Gladbeck. Vor 300 Gästen zog der 2020 scheidende Gladbecker Bürgermeister Bilanz zur Amtszeit. Roland appellierte, an der A52-Tunnellösung festzuhalten.
Der Neujahrsempfang der Stadt Gladbeck ist eine feste gesellschaftliche Veranstaltungsgröße nach dem Jahreswechsel. Dieses Mal war die Zusammenkunft der mehr als 300 anwesenden Gäste aus Handel, Wirtschaft, Politik, Vereinen und Gesellschaft in der Stadthalle aber von ganz besonderen Zwischentönen geprägt. Denn mit dem Jahr 2020 geht die Ära Roland in Gladbeck zu Ende, da der Bürgermeister zur Kommunalwahl im September nicht mehr antreten wird. Ulrich Rolands Neujahrsansprache enthielt so zugleich auch eine gehörige Portion Abschied, denn der Bürgermeister nutzte die Gelegenheit, um einen Rückblick auf seine bald 16-jährige Amtszeit zu werfen und auf „die neue Stadt“, die unter seiner Ägide gebaut worden sei.
Zunächst ging es aber wie üblich um ein kurzes Resümee zum vergangenen Jahr, wobei 2019 ja ganz im Zeichen des 100. Geburtstages der Gladbecker Stadtwerdung gestanden hatte. Ein auf Großleinwand projizierter Jubiläumsfilm holte dazu viele Eindrücke des bunt-fröhlichen Festreigens mit vielen Veranstaltungen und großer gesellschaftlicher Beteiligung, wie beim Stadtpicknick vor dem Rathaus oder dem Appeltatenfest, zurück in den Saal. Ulrich Roland erinnerte an die dabei erlebten großen Gefühle der Zusammengehörigkeit, dankte allen Beteiligten für ihr Engagement und appellierte, „möge uns dieses Gefühl, dieser Optimismus auch in die Zukunft tragen“.
Die Laudatio des Bürgermeisters zu seiner Amtszeit fiel nicht zu unrecht positiv aus
Mit Blick auf seinen im August anstehenden 67. Geburtstag erinnerte Roland dann an das nahende Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Gladbeck, so dass er nun auch „eine kleine Bilanz“ ziehen wolle. Diese Laudatio fiel freilich positiv aus. Nicht zu unrecht, da es dem Team unter Ulrich Roland gelungen ist, einige Probleme zu beseitigen, die er schon mit dem Amtsantritt am 11. Oktober 2004 übernommen hat. Der Bürgermeister ging auf Problemimmobilien ein, bei denen es gelungen sei, diese mit Hilfe privater Investoren flott zu machen, abzureißen oder neu zu bebauen (etwa das alte Hertie-Karstadt-Gebäude, das Möbelhaus Tacke oder die Hochhausruine Schwechater Straße).
Unter seiner Ägide sei Gladbeck seit 2004 verändert worden. Die Stadt sei „Stück für Stück modernisiert, Wohngebiete neu erschlossen, bestehende Unternehmen unterstützt oder neu angesiedelt“, die Bürgerbeteiligung mit direkterem Draht ins Rathaus ausgebaut, die Stadtverwaltung selbst modernisiert worden. Zudem nannte Ulrich Roland angestoßenen Großprojekte, die erst nach dem Ende seiner Amtszeit fertig werden wie der Neubau des Heisenberg Gymnasiums, den im Aufbau befindlichen Sportpark Mottbruch am Eingang zu einer zukünftigen Haldenwelt oder den millionenschweren Ausbau von Grundschulen und Kindergärten.
Roland insistierte, den A52-Ausbau mit Tunnellösung als einzigartige Chance zu begreifen
Zum Ende seiner Rede insistierte der Bürgermeister, den geplanten Ausbau der A52 auf Gladbecker Stadtgebiet als „eine einzigartige Chance“ zu begreifen. Denn: „Durch den Tunnel wird unsere Stadt wieder zusammenwachsen, können wir ein völlig neues Quartier so groß wie unsere Innenstadt neu entwickeln.“ Die Tunnellösung gelte es zu sichern, „sonst kommt der offene Ausbau. Und genau das wollen wir, das müssen wir verhindern“, so Roland. Der abschließend lobte und erinnerte, dass die Stadtgesellschaft unter seiner Führung das „Glück selbst in die Hand genommen“ und „die Stadt weiterentwickelt“ habe. Ganz im Sinne von Willy Brandt, mit dessen Worte der Bürgermeister, quasi als weiteres Geleit für die Zukunft der Stadt, seine (Abschieds)Rede beendete: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten“.
Von einem für die Gladbecker Wirtschaft „sehr turbulenten“ Jahr 2019 sprach Gastredner Ulrich Marl bei seinem Grußwort. Die meisten Unternehmen hätten mit prächtigen Auftragseingängen „zu Beginn des Jahres deutliche Steigerungen ihrer Umsätze erzielt“, so der Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Gladbecker Wirtschaft (VGW). Gegen Mitte des Jahres sei die wirtschaftliche Lage dann aber deutlich abgeflaut.
Die Gladbecker Wirtschaft hat ein sehr turbulentes Jahr 2019 erlebt
Als Gründe nannte Marl den von Donald Trump initiierte Handelskrieg, das Dieselgate und die aufkeimende Elektromobilität. Durch das sich abzeichnende Ende der Verbrennungsmotoren drohten der Automobilbranche und ihren Zulieferern Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau. Eine „disruptive Veränderung“, so dass sich in manchen Regionen Deutschlands ähnliche Auswirkungen anbahnten, wie im Ruhrgebiet mit der Einstellung des Bergbaus.
Jede Veränderung biete aber auch Chancen, etwa auf dem Gebiet der Digitalisierung und Elektromobilität, so der Mit-Geschäftsführer des Automatisierungstechnik-Spezialisten Lenord+Bauer. Marl verwies, als „kleines Beispiel“, auf die Firmen-Dependance in Gladbeck. Hier würden Drehzahlsensoren für Elektromotoren von E-Autos als wichtiger Bestandteil effizienter Motorregelung produziert. Marl unterstrich weiter, dass der VGW den A52-Tunnel-Ausbau unterstütze, da das Großprojekt auch dazu beitragen könne, neue Unternehmen und damit neu Arbeitsplätze nach Gladbeck zu locken.
Neu-Gladbeckerinnen malten mit Worten ein ganz persönliches Bild von ihrer neuen Heimatstadt
Ein ganz persönliches Bild von ihrem Gladbeck malten dann wortgewandt Lea Besho (17) und Laurena Bytqi (15) in der Stadthalle. Beim Debattierwettbewerb im Rahmen des Stadtjubiläums hatten sie sich textlich mit ihrer Heimatstadt beschäftigt. Besho stammt aus Albanien, lebt erst seit sechs Jahren in der Stadt. Sie verdeutlichte beeindruckend sprachgewandt, dass ihr Gladbeck eine neue Heimat geworden sei, die ihre viele Chancen eröffne. Und sie forderte alle Neu-Gladbecker aus dem Ausland zu deutlicher Integrationsbereitschaft auf: „Wir sollten ein Vorbild für das Zusammenleben sein“.