Duisburg. Maan D. schlachtete ihren Sohn in Duisburg mit 28 Messerstichen ab. Für Karin und Ali D. ist der 27-Jährige ein „Teufel“. Der Schmerz der Eltern.

Ali D. windet sich, greift sich immer wieder ans Herz und flucht leise vor sich hin. Sein Blick fixiert im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandgerichts Maan D.. Den Mann, der seinen ältesten Sohn Irfan in der Nacht zum 9. April in der Duisburger Altstadt mit 28 Messerstichen regelrecht abschlachtete, weil er laut Generalbundesanwaltschaft „Ungläubige“ töten wollte. Der Prozessauftakt offenbarte schonungslos, welches Leid die Taten des 27 Jahre alten Syrers den Opfern und ihren Familien brachten.

„Für Ali und seine Frau Karin waren die letzten Monate und Wochen schlimm – sehr schlimm“, sagt Nurettin Kazan. Der 63-Jährige ist der Onkel des Toten Irfan und Cousin von Ali. Er hat seine Verwandten in der schweren Zeit begleitet. Im Gerichtssaal sind sie durch Sicherheitsglas getrennt. Denn: Das Ehepaar tritt in dem Terrorprozess als einer von vier Nebenklägern auf.

Nach Angaben von Nurettin Kazan wollen sie an allen Verhandlungstagen in Düsseldorf vor Ort sein. Vor dem ersten Aufeinandertreffen mit Maan D. hätten sie Angst gehabt. Aber: „Sie wollten ihn unbedingt sehen“, so Kazan. Als der Syrer beim Betreten des Gerichtssaals mit dem Zeigefinger ein stummes Bekenntnis zur Terrororganisation Islamischer Staat abgibt, schimpfen Verwandte und Freunde von Irfan im Zuschauerraum. „Dein Ernst?“, ruft einer von ihnen laut.

Messerattacken von Duisburg: Eltern des toten Irfan leiden im Prozesssaal

Bei der Verlesung der Anklage tippelt Ali D. pausenlos nervös mit einem Fuß auf den Boden. Seine Frau Karin presst die Lippen zusammen, streicht ihrem Mann über die Schulter. Als Anklagevertreter Jochen Weingarten bei der Anklageverlesung die Details über die Bluttat im Bereich der Klosterstraße verliest und zu den tödlichen Stichen kommt, ist die Anspannung und der Schmerz der Eltern fast greifbar.

„Wir können es alles nicht begreifen und finden als Familie keine Antwort“, berichtet Nurettin Kazan. Irfan habe doch niemandem etwas getan. Der gelernte Schweißer aus dem Stadtteil Wanheimerort war das älteste von fünf Kindern. Besonders tragisch: Bereits vor zehn Jahren ertrank Irfans kleiner Bruder im Rhein. Von einem Ausflug mit Freunden an den Fluss kehrte er nie zurück. Ein Freund hatte ihn im Übermut in den Strom geschubst. Der Junge wurde nur 13 Jahre alt. Die beiden Brüder liegen auf dem Waldfriedhof nur gut 50 Meter voneinander entfernt beerdigt.

[Ein Fingerzeig als IS-Bekenntnis: Hier geht es zum ausführlichen Bericht aus dem Gerichtssaal]

Sein Cousin habe nach dem Verlust des zweiten Sohnes viel Gewicht verloren. Zwei Herzinfarkte habe er in den vergangenen Jahren bereits erlitten.

Ali D. schäumt vor Wut und bezeichnet Maan D. als „Teufel“

Ali D. stellt sich nach dem ersten Verhandlungstag den Journalisten und Kamerateams. Zu diesem Zeitpunkt schäumt er vor Wut. Den 27-Jährigen bezeichnet er als „Bestie“, „Teufel“, einen „Mörder“. Sein Sohn sei kein „Ungläubiger“ gewesen. Nurettin Kazan zieht ihn schließlich weg und geht mit Ali und Karin D. zum Parkplatz.

Als „Teufel“ und „Bestie“ bezeichnete der Vater des Toten den angeklagten Maan D..
Als „Teufel“ und „Bestie“ bezeichnete der Vater des Toten den angeklagten Maan D.. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Neben den Eheleuten sind noch drei weitere Opfer als Nebenkläger in dem Prozess involviert. Es handelt sich um drei der vier attackierten Sportler aus dem Duisburger John-Reed-Fitnessstudio. Maan D. verletzte sie neun Tage nach dem tödlichen Angriff auf Irfan D. in der Herrenumkleide und dem Duschbereich des angesagten Fitnessclubs lebensgefährlich.

Am heftigsten von ihnen erwischte es Yasin. Ihm rammte der Messerangreifer die Klinge in die Seite. Drei Monate kämpfte der junge Oberhausener in Kliniken ums Überleben, zehnmal wurde er operiert. Die Ärzte mussten unter anderem eine Niere und die Gallenblase entfernen. Yasin ringt seit seiner Entlassung um ein selbstbestimmtes Leben. Es ist ein harter Kampf.

Von Maan D. lebensgefährlich verletzt: Kann Yasin (21) aussagen?

Eine funktionierende Niere hat der Lehramtsstudent nicht mehr. Dreimal die Woche muss er für fünf Stunden zur Dialyse. Eine lebensnotwendige Prozedur. Yasin hat außerdem einen künstlichen Darmausgang. Der 21-Jährige, der früher fast täglich über zehn Kilometer joggte, tut sich heute beim Treppensteigen extrem schwer und muss sich umständlich waschen. Ihn plagen Schlafstörungen und Angstzustände. Gemeinsam mit seiner Mutter Nicole boxt sich der 21-Jährige durch, Tag für Tag. „Yasin nimmt sein Schicksal an“, sagt die Mutter.

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Zum Prozessauftakt nach Düsseldorf ist das Duo nicht gekommen. „Für Yasin wäre das aktuell zu viel – physisch und psychisch“, erklärt seine Anwältin Kirsten Etzbach. Einmal muss der junge Mann nach derzeitigen Planungen jedoch im Gerichtssaal erscheinen und Maan D. gegenübertreten. Am 20. November ist Yasin als Zeuge geladen.

Ob sein Gesundheitszustand eine Aussage jedoch zulässt, ist aktuell ein Fragezeichen.

>>Prozess gegen Maan D.: Urteil könnte im Januar fallen

  • Maan D. ist wegen Mordes, dreifachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, Anhänger der radikal-islamistischen Ideologie der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) zu sein.
  • Die Beweislast gegen den 27-Jährigen, der 2016 als Asylbewerber nach Deutschland kam, ist erdrückend. Unter anderem entdeckten Kriminaltechniker an seinem Schuh sowohl DNA-Material des erstochenen 35-Jährigen als auch von Opfern aus dem Fitnessstudio.
  • In dem Terrorprozess sind insgesamt 18 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte im Januar fallen.

Artikel über die Messer-Angriffe von Maan D. in Duisburg:

Berichte bis Ende April:

Artikel, die vor dem Angriff im Fitnesscenter John Reed veröffentlicht wurden: