Gladbeck. Die Pandemie stellte die Stadt und ihre Menschen vor große Herausforderungen. Im Herbst endete die 16-jährige Ära von Ulrich Roland.

Das Jahr 2020 wird als eines der herausforderndsten und bedrückendsten Jahre seit Kriegsende in die Stadtgeschichte eingehen. Dafür sorgte allein schon die Corona-Pandemie, die seit Mitte März das Stadtleben aus den gewohnten Strukturen warf. Spannend wurde es obendrein durch die Kommunalwahl im September, die die Politik durcheinander wirbelte. Corona und die Wahl - das waren die beherrschenden Themen in Gladbeck 2020.

Dabei war das Jahr noch wie gewohnt launig und routiniert gestartet: Mit gut 300 Gästen begrüßte Bürgermeister Ulrich Roland Anfang Januar beim Empfang in der Stadthalle das neue Jahr - allerdings hielt er da schon seine erste Abschiedsrede. Denn der anstehende Wechsel an der Stadtspitze war längst bekannt. Zu dem Zeitpunkt ahnte aber noch niemand, was mit dem Coronavirus auf die Stadt zukommen sollte - und welche letzte Herausforderung für Roland.

Zum ersten Mal tauchte das Wort "Corona" am 27. Februar, direkt nach dem Karnevalswochenende, in Gladbeck offiziell auf. Das Riesener-Gymnasium sagte eine für die Osterferien geplante Schulfahrt nach Italien ab, wo das Virus schon grassierte. Am 7. März wurde die erste Corona-Infektion im Kreis Recklinghausen gemeldet - eine Frau in Dorsten. Die Stadt sagte drei Tage später eine erste Veranstaltung ab: Die jährliche Feier für Ehejubilare im Ratssaal.

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Ab dem 16. März war das Stadtleben zum ersten Mal herunter gefahren

Am 10. März wurden die ersten zwei Infektionsfälle in Gladbeck registriert. In den folgenden Tagen schloss die Stadt Schulen und Kitas, sagte alle eigenen Veranstaltungen ab. Am 16. März wurden sämtliche Veranstaltungen in Gladbeck untersagt. Bürgermeister Roland sprach von den "größten Herausforderungen in der Stadtgeschichte", die mit der Pandemie auf Gladbeck zukämen. "Dramatische Eingriffe stehen bevor", warnte er. Die Politik fuhr ihren Betrieb auf Null.

Das St.-Barbara-Hospital schaltete in den Krisenmodus um, plante und strukturierte um, damit Corona-Patienten optimal versorgt werden konnten. Das Haus wurde für Besucher gesperrt. Am 28. März war der erste infizierte Patient da. Die ersten zwei Todesopfer in Gladbeck gab es am 6. April zu beklagen - niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass bis Jahresende 39 Gladbecker dem Virus zum Opfer fallen sollten.

Gladbeck entwickelte sich, aus bislang nicht geklärten Umständen, zum Corona-Hotspot im Kreis und in der Emscher-Lippe-Region. Im Frühjahr wurden die Seniorenheime als besonders betroffene Orte ausgemacht, insbesondere das Cura-Seniorenzentrum, in dem allein acht Menschen mit oder an dem Virus starben. Aber auch das Krankenhaus war unerklärlicherweise ein Ursachenherd für Infektionen.

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Im Mai begannen die ersten Lockerungen nach dem Lockdown

Während die Wirtschaft Notfallpläne in die Tat umsetzte und Pilkington gar die Produktion um die Hälfte herunterfuhr, blieben die Kirchen zunächst bei der Öffnung der Gotteshäuser. Erst kurz vor Ostern wurden sie geschlossen. Die Osternacht fand per Livestream aus St. Marien statt. Die Politik, die sich in kleiner Runde erstmals Ende April wieder traf, tat sich schwer, eine Maskenpflicht einzuführen. Das sei nicht zu stemmen, sagte der Bürgermeister noch am 21. April.

