Duisburg. Einer von 11.700: Khaled Al Mnofie ist Syrer, eingebürgerter Duisburger, Familienvater und Informatiker. Was die Messerattacke für ihn bedeutet.

Man sieht ihm an, dass ihn die Messerstecherei in einem Duisburger Fitnessstudio und die Verdächtigung eines Syrers als Täter mitgenommen hat. „Das tut mir sehr weh“, sagt Khaled Al Mnofie.

Der Duisburger ist gebürtiger Syrer und arbeitet als IT-Administrator. Seit er vor acht Jahren nach Deutschland flüchtete, lernte er in Windeseile Deutsch und unterstützt seither ehrenamtlich die Bürgerplattform DU-aktiv, fungiert als Dolmetscher und kennt daher viele seiner Landsleute. Er ist ein besonnener Mensch, seine Worte wählt er mit Bedacht.

Nach der Messerattacke in Duisburg: „Wir sind alle Opfer dieser Tat“

Für alle 11.700 Syrerinnen und Syrer in Duisburg kann er nicht sprechen. Er ist sich aber sicher: „Wir sind seit acht Jahren Teil dieser Gesellschaft und wir sind alle Opfer einer solchen Tat.“ Der Täter sei „kein vernünftiger Mensch“, findet Al Mnofie. „Wir alle wollen wissen, was er wohl gedacht hat.“ Leider würden Millionen Deutsche auf den einen schlechten Menschen gucken, die vielen Guten würden untergehen. „Ich mache mir jedes mal Sorgen, wenn ich von einer Gewalttat höre.“ Rassistisch sei er persönlich zum Glück noch nie angegangen worden.

Wie gut die Geflüchteten in Deutschland angekommen sind, spürt er unter anderem daran, dass der Übersetzungsbedarf geringer wird. Wer in den ersten Jahren noch keine Sprachkurse besuchen konnte, habe das inzwischen getan. „Die meisten sind auf dem richtigen Weg“, beobachtet Al Mnofie.

Der Weg führe für die allermeisten nicht zurück in das kriegsgebeutelte Heimatland. Zwei seiner Kinder waren bei der Flucht zu klein, das dritte ist in Duisburg geboren. Sie kennen weder Land noch Regime noch die zurückgebliebene Familie, erklärt der Vater, für sie ist Duisburg ihr Zuhause. Auch Al Mnofie selbst könnte sich allenfalls nach einem Regimewechsel vorstellen, „im Rentenalter mal den Urlaub dort zu verbringen“.

Seit den beiden Messerangriffen ist die Altstadt in Duisburg in Verruf geraten. Und weil es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Syrer handelt, sind dessen Landsleute für manche Menschen unter Generalverdacht.
Seit den beiden Messerangriffen ist die Altstadt in Duisburg in Verruf geraten. Und weil es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Syrer handelt, sind dessen Landsleute für manche Menschen unter Generalverdacht. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Viele Syrerinnen und Syrer sind vom Leben in einer Diktatur tief geprägt

Was noch fehlt, ist eine syrisch-muslimische Moscheegemeinde. Die meisten Gläubigen gehen daher in türkische oder marokkanische Gemeinden zum gemeinsamen Gebet, so auch Al Mnofie selbst.

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Ansätze, einen Verein oder eine Gemeinde zu gründen, seien bis jetzt nicht erfolgreich gewesen. Den Syrer wundert das nicht: „Wir kommen aus einer Diktatur, wir haben nie Demokratie erlebt, nie gelernt, aktiv zu werden oder unsere Meinung zu sagen“, erklärt der Sprachmittler. Das Regime habe viele zutiefst geprägt, sie müssten erst lernen, von der Basis her aktiv zu werden. „Schon einen Gedanken laut auszusprechen, hätte in Syrien schlimme Folgen gehabt“, verdeutlicht Al Mnofie, „das Volk hatte nichts zu sagen“. Der 44-Jährige empfindet es so: „Wir sind hier wiedergeboren!“

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Angst vor Behörden spürbar

Die tief verankerte Angst vor Behörden bereite auch Probleme bei der beruflichen Orientierung. Viele der Geflüchteten seien gut ausgebildet, scheitern aber bis heute an den bürokratischen Vorgaben zur Anerkennung von akademischen Abschlüssen, hat Al Mnofie im Freundeskreis und bei seiner Arbeit für DU-aktiv beobachtet. Anfangs, als das Jobcenter ihn als Hilfsarbeiter einsetzen wollte, habe der Informatiker sein Schicksal schnell selbst in die Hand genommen. Damit ist er eher die Ausnahme.

In den Stadtvierteln kenne man seine Landsleute, glaubt der Syrer. „Wir sehen uns in Geschäften, auf dem Markt, im Bus.“ Eine klare Haltung hat er gegenüber radikalen Syrern, die die Haltung des IS teilen: „Diese Ansichten muss man eindeutig verurteilen.“ Schon der Umgang mit Frauen und Kindern sei bei den Extremisten „komplett falsch“.

Das denkt er über die Haltung von Rechtsextremisten im übrigen auch. Jene Radikalen seien genau so schlimm, die Gesellschaft tue das in seiner Wahrnehmung nur häufig als Einzelfall ab, als Tat eines psychisch Kranken“, findet Al Mnofie. Viele Menschen hätten große Angst vor dem Islamismus und nicht jedem gelinge dabei die Trennung zum muslimischen Glauben.

Seinen Optimismus will er sich bewahren, dem aktuellen Fall und ausländerfeindlichen Haltungen zum Trotz. „Ich sehe ein schönes Bild von meiner Zukunft hier vor mir.“

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>>DAS IST DIE BÜRGERPLATTFORM DU-AKTIV

  • Die Bürgerplattform DU-aktiv wurde 2020 gegründet. Ziel ist die Vernetzung von Vereinen und Gruppen aus ganz Duisburg und das gemeinsame Anpacken und Probleme lösen. „Nicht meckern, sondern machen!“ lautet das Motto.
  • Inhaltlich liegen die Schwerpunkte für Unterstützungsangebote derzeit bei der Kitaplatz-Versorgung, bei Problemen mit Behörden, der Unterstützung der Frauenhäuser und der Afrika-Siedlung.
  • Weitere Infos auf der Webseite https://www.du-aktiv.de/