Hamburg. Regionalligist besiegt Oberligameister Sasel mit 1:0. Auf welchem Hamburger Platz dürfen die Teutonen jetzt im DFB-Pokal spielen?
Als letzter Akt eines spannenden und streckenweise fußballerisch hochklassigen Hamburger Pokalendspiels stürmten zwei Spieler des Regionalligisten FC Teutonia 05 mit einer heulenden Sirene den Konferenzraum im Stadion Hoheluft. In der Hand zwei gefüllte Bierbecher, mit denen sie Teutonias Interimstrainer Richard Krohn duschten.
Fabian Graudenz erzielt kurz vor der Halbzeit den Siegtreffer für Teutonia
„Das habe ich nicht geträumt, und das hätte ich gern vermieden“, sagte Krohn danach lachend. Der Coach, der soeben mit seinen Teutonen den Hamburger Lotto-Pokal vor 3961 Zuschauenden mit 1:0 gegen den Oberligisten TSV Sasel verteidigt hatte, profitierte beim erneuten Pokalsieg von seinen intuitiven Fähigkeiten, wie er kurz vor seiner erlittenen Bierdusche berichtete. „Ich habe in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag geträumt, dass Fabian Graudenz das entscheidende Tor macht. Ich wusste zudem, Fabian hat eine unglaubliche Qualität im Abschluss. Deshalb habe ich ihn als Mittelstürmer aufgestellt und ihm dazu nur gesagt: ,Mach meinen Traum wahr‘“, erzähle Krohn.
Graudenz – eigentlich Mittelfeldspieler – lieferte in der letzten Minute der Nachspielzeit der ersten Hälfte. Bei einem starken Konter Teutonias flankte Fabian Istefo in die Mittel und Sasels Marc-Oliver Timm legte unglücklich mit der eigenen Hüfte für Graudenz auf. Dieser überwand Sasels Keeper Anton Lattke zum 1:0 (45.+5). Es war das Tor des Tages, welches Teutonia zum Titelgewinn mit den Sieger-T-Shirts „Pokalsieger 2023 – Bei anderen wie Lotto, bei uns inzwischen Motto“ verhalf.
Teutonia fand erst nach einer halben Stunde gut ins Spiel
Der Treffer wiederum hatte sich erst im letzten Drittel der ersten Halbzeit angedeutet. Die erste halbe Stunde war Sasel gut im Spiel. Der Außenseiter verdichtete in seinem 5-4-1 clever die Räume, kam zu starken Ballgewinnen im Mittelfeldpressing. Teutonia fiel in seinem 3-4-3 dazu nicht viel ein. Die ersten gefährlichen Abschlüsse verbuchte daher auch Sasel.
Jean-Lucas Gerken prüfte Teutonias Keeper Marius Liesegang (6.), Nico Zankl verzog aus guter Position (14.) und Tim Jeske jagte den Ball im Strafraum aus halbrechter Position über den Kasten (31.).
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Erst danach fand Teutonia ins Spiel. Nach einem Einwurf in der eigenen Hälfte kombinierten die Schwarz-Weißen Fabian Istefo am Sechzehner frei, der knapp links an der langen Ecke vorbeischoss (32.). Ole Wohlers scheiterte bald darauf mit einem Konter aus sieben Metern mit einer hundertprozentigen Torchance an Sasels Keeper Anton Lattke (40.). Zehn Minuten später lag der Ball nach dem Tor von Graudenz im Netz.
Sasels Trainer Danny Zankl wurde in der Halbzeitpause richtig laut
Die deutlich vernehmbare Pausenansprache von Sasels Trainer Danny Zankl in dessen letztem Spiel half in der zweiten Halbzeit zunächst nicht. Istefo traf für Teutonia aus spitzem Winkel den Pfosten (54.). Max Brandt nach Doppelpass mit Wohlers sowie Graudenz im Nachschuss fanden einmal mehr im glänzend reagierenden Lattke ihren Meister (57.).
Auf der Gegenseite vergab Routinier Deran Toksöz für Sasel frei vor dem Tor den Ausgleich, als der den Ball aus sieben Metern in bester Position knapp neben den linken Pfosten schob (61.). Sasels Schlussoffensive blieb schließlich ohne Ertrag, Teutonias nicht genutzte Konterchancen fielen nicht mehr ins Gewicht.