Langsam öffneten wieder die Schulen, erst die höheren Jahrgänge, später auch die Grundschulen. Bis zu den Sommerferien meldeten Schulen immer wieder Corona-Fälle. Ab Mitte Mai gab es auch Lockerungen für die Gastronomie, die zunächst - bei all den Schutzmaßnahmen - von einem Wechselbad der Gefühle sprach. Nur zögerlich kamen die Gäste, ließen sich vornehmlich draußen bedienen. Kritik an Öffnungen kamen von den Leitern und Betreibern der Seniorenheime. Dennoch: Mit Beginn des Sommers setzte so etwas wie Normalität ein - selbst das Freibad öffnete verspätet. Ende Juli traten nur noch wenige neue Corona-Fälle auf (an mehreren Tagen nur drei oder vier).

Im Herbst wurden die Schulen zu Hotspots der Pandemie

Im August, mit den Reiserückkehrern, nahmen die Infektionen wieder zu. Ende September zogen die Zahlen wieder kräftiger an - vor allem in den Schulen sorgte man sich. Zu Recht: Mitte Oktober waren elf Schulen betroffen, später sogar bis zu 14. Teils meldeten sie drastische Infektionszahlen. Nicht nur einmal gab es Massentests. Schon Anfang des Monats lag die Inzidenz erstmals über 50 - wieder Spitzenwert im Kreis. Ende des Monats sogar schon über 100. Bis Ende des Jahres sollte der Inzidenzwert auf fast 360 steigen - erneut ein Spitzenwert im Kreis.

Was folgte, wirkt bis zum Jahresende: Maskenpflicht in der City und Ansammlungsverbot, Schließungen von Gastronomie und Einzelhandel, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Erneut wurden alle Veranstaltungen und Gottesdienste abgesagt. Die steigenden Fallzahlen beunruhigten die Mediziner, das Krankenhaus ist seit Dezember wieder im Krisenmodus, zu Weihnachten meldete es, "alle für Corona-Patienten reservierten Betten" sind belegt. Zur Jahreswende wartet Gladbeck auf die ersten Corona-Schutzimpfungen.

Die Kommunalwahl bestimmte die Diskussionen in der Politik

Das andere Jahresthema in Gladbeck war die Kommunalwahl und mit ihr verbunden das Ende der Ära Ulrich Roland. Der Bürgermeister hatte schon im Sommer 2019 angekündigt, nicht mehr bei der Wahl anzutreten. Der Wahlkampf, der ab Mitte Juli die Parteien in Unruhe versetzte, verlief in anderen Bahnen als üblich: Sehr viel digitaler. Und wenn öffentlich, dann etwa am Infostand mit Maske oder bei Veranstaltungen mit ausgewähltem, kleinen Publikum.

Am 11. September tagte zum letzten Mal der alte Rat. Bürgermeister Roland hielt seine Abschiedsrede, mahnte "einen stärkeren Einsatz für die Demokratie" an und forderte für die Zukunft "mehr gesellschaftliches Miteinander". Bis Ende Oktober war Roland noch im Amt, wechselte dann nach 16 Jahren im Amt in den Ruhestand.

Die SPD verlor kräftig - Bettina Weist gewann die Bürgermeisterwahl

Zehn Parteien bewarben sich bei der Kommunalwahl für den Rat, elf Bürgermeisterkandidaten traten an und acht Bewerber, unter ihnen der Gladbecker SPD-Politiker Michael Hübner (MdL und bislang Ratsfraktionschef), kämpften um das Amt des Landrats. Die Wahl am 13. September endete für die SPD mit einem Debakel: Sie verlor zehn Prozentpunkte und kam nur noch auf knapp 37 Prozent. Die Grünen erreichten mit 12,3 Prozent ihr bislang bestes Wahlergebnis in der Stadt. Mit 9,7 Prozent zog die AfD erstmals in den Rat ein.

SPD-Kandidatin Bettina Weist setzte sich bei der Stichwahl gegen CDU-Herausforderer Dietmar Drosdzol durch. Weist strahlte bei Bekanntgabe ihres Wahlsiegs großen Optimismus aus, kündigte mehr Sachlichkeit und einen faireren Umgang in der Politik an. Derweil unterlag Michael Hübner (SPD) in der Stichwahl um das Landratsamt dem CDU-Kandidaten Bodo Klimpel aus Haltern. Hübner zeigte sich von der Niederlage schwer getroffen, zog sich mehrere Tage aus der Öffentlichkeit zurück. Wochen später kündigte der MdL seine Bewerbung um die SPD-Kandidatur für das Bundestagsmandat im kommenden Jahr an.

