Gladbeck. Michael Dahmen, Vorsitzender der Senioren-Union Gladbeck, weiß, wie Armut und Einsamkeit ältere Menschen belastet. Welche Lösungen es geben kann.

Jugendliche und Senioren machen einen großen Teil der Gesellschaft aus, haben dabei aber ganz unterschiedliche Anforderungen, sind mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Vor einem Monat sprach die Redaktion mit Gladbecks neuem Juso-Vorsitzenden Ole Steiner über die Ängste und Herausforderungen von jungen Menschen. Heute ein Blick auf die andere Seite: Ein Gespräch mit Michael Dahmen, Vorsitzendem der Senioren-Union Gladbeck.

Herr Dahmen, Sie sind seit Oktober vergangenen Jahres Vorsitzender der Senioren-Union. Warum ist es wichtig, sich speziell für diese Gruppe zu engagieren?

Mein leider verstorbener Vorgänger Jürgen Zeller hat mich davon überzeugt, dass die Arbeit für Senioren extrem wichtig ist. Sie sind oft von Diskriminierung betroffen. Beispielsweise spricht man mit älteren Menschen oft langsam und sehr deutlich, das ist diskriminierend. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass Ältere auch weiter Leistungen für die Gesellschaft erbringen. Unter dem Motto ,Zukunft braucht Erfahrung‘ ist auf uns nicht zu verzichten. Fraglich sind auch einige Regelungen. So darf man ab 65 Jahren zwar noch Bundeskanzler werden, nicht aber mehr Bürgermeister in Gladbeck.

Wie macht sich Altersdiskriminierung aus Ihrer Sicht noch bemerkbar?

Gerade bei den Einstellungen von Jüngeren ist das ein Thema. Es geht um Grundhaltungen gegen Senioren, da muss man dran arbeiten. Denn es gibt so viele fitte Menschen, auch im hohen Alter.

Michael Dahmen, CDU Gladbeck
Michael Dahmen ist Vorsitzender der Senioren-Union Gladbeck. © NRW | Tabea Beissert

Ein großes Problem für Senioren ist das Thema Altersarmut. Wie ist die Lage in Gladbeck?

Hier ist das Problem noch größer als im Durchschnitt. Und es ist vor allem ein Problem von Frauen. Es treibt mich um, wie viel Rente Frauen meiner Generation oder auch der Generation meiner Eltern bekommen. Familienarbeit ist mindestens genauso wichtig wie Erwerbsarbeit. Das ist eine Lebensleistung von Frauen, die mir aber viel zu wenig anerkannt wird. Auch die Pflege von Angehörigen übernehmen meist Frauen, auch das muss anerkannt werden.

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Was macht es mit den Menschen, die von Altersarmut betroffen sind?

Viele empfinden Scham und ziehen sich zurück. Da müssen wir als Stadtgesellschaft etwas tun. Ein tolles Projekt in Gladbeck ist die aufsuchende Sozialarbeit der Malteser. Früher wusste man ja beispielsweise über die Kirche, wer Hilfe braucht. Heute wissen wir das aber oft nicht mehr, alles ist anonymer geworden.

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden?

Man muss noch mehr in präventiver, aufsuchender Arbeit tun. Die Frage ist doch auch, wo sich Senioren überhaupt noch treffen können. In Gladbeck gibt es kaum noch Kneipen. In der Innenstadt nicht, vor allem aber nicht in den Stadtteilen. Wir müssen uns aber auch nach außen zeigen. Spürbar ist auf jeden Fall, dass es bei vielen Menschen das Bedürfnis nach Austausch und Zusammenkommen gibt.

Gibt es überhaupt keine Anlaufstellen?

Doch, die gibt es. Ein Beispiel ist die Essensausgabe der Caritas für Bedürftige. Ich selbst bin dort ehrenamtlich aktiv und sehe, dass die Menschen, die dorthin kommen, auch die Gesellschaft suchen. Es ist ein wichtiger Ort für Senioren. Klar ist aber auch: Da sieht man Armut. Neuerdings muss dort 1 Euro für das Essen gezahlt werden. Das ist manchen zu teuer, sie kommen jetzt nicht mehr. Wir bräuchten aber noch mehr solcher Angebote. Wir müssen mehr Begegnungsmöglichkeiten für Menschen schaffen, die arm und alt sind.

Sie sagten gerade, dass auch viele Menschen zur Caritas-Essensausgabe gehen, die einsam ist. Was macht Einsamkeit mit Senioren?

Erst einmal kann Einsamkeit mehrere Gründe haben. Manchmal ist sie mit Armut verbunden, manchmal ist der Lebenspartner gestorben und der Hinterbliebene geht vielleicht alleine nicht raus. Oder er ist nicht mehr mobil. Mobilität im Alter ist ein großes Thema und oft ein Problem. Gladbeck ist zwar eine Stadt mit kurzen Wegen, aber zum Beispiel nicht alle Buseinstiege sind barrierefrei. Hinzu kommt jetzt, dass der VRR die Bargeldzahlung in Bus und Bahn abschaffen möchte. Das schneidet auch ein Stück weit die Mobilität von Senioren ab. Wir brauchen neben dem Digitalen auch das Analoge. Es muss auch für diejenigen mitgedacht werden, die mit dem Digitalen nicht umgehen können.

Wie sieht es beim Thema Wohnen aus?

Aus meiner Sicht gibt es viel zu wenige seniorengerechte und auch behindertengerechte Wohnungen in der Stadt. Sie werden auch nicht gebaut. Das rentiert sie nicht, wie mir ein Investor klar gesagt hat. Ein großes Problem ist auch die Kurzzeitpflege. Es gibt in Gladbeck kaum Plätze. Dabei sind sie als Übergang nach einem Krankenhausaufenthalt oft nötig. Und sie sind unglaublich wichtig, um pflegende Angehörige zu entlasten, wenn sie beispielsweise mal Urlaub machen möchten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber auch das Thema der Generationengerechtigkeit. Wir verfrühstücken gerade die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Beim Thema Klimawandel und der gesamten Umweltproblematik muss einiges mehr passieren. Wir können doch die Reparatur nicht unseren Kindern und Enkeln aufbürden, wenn es dann überhaupt noch etwas zu reparieren gibt. Und ich sehe, dass Gladbeck zu viele Schulden für Dinge macht, die sich die Stadt nicht leisten kann, etwa beim Sportpark Mottbruch. Und diese Schulden zahlen ebenfalls wieder unsere Kinder und Enkel. Gleichzeitig kann die gesetzliche Verpflichtung im Bereich OGS nicht erfüllt werden und bei den Kitas fehlen hunderte Plätze in Gladbeck. Und dann sind wieder die Großeltern gefragt, die die Betreuung übernehmen.

>>> Zur Person

Michael Dahmen (68) hat katholische Theologie studiert und hat mehr als 25 Jahre als Lehrer am Don-Bosco-Gymnasium in Essen-Borbeck gearbeitet. Später leitete er von 2012 bis 2021 das private Gymnasium Canisianum in Lüdinghausen.

Dahmen ist verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und eine zweijährige Enkelin. 1973 trat er in die CDU ein, seit rund 30 Jahren ist er in der CDU Gladbeck aktiv, saß unter anderem für die Partei im Stadtrat, war Vorsitzender und drei Mal Kandidat für das Amt des Landtagsabgeordneten. Aktuell ist er Fraktionsreferent bei der CDU Gladbeck. Er ist zudem als Sachkundiger Bürger Mitglied im Jugendhilfeausschuss und im Ausschuss für Senioren, Soziales und Gesundheit.

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