„Unser Trainer träumt von meinem Siegtor,und so ist es gekommen. Das ist wirklich unglaublich“, sagte Torschütze Graudenz. „Nun wünsche ich mir Bayern München, den HSV oder St. Pauli als Gegner.“ Teutonias Kapitän Marcus Coffie, zuletzt im Blickpunkt wegen der Regionalliga-Begegnung beim Bremer SV (Teutonia verließ den Platz, weil sich Coffie rassistisch beleidigt fühlte), war ebenso glücklich. „Dieser Titel untermauert unsere Ansprüche als Verein“, sagte Coffie.
Teutonia protestierte gegen das Urteil des norddeutschen Verbandes
Der Abwehrchef mit der Nummer 5 auf dem Trikot hatte sich zudem in der von den Fans bewusst gewählten fünften Spielminute über eine Protestaktion der Anhänger Teutonias freuen dürfen. Diese warfen aus Block C Papierschnipsel auf den Rasen und sorgten für eine Spielunterbrechung, um Banner hochzuhalten, in denen sie den Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) und den Hamburger Fußball-Verband (HFV) für dessen Wertung der Partie beim Bremer SV (5:0 für die Bremer) kritisierten. „Rassismus rechtfertigt keinen Spielabbruch – was dann, Herr Schaffert?“, fragten die Fans den NFV-Präsidenten Ralph-Uwe Schaffert. „Stark im Wegschauen, schwach im Handeln. Wach auf, Stebani!“, galt dem NFV-Spielausschussvorsitzenden Jürgen Stebani.Und der Spruch „Silence is violence @HFV“ nahm die auch von Teutonias Präsidenten Liborio Mazzagatti gerügte Sprachlosigkeit des Hamburger Verbandes zum Spiel in Bremen aufs Korn.
Hamburgs Verbandspräsident Okun kommentiert das Urteil nicht
HFV-Präsident Christian Okun widersprach dieser Kritik später deutlich. „Wir als Verband äußern uns grundsätzlich nicht zu Gerichtsurteilen. Zum Urteil des NFV konnten wir als HFV daher keine Stellung nehmen. Dass wir in einer Sachfrage, in der es unterschiedliche Sichtweisen der Beteiligten gibt, keine Partei ergriffen haben, lässt nicht den Rückschluss zu, dass wir als HFV Rassismus in irgendeiner Form gutheißen. Das tun wir ausdrücklich nicht“, sagte Okun.
Zuvor hatte Sasels scheidender Trainer Danny Zankl nach fairer Gratulation für Teutonia die knappe Niederlage bedauert. „Schade, unser Matchplan ist gerade in der ersten halben Stunde gut aufgegangen. Später ist uns der Lucky Punch leider nicht mehr gelungen. Wenn ich aber sehe, wie unsere Fans hier mit 3000 Leuten für Stimmung gesorgt haben inklusive einer wochenlang vorbereiteten Choreo und einem Riesenbanner, dann macht mich das wahnsinnig stolz. Ich fahre jetzt ins Clubheim, trinke einen Bacardi und werde mich mit den Menschen dort über neun geile Jahre in Sasel unterhalten“, sagte Zankl.
Erste DFB-Pokalrunde wird am 18. Juni im ZDF ausgelost
Sein Kontrahent Krohn wiederum lobte Sasel für „eine sehr gute Leistung. Mein allergrößtes Kompliment dafür“, sagte Teutonias Coach. Einen Wunschgegner für die erste DFB-Pokalrunde wiederum habe er nicht. Krohn: „Ich bin einfach nur froh, dass wir dabei sind."
Am 18. Juni wird er im Rahmen der Auslosung in der ZDF-"Sportreportage" erfahren, gegen welchen Proficlub sein Team dann antreten wird. Die erste DFB-Pokalrunde wird vom 11. bis 14. August gespielt. Als Antrittsprämie erhält Teutonia gut 200.000 Euro. Vielleicht träumt Krohn ja vorher von Bayern München.
Der FC Teutonia sucht jetzt nach einem Stadion in Hamburg
In der vergangenen Saison hatte Teutonia den Titelverteidiger RB Leipzig als Erstrundengegner zugelost bekommen. Nachdem in Hamburg kein Club dem Regionalligisten sein Stadion zur Verfügung gestellt hatte, sollte die Partie im 380 Kilometer entfernten Dessau (Sachsen-Anhalt) stattfinden. Dort wurde aber der Rasen in der Woche zuvor beschädigt. Das Spiel wurde dann in Leipzig angepfiffen. RB gewann glatt mit 8:0.
In welchem Stadion Teutonia 05 diesmal in Hamburg antreten kann, ist bisher nicht geklärt. Es muss ein Naturrasen sein, deshalb kommt der Endspielort Hoheluft am Lokstedter Steindamm nicht infrage. (misch)