute Stube eingeweiht. Doch schon am ersten Tag steht sie vor der ersten Krise.

Willkommen in der guten Stube der Stadt! Am Himmelfahrtstag 1903 wird am Eingang zum Schulenbergwald ein rauschendes Fest gefeiert: Es ist die Einweihung der Schulenburg und schon nach wenigen Stunden gibt es die erste Krise – denn es ist so voll, dass fast das Bier ausgeht.

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Doch zum Glück kann Schankwirt Peter Reichert „seinen schon um 6 Uhr nachmittags zur Neige gegangenen großen Vorrat noch rechtzeitig erneuern“, berichtet die Hattinger Zeitung anschließend. „Das Glas Dortmunder (1/4 Liter) kostet 10 Pfennige. Auch der Schulenburg-Kaffee war gut.“

Hattingens Bürgermeister Eigen stellt in seiner Eröffnungsrede an diesem 21. Mai 1903 zufrieden fest, dass selbst bei den Gegnern „ihr damaliges Vorurteil gegen das Vorhaben geschwunden“ sein müsse. Eigen ruft überschwänglich: „Meine Herren! Das erste Hoch, das in diesen Räumen erklingt, es gelte ihm, dem Friedenskaiser!“

Blick in den großen Saal der Schulenburg, aufgenommen etwa im Jahr 1938.
Blick in den großen Saal der Schulenburg, aufgenommen etwa im Jahr 1938. © Sammlung Wojahn

Ein Jahr zuvor hatte der Stadtrat den Bau des Waldrestaurants am Stadtwald beschlossen. Betuchte Bürger, die sich schon lange eine solche gute Stube für die Stadt gewünscht haben, zeigen sich spendabel und machen den Bau möglich. Eine große Freitreppe führt vom Schützenplatz hinauf zum Park vor dem Ausflugslokal. Hier steht auch der Gedenkstein, der an die Stadtgründung im Jahr 1396 erinnert (eingeweiht am 18. Oktober 1896 durch Bürgermeister Falke anlässlich der Hattinger 500-Jahr-Feier).

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Nur wenige Schritte in den Wald hinein, rechts an der Schulenburg vorbei, ist am 1. April 1901 der elf Meter hohe Bismarckturm eingeweiht worden.

Mit dem Bismarckturm ein beliebtes Ausflugsziel

Nach dem Tod des Reichskanzlers Otto Fürst von Bismarck hat der Stadtrat bereits 1899 beschlossen, einen Aussichtsturm auf dem Felsen Hohenstein im Schulenberg (182 m über NN) zu errichten. Kosten: 8000 Mark. Den Anstoß hierzu gibt die Spende von 1000 Mark des renommierten Kaufmanns Robert Hill anlässlich seiner Wahl zum Bürgermeister. Und zu Bismarcks Geburtstag wird der aus Ruhrsandstein gebaute Turm eröffnet. Gemeinsam bilden Bismarckturm und Schulenburg schnell ein beliebtes Ausflugsziel, hoch über den noch wenigen Dächern der Südstadt.

Die Schulenburg von oben, samt des schönen Parks, den betuchte Bürger anlegen ließen.
Die Schulenburg von oben, samt des schönen Parks, den betuchte Bürger anlegen ließen. © Stadtarchiv

Im Jahre 1905 wird der große Saal mit zwei großen, gusseisernen Kanonenöfen angebaut. Neben ihrer Funktion als Wärmequelle dienen sie auch als dekoratives Element. Im Saal finden Fest-Veranstaltungen statt, Jubiläen und Hochzeiten werden gefeiert. Kein Zweifel, die Schulenburg ist über Jahrzehnte eine der besten Adressen der Stadt. Bei besonderen Anlässen parken gleich mehrere Kutschen auf dem Schützenplatz.

Güterzug mit rund 40 beladenen Kohlen-Waggons

Doch manchmal rumpelt und ruckelt es im großen Saal auch – denn tief unter dem Gebäude führt die Eisenbahnstrecke Hattingen-Wuppertal durch den Schulenbergtunnel. Und wenn die schwere Dampf-Lokomotive den Güterzug mit rund 40 beladenen Kohlen-Waggons über die leichte Steigung nach Sprockhövel zieht, sorgt das für gewaltigen Nachhall. Ist die Lok wieder aus dem Tunnel heraus, quillen noch einige Zeit Dampf und Rauch aus der Steinröhre zum Himmel.

Die Küche der Schulenburg wird vergrößert und unterm Dach werden Fremdenzimmer eingerichtet. Der

Über die Kubischu

Als die Schulenburg 1985 mal wieder leer steht, wollen Kulturschaffende die „gute Stube“ retten und gründen am 12. Juni die „Kultur- und Bildungskooperative Schulenburg“ (Kubischu).

Das Gebäude wird zwar nicht übernommen, aber die Kubischu wird über die Jahrzehnte zu einem kulturprägenden Verein in der Stadt. Zum 25-Jährigen fusioniert sie 2010 mit dem Förderverein des Stadtmuseums.

Laden brummt. Die Gäste kommen und gehen, dasselbe gilt aber auch für die Pächter. Die längste Zeit bleibt Erna Wegemann, die das Hotel-Restaurant 1958 übernimmt und bis Anfang der 1980er-Jahre führt. Dann fehlen auch ihr die Millionen für eine nötige Sanierung. Konstant bleibt nur der Wechsel – bis zum Restaurant „Zwölf Apostel“, das heute hier betrieben wird.

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