Dassendorf. „Anstoß“: Eine „extrem hohe Unzufriedenheit“ herrscht laut Sportchef Jan Schönteich beim Oberliga-Serienmeister. Das hat Konsequenzen.

An einem ungemütlichen Sommerabend Mitte Juli hat es sich Jan Schönteich mit einigen Gästen in seinem Eigenheim gemütlich gemacht. Der Sportchef der TuS Dassendorf hat einige frühere Spieler des Fußball-Oberligisten wie Amando Aust und Eric Agyemang zu sich nach Hause eingeladen, um über die gemeinsamen erfolgreichen Zeiten zu klönen. Vervollständigt wird die Runde von aktuellen Spielern wie Sven Möller, die seit Langem für den Club auflaufen. Es wird ein feuchtfröhliches und sehr langes Beisammensein. Schließlich gibt es viel zu erzählen von den Jahren vor der Corona-Pandemie, als die TuS Dassendorf im Hamburger Amateurfußball das Maß aller Dinge war. So wurde der Verein von 2014 bis 2020 sechsmal Meister und zweimal Verbandspokalsieger.

Einige der Helden von damals wie Amando Aust und Eric Agyemang sind inzwischen in Fußball-Rente, andere wie Ex-Torjäger Marcel von Walsleben-Schied (KSG Lalendorf) lassen ihre Karrieren anderswo ausklingen. Und am Wendelweg? Dort ist die Sehnsucht nach einer neuen „goldenen Generation“ nach zwei titellosen Jahren in Folge groß. „Zweimal hintereinander weder Meisterschaft noch Pokal zu holen, ist indiskutabel und überhaupt nicht unser Anspruch. Hier herrscht eine extrem hohe Unzufriedenheit“, sagt Schönteich. Für die neue Saison kann es für ihn daher nur ein Ziel geben: „Natürlich wollen wir wieder beide Titel. Alles andere wäre ja unglaubwürdig.“

Hauen und Stechen um die Stammplätze bei der TuS Dassendorf

Die Vorzeichen für eine erfolgreiche Spielzeit stehen gut, denn die TuS-Verantwortlichen haben den bereits zuvor sehr prominent besetzten Kader noch einmal erheblich verstärkt und zudem verjüngt. Waren bereits im Laufe der vergangenen Serie mit den Ex-Profis Okan Kurt und Marvin Büyüksakarya (beide 29 Jahre) zwei Akteure im besten Fußball-Alter verpflichtet worden, sicherte sich Dassendorf nun die Dienste des langjährigen Oberliga-Stammkeepers Gianluca Babuschkin (31/ETSV Hamburg), der Verteidiger Erciyes Palo (26/HEBC) und Hamaja Bojadgian (27/ETSV), der Mittelfeldspieler Fabian Graudenz (32/Teutonia 05) und Julian von Haacke (30/Sporting Hortaleza) sowie von Angreifer Mert Akkus (22/Lüneburger SK). Allesamt Fußballer mit Stammplatz-Ansprüchen.

Elegant am Ball wie eh und je: Ex-HSV-Profi Martin Harnik geht in seine fünfte Saison bei der TuS Dassendorf.
Elegant am Ball wie eh und je: Ex-HSV-Profi Martin Harnik geht in seine fünfte Saison bei der TuS Dassendorf. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Es wird also ein Hauen und Stechen um die Startelf-Plätze geben. Und das ist von den Verantwortlichen genau so gewollt. „Wir müssen auch mal wieder neue Reize setzen. Neue Gesichter und neue Qualität beleben den Konkurrenzkampf“, erklärte Coach Thomas Seeliger, der in sein zweites Jahr am Wendelweg geht.

Außer Top-Torjäger Martin Harnik ist bei der TuS Dassendorf niemand mehr gesetzt

Der 57-Jährige kann nun auf ein Aufgebot zurückgreifen, das keine Wünsche offenlässt. Jede Position ist mindestens doppelt besetzt. Mit Ausnahme von Kapitän und Ausnahmespieler Martin Harnik, der zweimal in Folge Oberliga-Torschützenkönig wurde, darf sich eigentlich kein Akteur seiner Sache sicher sein. Und selbst für den früheren österreichischen Nationalspieler steht nun mit Mert Akkus ein hochveranlagter Backup zur Verfügung.

