Duisburg. Duisburgs Polizeipräsident kann verstehen, dass der Angriff im John Reed die Bürger schockiert. Wie er die Sicherheit in der Altstadt bewertet.
Fast ein Jahr nach der Schießerei auf dem Hamborner Altmarkt hat die Messer-Attacke im John-Reed-Fitnesscenter Duisburg erneut mit einer ungewöhnlichen Gewalttat in die Negativschlagzeilen gebracht. Zu den aktuellen Ereignissen äußert sich nun der Polizeipräsident.
Dienstagabend in Duisburgs Stadtmitte: Viele schwer bewaffnete und maskierte Spezialkräfte sind auf der gesperrten Schwanenstraße unterwegs. Rund um die Altstadt sind die Straßen voller Polizeifahrzeuge. Auf den Dächern haben sich Scharfschützen positioniert. In zivilen Wagen rasen immer mehr Einsatzkräfte an den Tatort. Ein Hubschrauber steht stundenlang in der Luft.
Messerattacke im John-Reed-Fitnessstudio: Einschätzungen von Duisburgs Polizeipräsident
Es ist ein Szenario, das nicht nur bei Anwohnern, sondern auch bei vielen Duisburgerinnen und Duisburgern nachhaltigen Eindruck hinterlassen dürfte. Die Messerattacke ist das Gesprächsthema in der Stadt. Viele Menschen schildern ihre Sorgen, ihr Sicherheitsgefühl hat gelitten. Zumal: Nur wenige hundert Meter von dem Fitnessstudio entfernt stach ein Unbekannter am Osterwochenende in der Dunkelheit auf einen 35-Jährigen ein. Der Mann starb kurz darauf im Krankenhaus. In beiden Fällen ist der Täter noch nicht gefasst.
Polizeipräsident Alexander Dierselhuis hat schriftlich auf Fragen unserer Redaktion geantwortet – dabei geht es um die Angriffe und die Folgen für die Bevölkerung.
Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte auf der Straße und ein Täter auf der Flucht – was macht das mit dem Sicherheitsgefühl der Duisburger?
Alexander Dierselhuis: Ich kann verstehen, dass eine solche Gewalttat die Bürgerinnen und Bürger schockiert – und auch verunsichert, vor allem, wenn der Täter noch nicht festgenommen wurde. Die Kriminalpolizei hat sofort umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Zum Motiv der Tat liegen bislang keine Anhaltspunkte vor. Die massive polizeiliche Präsenz in der Innenstadt Minuten nach der Tat – es waren auch Spezialeinheiten und ein Polizeihubschrauber im Einsatz – haben dazu geführt, dass wir schnell die Situation unter Kontrolle hatten. Wir haben Personalien von mehr als 100 Menschen festgestellt, die als Zeugen infrage kamen. Jetzt hat es höchste Priorität, den bislang unbekannten Täter zu identifizieren und festzunehmen.
Welche Faktoren beeinflussen generell das subjektive Empfinden?
Das subjektive Sicherheitsgefühl orientiert sich selten an objektiven Fakten und Daten – oftmals steht es sogar im Widerspruch dazu. Warum Bürgerinnen und Bürger sich sicher oder unsicher fühlen, wird von vielen Faktoren beeinflusst. Das können persönliche Erfahrungen oder ein individuelles Empfinden sein: Der eine hat Angst vor einsamen Straßen, der andere vor vielbefahrenen. Aber auch mediale Berichterstattungen oder sich selbst überholende Nachrichten auf Social-Media-Kanälen haben ihren Einfluss darauf. Ich nehme das subjektive Sicherheitsgefühl, die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sehr ernst. Deshalb ist die Polizei 24/7 für die Sicherheit der Duisburgerinnen und Duisburger im Einsatz – uniformiert, in Zivil, präsent auf der Straße oder bei Ermittlungen im Hintergrund. Da, wo sich Brennpunkte ergeben, bündeln wir unsere Kräfte.
Was kann die Polizei in der jetzigen Situation tun, um das Sicherheitsgefühl zu stärken? Sind konkrete Maßnahmen ergriffen worden?
Präsenz ist ein mächtiges Werkzeug: Wir schauen – nicht nur in der Innenstadt – mit Streifenwagen, Fußstreifen und zivilen Polizisten nach dem Rechten und sind für Bürgerinnen und Bürger ansprechbar. Die Überführung von Tätern ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe, die dazu beiträgt, das Sicherheitsgefühl zu stärken. So haben wir im letzten Jahr in der Innenstadt drei jugendliche Intensivtäter festgenommen, die für eine ganze Palette an Straftaten verantwortlich waren und inzwischen auch rechtskräftig verurteilt worden sind. Im aktuellen Fall arbeiten viele Ermittler in einer Mordkommission, die alles daran setzt, möglichst bald den Tatverdächtigen festzunehmen.
Zwei Messerangriffe in der Altstadt innerhalb von rund zehn Tagen: Ist die Altstadt ein gefährlicher Ort?
Der Angriff im Fitnessstudio hätte vermutlich auch an jedem anderen Ort stattfinden können. Beim Fall vom Ostersonntag war es so, dass das Tatopfer erst auf einer privaten Party war und später auf der Straße attackiert wurde. Die Ermittler gehen nicht davon aus, dass diese Taten in einem Zusammenhang stehen und sich eher zufällig in zeitlicher und räumlicher Nähe ereigneten. Gleichwohl wird bei einem Blick in unsere Kriminalstatistik deutlich, dass es die meisten bekannten Straftaten im Dellviertel und in der Altstadt gibt. Das hängt mit den örtlichen Gegebenheiten zusammen (Ballung von Anwohnern, Besuchern, Touristen und Geschäften im Zentrum der Stadt), aber auch damit, dass hier viele Veranstaltungen stattfinden – Innenstadtfeste, Aktionsmärkte, Demonstrationen, der Weihnachtsmarkt. Innenstadt und Altstadt sind deshalb nicht weniger sicher als andere Ortsbezirke. Man kann Stadtteile nicht beliebig miteinander vergleichen – dafür unterscheiden sie sich zu sehr durch Fläche, Einwohnerzahl und Bevölkerungsstruktur.
Wurde/wird über eine temporäre Videoüberwachung wie im Fall des Hamborner Altmarkts nachgedacht?
Für uns steht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie im aktuellen Fall die Ergreifung des Täters an oberster Stelle. Was die Videobeobachtung angeht, schauen wir uns an, welche Maßnahmen sinnvoll und rechtlich umsetzbar sind. Wir können und dürfen nicht die gesamte Altstadt und jede Ecke des Dellviertels mit einer Videoanlage ausstatten – schon gar nicht private Räume oder ein Fitnessstudio. Zielführender sind in der aktuellen Situation präsente Polizeikräfte, die sofort eingreifen können, und akribische Ermittlungen, die zur Aufklärung von Straftaten und zum Ergreifen der Tatverdächtigen führen.
>> Dierselhuis leitet seit April 2022 die Polizei Duisburg
- Seit dem 1. April 2022 ist Alexander Dierselhuis der Polizeipräsident in Duisburg. Er gilt als Experte im Kampf gegen organisierte Kriminalität.
- Vor seinem Wechsel nach Duisburg war der gebürtige Neusser unter anderem als Geschäftsführer der Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ unter dem Vorsitzenden Wolfgang Bosbach und als Polizeipräsident in Oberhausen tätig.