Die vorschnell angekündigte rot-grüne Koalition zerplatzte nach kurzer Zeit

Die noch vor der Stichwahl für den Gladbecker Rat angekündigte rot-grüne Zusammenarbeit platzte überraschend im Oktober, nachdem es in der neuen SPD-Fraktion offenbar mächtig rumorte und der vermeintlich neue starke Mann, SPD-Parteivorsitzender Jens Bennarend, ausgebremst wurde. Neuer Mann an der Spitze der Fraktion wurde Wolfgang Wedekind, der offensichtlich für einen neuen Kurs der Politik auf Augenhöhe steht.

Annäherungen mit der CDU gingen einstweilen ins Leere, sodass im neuen Rat (54 statt der bislang 44 Sitze) mit wechselnden Mehrheiten gearbeitet wird. Unterdessen nutzten die kleinen Fraktionen bereits mit einer neuen Zweckgemeinschaft ("14er Gruppe") ihren Einfluss und rangelten im Kampf um Ausschussvorsitze und Posten Aufsichtsgremien kräftig mit.

Abseits von Corona und Politik gab es aber auch noch andere Ereignisse:

- In Zweckel wurde der Brückenneubau der Beethovenstraße abgeschlossen. In der zweiten Jahreshälfte startete nach Jahren der Debatten und Planungen die Neubebauung der Schlägel- und Eisensiedlung. Lange Staus verursachte über Wochen der Bau der neuen Haltestellen an der Europabrücke.

- Im Mai begann der Umbau der Christuskirche für eine multifunktionale Nutzung. Die katholische Kirche gab offiziell bekannt, dass im Frühjahr 2021 die Johanneskirche abgerissen wird.

- Das St.-Barbara-Hospital nahm zu Jahresbeginn die neue Zentrale Notaufnahme in Betrieb. In Butendorf begann im Sommer der Bau des zweiten Ärztehauses.

- Ebenfalls im Sommer startete der Umbau des Glückauf-Centers, das im Frühjahr 2021 mit Rewe als Ankermieter wieder öffnen soll. In Rentfort-Nord begannen im Herbst die Vorbereitungen (Entkernung) für den Abriss der Hochhaus-Ruine Schwechater Straße 38.

- Im März stellte die Stadt Pläne für ein "Viktoria-Quartier" vor, das an Stelle des sanierungsbedürftigen Sparkassen-Hochhauses gebaut werden soll.

- Hörbar Luft verschafften sich im Sommer frustrierte Anwohner der Problem-Immobilie Steinstraße 72. Geklagt wird über Lärm und viele andere Nachbarschafts-Störungen.

- Sorgen äußerte auch Stadtkämmerer Thorsten Bunte: Schon im Sommer ahnte er, dass die Corona-Pandemie durch ihre wirtschaftlichen Auswirkungen die Stadt in eine Finanzkrise stürzen wird. Ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag fehlt Ende des Jahres.

- Ein Gerichtsurteil bürdet der Stadt auf, ein Tempolimit auf der B 224, zumindest zwischen Phönixstraße und A 2, zu prüfen. Das Bürgerforum jubelte, dass nun endlich ihre lange Forderung nach Tempo 50 durchkommt. 

- Weiter geht auch der Zwist um das Windrad auf der Mottbruchhalde. Im Herbst zeigte das Energieunternehmen Steag der Stadt an, mit dem Bau beginnen zu wollen. Die zog mit einem Eilanantrag erneut vor Gericht und stoppte das Vorgehen zunächst. Die eigentliche Windradklage läuft noch. Der neue Rat bekräftigte diese Klage.

- Zwei Personalien zum Schluss: Neuer Superintendent des ev. Kirchenkreises und damit Nachfolger von Dietmar Chudaska wurde Steffen Riesenberg aus Bottrop. Und neuer Leiter des Ratsgymnasiums und damit Nachfolger von Hans-Christoph Pocha der Bueraner Matthias Schwark.

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