Hattingen. Hattingen, Südstadt: Unvermittelt sticht ein Familienvater im Dezember 2012 auf Frau und Kinder ein. Sie werden lebensgefährlich verletzt.
Es war „eine Orgie der Gewalt“, das wird später beim Prozess vor dem Schwurgericht deutlich. Familienvater Mehmet Ali Ö. (42) sticht am späten Abend des 4. Dezember 2012 in der Südstadt mit einem Messer auf seine Ehefrau (44), die beiden Töchter (21, 20) und den Sohn (17) ein, immer wieder. Erst als ein Nachbar und der Sohn des Täters sich selbst mit Messern bewaffnen, hört der Mann endlich auf. Die Nachbarschaft ist entsetzt.
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Die fünfköpfige Familie lebt erst seit kurzem in Hattingen. Sie ist aus der Provinz Erzurum in der Türkei ins Ruhrgebiet gekommen, Vater und Kinder wurden in Karayazı geboren, die Mutter in Hınıs. Kontakt zu den Nachbarn gibt es nicht. „Ich hatte das Gefühl, dass der Vater keinen Kontakt zu uns Nachbarn gesucht hat“, so ein Mann zur WAZ. Die Mutter sei etwas zugänglicher gewesen. „Aber wenn von der einen Seite kein Interesse kommt, gibt man irgendwann einfach auf.“
An diesem Dienstagabend entflammen die schon länger schwelenden Familienkonflikte wieder. Dem Vater gefallen die finanziellen Gebaren sowie die seiner Meinung nach viel zu freizügige und zu westlich orientierte Lebensweise seiner Kinder nicht.
Wegen eines Schecks sticht er unvermittelt zu
Es geht diesmal um einen Scheck über 190 Euro, den die 20-jährige Tochter angeblich zu unrecht eingelöst habe. Mehmet Ö. gibt sich väterlich, legt den Arm um ihre Schulter gelegt und geht mit ihr in einen anderem Raum: „Komm, Mädchen, lass uns reden.“ Dann sticht er völlig unvermittelt mehrfach auf sie ein. „Er wollte ihr zeigen, welche Macht er als Vater hat, ihr von hinten die Kehle durchzuschneiden“, sagt Richter Andreas Labentz, Vorsitzender des Essener Schwurgerichts. Sie wehrt sich, der Schnitt geht vom Ohr quer übers Gesicht, öffnet ihre Mundhöhle. Der Vater trifft sie noch weitere fünf Mal.
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Als die Ehefrau, die andere Tochter und der Sohn dazukommen, sticht er auch auf sie ein – in Bauch, Herz und Leber, bis sie lebensgefährlich verletzt sind. Schäden bleiben, körperliche und seelische.
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Als „einen Hund“ bezeichnet die Frau ihren Mann beim Haftrichter. „Ich habe ihn verflucht, dass er für 200 Euro seine Familie zerstört“, sagt sie beim Prozess. Ob er „wie von Sinnen“ war, fragt Ö.s Verteidiger Gregor Hanisch. Nein, sagt sie, „wie wenn er ein Lamm schlachtet“.
Rettungskräfte aus Hattingen, Bochum und Witten
Nach dem Notruf eines Nachbarn („Es ist etwas Schreckliches passiert, es gibt viel Blut“) kommen Rettungskräfte aus Hattingen, Bochum und Witten an, auch der private Rettungsdienst MedCare Professional aus Niederwenigern wird hinzugerufen. Ein Rettungshubschrauber muss wegen des schlechten Wetters wieder abdrehen.
Umzug nach Berlin und gute Wünsche der Nachbarn
Die Ehefrau und die drei Kinder sind nach der ersten Reha nach Berlin umgezogen. Ein Verwandter berichtet, sie seien in Hattingen nicht mehr sicher gewesen, weil andere Kurden sie gedrängt haben, den Angeklagten nicht zu belasten. Die Gedanken der Südstädter sind nach der Tat bei den Betroffenen: „Man kann nur hoffen, dass sich die Frau und die Kinder schnell erholen“, so ein Nachbar. „Die körperlichen Wunden können heilen, aber die seelischen? Ich hoffe es sehr.“
Sie sehen ein „beispielloses Blutbad“, wie es Hanisch später bezeichnet, durch schnelles Handeln retten sie aber die Menschenleben.
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„Er war ein Familientyrann“, sagt Richter Labentz. „Er hat ganz schwere Schuld auf sich geladen.“ Einen „schicksalhaften Tag für die ganze Familie“ sieht Staatsanwalt Joachim Lichtinghagen. Er zeichnet das Bild eines Mannes, der in kurdischer Tradition aufgewachsen ist, der sich nur im Kreis seiner Landsleute bewegt. Auf „sittlich niedrigster Stufe“ habe er bei der Tat seine Macht durchsetzen wollen.
Unbewegt sitzt er beim Urteilsspruch
Mehmet Ali Ö. wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordversuchs (mit den Mordmerkmalen Heimtücke und niedrige Beweggründe) in vier Fällen verurteilt. Er nimmt das Urteil unbewegt entgegen.
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