Duisburg-Altstadt. Duisburgs Altstadt macht wegen eines blutigen Verbrechens Schlagzeilen. Anwohner sorgen sich schon lange um ihren Stadtteil. Was sie kritisieren.

„Das Leben in der Stadtmitte wird immer unangenehmer.“ Das sagt eine Duisburgerin, die seit vielen Jahren in der Altstadt lebt. „Ich gehe nur noch ungern in die Stadt. Schon gar nicht ohne Ziel.“ Am Dienstag wurden in ihrer direkten Nachbarschaft bei einer blutigen Messerattacke im Fitnessstudio „John Reed“ mindestens drei Menschen lebensgefährlich verletzt. „Ganz, ganz schlimm ist das“, findet die Anwohnerin der Klosterstraße.

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Der Name der Frau ist der Redaktion bekannt. Sie möchte aber nicht öffentlich genannt werden, auch um in der Nachbarschaft nicht als Nörglerin dazustehen. Sie wohnt gerne in Duisburg. Aber sie macht sich Sorgen – nicht nur wegen der aktuellen Geschehnisse in ihrem Viertel.

In einem Brief an Oberbürgermeister Sören Link erklärt die 64-Jährige, was ihr im Alltag zu schaffen macht: „Dass unsere schöne historische Altstadt nicht wie in anderen Städten ein touristischer Anziehungspunkt ist. Sondern immer mehr zur No-Go-Area verkommt.“

Duisburger Stadtteil Altstadt: Anwohner machen sich Sorgen

Dazu schildert sie mehrere Erfahrungen, die sie unlängst vor ihrer Haustüre gemacht hat. So sei sie bei einem Spaziergang über die Königstraße zwischen Lifesaver-Brunnen und Bauernmarkt „fünfmal angebettelt“ worden. „Umringt von einem Fifty-fifty-Verkäufer, einem offenbar Alkoholkranken und einer augenscheinlich Drogenabhängigen konnte ich entscheiden, wem ich denn mein Geld schenken sollte.“

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Ein Mann sei einem Paar bettelnd hinterhergelaufen, das offensichtlich einen Stadtbummel machen wollte. Er habe „nur zehn Euro“ verlangt. „Denken Sie, dass dieses Paar noch einmal einen Ausflug in die ‚schöne‘ Duisburger Innenstadt macht?“ fragt sie. Es ist rhetorisch gemeint.

Im Duisburger Kantpark trifft sich die Trinker- und Drogenszene.
Im Duisburger Kantpark trifft sich die Trinker- und Drogenszene. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Auch andere Altstadt-Bewohner sind genervt von Menschen, die in der Duisburger Innenstadt betteln und trinken. „Nehmen Sie 100 Euro in die Hand – wenn sie jedem etwas geben, kommen Sie damit nicht von der Münzstraße bis zum Hauptbahnhof“, beklagt sich eine Anwohnerin der Venusgasse gegenüber der Redaktion.

„Die pinkeln zwischen unsere Mülltonnen“

Die 56-Jährige, die anonym bleiben möchte, ist „mehr als sauer“ über die Zustände in ihrer Nachbarschaft. „Die pinkeln hier immer wieder zwischen unsere Mülltonnen. Und nicht nur das: Letztens ging ich über die Königstraße, da sah ich, wie ein Mann gerade sein großes Geschäft am Schaufenster der Apotheke verrichtete.“

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Ihre Freundin, die seit 18 Jahren am Kuhlenwall wohnt, pflichtet der Frau bei. „Bei uns gegenüber schläft ein obdachloses Pärchen, das ich immer sehe, wenn ich aus dem Fenster schaue, selbst beim Geschlechtsverkehr“, beschreibt die 73-Jährige. „Die beiden leben hier schon seit vergangenem Jahr, und sie hinterlassen überall ihre Fäkalien, die Frau auch ihre Binden, wenn sie ihre Menstruation hat.“ Polizei und Ordnungsamt seien schon mehrfach gerufen worden.

„Wir haben schon so oft die Polizei gerufen, aber es tut sich einfach nichts“

Tatsächlich sind Personen, die etwa am Schäferturm, im Kantpark oder an der Bahnhofsplatte öffentlich Drogen konsumieren, trinken oder „aggressiv betteln“, den Händlern und Immobilienbesitzern seit langer Zeit ein Dorn im Auge. „Wir haben schon so oft die Polizei gerufen, aber es tut sich einfach nichts“, beklagten unlängst Anlieger und Geschäftsleute der Hohe Straße in einem Schreiben an den Oberbürgermeister.

Händlern und Immobilienbesitzern sind Personen, die zum Beispiel am Lifesaver-Brunnen öffentlich Drogen konsumieren oder trinken, schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge.
Händlern und Immobilienbesitzern sind Personen, die zum Beispiel am Lifesaver-Brunnen öffentlich Drogen konsumieren oder trinken, schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Auch die Anwohnerin der Klosterstraße fordert Sören Link in ihrem Brief auf, „endlich etwas gegen den Verfall unserer ehemals schönen Stadt“ zu tun. „Sonst ziehen immer mehr Bürger fort und suchen ihr Heil an einem schöneren Ort“, schreibt die Frau.