Während sich der 22-Jährige aber wohl erst einmal hinten anstellen muss, dürfen sich Palo und Bojadgian große Hoffnungen machen, sofort einen Stammplatz zu ergattern. Die beiden Innenverteidiger bewerben sich um die Nachfolge von Abwehrchef Maximilian Ahlschwede, der aus beruflichen Gründen die Fußballschuhe an den Nagel gehängt hat. Gut möglich aber auch, dass Seeliger beide in die von ihm bevorzugte Vierer-Abwehrkette stellt. Wer hinter der Verteidigung das Dassendorfer Gehäuse hüten wird, ist ebenfalls noch völlig offen. In der Vorbereitung erhielten der langjährige Stammkeeper Christian Gruhne und Neuzugang Babuschkin dieselben Spielanteile. Klar ist nur: Im Tor hat Seeliger wie auf fast allen anderen Positionen ein Luxusproblem.

Neuzugang Julian von Haacke spielte schon für Werder Bremen und Darmstadt 98

So sind fürs Mittelfeld in dem Drittliga-erfahrenen Graudenz – spielte einst für Energie Cottbus und den FSV Frankfurt – sowie von Haacke zwei herausragende Kreativspieler hinzugekommen. Letzter kickte in der vergangenen Saison aus Studiengründen zwar nur im spanischen Amateurfußball, stand früher aber im Bundesliga-Kader von Werder Bremen und absolvierte unter anderem fünf Zweitliga-Partien für Darmstadt 98 und 47 Drittliga-Begegnungen im Trikot des SV Meppen und von Werder II. Zudem sammelte der 30-Jährige in den Niederlanden und Österreich jeweils in der höchsten Spielklasse Auslandserfahrung.

Neuzugang Erciyes Palo soll die Abwehr verstärken. Der Innenverteidiger war Stammspieler beim Oberligisten HEBC, mit dem er in der vergangenen Saison einen sensationellen fünften Rang belegte.
Neuzugang Erciyes Palo soll die Abwehr verstärken. Der Innenverteidiger war Stammspieler beim Oberligisten HEBC, mit dem er in der vergangenen Saison einen sensationellen fünften Rang belegte. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Als einen „Individualisten mit guten Ideen“ bezeichnet Seeliger von Haacke, der fraglos der „Königstransfer“ der TuS ist. Weil sich die TuS auf ihrer im Vergleich zu den Vorjahren aber sehr ausgiebigen „Shopping-Tour“ auch sonst ausschließlich im oberen Regal bedient hat, müsste der frühere Serienmeister eigentlich der Top-Favorit auf den Titel sein. Die Betonung liegt allerdings trotz der exzellenten Zugänge auf „müsste“.

Es gibt in der Oberliga mindestens drei starke Konkurrenten um den Meistertitel

Denn in Regionalliga-Absteiger Eimsbütteler TV, Meister Altona 93 und dem ETSV Hamburg gibt es mindestens drei sehr ernsthafte Mitkonkurrenten um die Meisterschaft. Zudem dürfte der Niendorfer TSV wie in den Vorjahren eine gute Rolle spielen. Und auch dem FC Süderelbe mit seinen vielen spannenden Zugängen ist zuzutrauen, zumindest phasenweise der Hecht im Karpfenteich zu werden. „Ich glaube, dass die Oberliga in der Spitze wirklich besser geworden ist“, sagt Schönteich.

Die Serie „Anstoß“ im Überblick

Der Sportchef ist eigentlich kein Mann der leisen Töne. Aber auch er will sich dann auch trotz des Dassendorfer Premium-Aufgebots nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. „Wir können es schaffen. Aber ich sehe uns jetzt nicht als absoluten Favoriten, wie das in manchen Vorjahren der Fall war“, sagt der große Fan des FC Bayern München. Demut, die der TuS Dassendorf nach zwei verkorksten Jahren fraglos guttut. Allerdings, und das will Schönteich dann auch gar nicht verheimlichen, hat die TuS alles dafür getan, optimal für die Titeljagd präpariert zu sein. „Die Gleise sind gelegt, nun gilt es!“, erklärt der Sportchef.