Attraktives Lebensumfeld für alle Duisburger

Die Stadt nimmt die Sorgen der Anwohner nach eigenen Angaben „sehr ernst“. Grundsätzlich sei man der Auffassung, dass Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung konsequent geahndet werden müssten, und wolle für alle Bürgerinnen und Bürger ein attraktives Lebensumfeld schaffen. „Allerdings ist es auch wichtig zu betonen, dass es hier um alle Menschen gehen soll, unabhängig davon, ob sie suchtkrank, obdachlos oder in anderer Weise gehandicapt sind“, erklärt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.

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Natürlich sei das Einhalten von „Spielregeln“ notwendig. „Wo es nicht funktioniert, setzen ordnungsrechtliche und polizeiliche Maßnahmen an. Dazu arbeiten Polizei, Bürger- und Ordnungsamt sowie die Suchthilfe eng zusammen.“

Streetworker und Mitarbeiter des SAD sind im Einsatz

Verschiedene Maßnahmen – wie zum Beispiel der Einsatz von Streetworkern und Aktionswochen unter dem Motto „Null-Toleranz / ordnungsrechtliche Präsenz im Ortsteil“ – seien bereits auf den Weg gebracht worden. Unter anderem zeige der städtische Außendienst (SAD) des Bürger- und Ordnungsamtes in der Duisburger Innenstadt verstärkt Präsenz. Würden Passanten belästigt oder andere Ordnungswidrigkeiten festgestellt, könnten Platzverweise ausgesprochen werden. „Jedoch ist es oftmals so, dass keine Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden, wenn uniformierte Kräfte gesichtet werden“, so Hiedels.

Drogenkonsumraum soll in der Innenstadt entstehen

Nicht zuletzt sei die Einrichtung eines Drogenkonsumraums geplant. Mit dem sogenannten Druckraum soll den Suchtkranken ein Angebot gemacht werden – mit dem Ziel, dass weniger Drogen in der Öffentlichkeit konsumiert würden, erklärt Hiedels. Auch durch diese Maßnahme solle sich die Lage im Stadtteil Altstadt perspektivisch verbessern.

Den Altstadt-Bewohnern reicht das nicht: „Herr Link weiß ja gar nicht, wie es hier wirklich ist. Er soll mal für ein paar Wochen hierher ziehen. Dann erfährt er am eigenen Leib, wie wir leben“, sagen sie. Auch die Patrouillen des SAD helfen ihrer Meinung nach nicht: „Die gehen in ihren Uniformen zu dritt nebeneinander, die Hände stecken oben in den Jackentaschen, da traut man sich ja kaum, die anzusprechen“, beklagen die Anlieger.

Wegziehen wollen sie nicht. Aber weitergehen wie bisher könne es auch nicht. „Man hat den Eindruck, wir sind lästig, und die Trinker und Bettler haben das Sagen.“

>>> Städtischer Außendienst ist auch telefonisch erreichbar

  • Der städtische Außendienst (SAD) des Bürger- und Ordnungsamtes ist während der Dienstzeiten des Amtes in der Duisburger Innenstadt nahezu durchgängig im Einsatz.
  • Wenn dabei konkrete Störungen oder Belästigungen festgestellt werden, schreiten die Mitarbeiter ein – natürlich im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten.
  • In akuten Fällen haben alle Duisburgerinnen und Duisburger die Möglichkeit, die Leitstelle des SAD auch außerhalb der regulären Dienstzeiten der Stadtverwaltung telefonisch zu erreichen: Diese ist montags bis freitags von 8 Uhr bis 23 Uhr sowie samstags von 10 Uhr bis 24 Uhr unter der Rufnummer 0203 283 3900 erreichbar.
  • Bei akuten Gefahrenlagen oder strafrechtlichen Vorkommnissen ist die Polizei unter der Rufnummer 110 zu erreichen.

>> Suchthilfeverbund: „Arbeiten an einem integrierten Konzept“

  • Die Probleme in der Innenstadt sind auch dem Suchthilfeverbund bekannt. Zum einen gebe es immer mehr Armut, sagen die beiden Geschäftsführer des Vereins, Mustafa Arslan und Dita Gomfers. Zum anderen habe man zu wenig Personal, um den bedürftigen Menschen nachhaltig zu helfen.
  • Problematisch sei auch, dass es zu wenige öffentliche Toiletten in der Innenstadt gebe. „Wir haben an der Gutenbergstraße jeweils Frauen- und Männer-WC, die zu unseren Öffnungszeiten genutzt werden können und auch von vielen Obdachlosen genutzt werden“, sagt Mustafa Arslan. Aber für Menschen, die durchgehen auf der Straße lebten, müsste es Anlagen geben, die durchgehend benutzt werden könnten.
  • Gemeinsam mit der Stadt arbeitet der Suchthilfeverbund an einem integrierten Konzept, um die Situation für die Bedürftigen zu verbessern. „Aber so etwas geht nicht von heute auf morgen.“