Hamburg. „Anstoß“: Neuer Trainer, neuer Manager, aber kaum neue Spieler. Was beim Fußball-Landesligisten in dieser Saison besser werden soll.
Zu seinen Zeiten als aktiver Fußballer war Peter Marks ein genialer Stratege. Der Mittelfeldakteur sortierte mit viel Überblick und seiner tollen Technik in den 2000er-Jahren das Spiel des SC Vier- und Marschlande. „Beate“, wie der Blondschopf am Deich gerufen wird, aus der Ruhe zu bringen? Das war beinahe unmöglich! Und ein ziemlich lustiger und vor allem sehr umgänglicher Zeitgenosse war Marks auch schon immer. Kurzum: Mit dem 46-Jährigen kann man gut auskommen. Und so fiel die Wahl der Verantwortlichen des Fußball-Landesligisten auch nicht von ungefähr auf ihn, als sie nach einer äußerst komplizierten Saison nach einem Bindeglied zwischen der Mannschaft und der Abteilungsleitung suchten.
Marks ist als Ligamanager nun auch eine Art Mediator. Er soll Konflikte mit dem Vorstand wie in der abgelaufenen Serie verhindern, die unter anderem in den Rücktritten von Sportchef Thorsten Beyer und Coach Denis Schlufter mündeten. Und als Spielervater – sein Sohn Lukas kickt in der Landesliga-Mannschaft – hat er ohnehin eine sehr enge Bindung zum Team. „Wir haben jetzt auch wegen ihm mehr Ruhe reinbekommen. Es ist ein angenehmes Zusammenarbeiten mit dem Verein“, erklärte Kevin Wobbe, der den SCVM in der abgelaufenen Serie als Interimscoach zum Klassenerhalt geführt hat. Nun ist er wieder ins zweite Glied zurück gerückt. Als neuer Cheftrainer wurde Christopher Leitloff verpflichtet, der zuvor den ETSV Hamburg II betreute.
Der SC Vier- und Marschlande will zurück in ruhigeres Fahrwasser
„Wir sind sehr froh darüber, dass wir Christopher für uns gewinnen konnten. Er bringt da noch einmal andere Strukturen rein. Das nehmen die Jungs auch sehr, sehr gut auf. Mit den vier Köpfen, die wir jetzt sind, können wir besser arbeiten“, erklärt Wobbe. Neben ihm zählen noch die Herzog-Brüder Robin (Co-Trainer) und Maurice (Torwart-Trainer) zum Stab von Leitloff, der nach vielen, vielen Jahren bei den „Eisenbahnern“ eine neue Herausforderung suchte. „Ich habe immer gesagt, ich möchte Trainer in einem anderen Verein sein, in dem ich mich nicht ums Drumherum kümmern muss. Und das habe ich hier vorgefunden“, erklärte der Neu-Coach nach seiner Verpflichtung.
Der SCVM ist mit seinen Sportplätzen und Sporthallen, der tollen Nachwuchsarbeit und auch sonst ausgezeichneten Infrastruktur zweifellos eine gute Adresse für jeden Trainer. Doch im Dorfclub gibt es eben auch seit jeher viele Meinungen und daher auch Strömungen, die den sportlichen Erfolg der Teams gefährden können. Die vergangene Spielzeit stand exemplarisch dafür, was für ein kompliziertes Gebilde der SC Vier- und Marschlande sein kann.
Nach einer Serie von Rücktritten wurde es mit dem Klassenerhalt so richtig knapp
Eigentlich schien dem Aushängeschild des Vereins, der Liga-Mannschaft, eine große Zukunft bevorzustehen. Beinahe ein Dutzend der talentierten Spieler aus der eigenen A-Jugend waren hoch gerückt. Aber einige waren zu ungeduldig. Die Youngster und auch ihre Eltern nörgelten mangels fehlender Einsatzzeiten. Das sorgte für Unruhe in der Kabine. Der Rücktritt von Trainer Alexander Müller – hörte aus privaten Gründen auf – hatte damit zwar nichts zu tun. Aber eine erste Baustelle galt es abzuarbeiten. Beispielsweise für Beyer, der nach dem Aufstieg vom Coach zum Sportchef wurde. Aber der Architekt des sportlichen Erfolgs überwarf sich mit der Vereinsführung und trat ebenfalls von seinem Posten zurück.
Nun gab es ein Vakuum auf Management-Ebene. Das bekam auch Müller-Nachfolger Schlufter zu spüren, als die Mannschaft in die Krise geriet. Es gab niemanden, der den jungen Coach stärkte. Mehr noch: „Ich habe dann den Tipp bekommen, dass im Umfeld des SCVM meine Person sehr negativ betrachtet wird“, erklärte er. Danach sei ihm der Spaß abhandengekommen. Das Resultat: Auch Schlufter trat zurück. Christian Mahr, der ihm im Winter noch von Beyer als gleichberechtigter Coach zur Seite gestellt worden war, hatte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls längst die Reißleine gezogen und sich zurückgezogen. Also musste Wobbe, der als Spieler in die Saison gestartet war und dann zunächst Co-Trainer wurde, gemeinsam mit den Herzog-Brüdern die Rettungsmission antreten. Und tatsächlich gelang der Mannschaft unter dem Trio der Klassenerhalt.
Das SCVM-Team ist eingespielt, nur zwei Neuzugänge müssen integriert werden
Ein großer Erfolg, der auch darauf basierte, dass einige unzufriedene Akteure ausschieden und sich damit das Binnenklima verbesserte. Nun sei die Stimmung innerhalb des Teams richtig gut, versichert Wobbe: „Es besteht wieder eine gewisse Hierarchie in der Mannschaft, die auch von allen akzeptiert wird.“ Dem neuen Coach Leitloff kommt dabei zugute, dass er nicht über ein Dutzend Spieler integrieren muss, wie dies im Vorjahr der Fall war. In Keeper Philip Schoen (SV Börnsen) und Offensivspieler Abiola Dilem Sanni (ETSV II) kamen lediglich zwei Akteure von anderen Vereinen. „Beide müssen sich noch an die Intensität der neuen Liga gewöhnen. Aber wir sind zuversichtlich, dass sie das hinbekommen“, erklärt Wobbe.
Die Serie „Anstoß“ im Überblick
- SV Nettelnburg/Allermöhe: Mit 20 Mann auf Mallorca gefeiert
- Atlantik 97: Klappt es dieses Mal mit dem neuen Trainer?
- TuS Aumühle-Wohltorf: Achterbahnfahrt der Gefühle
- Escheburger SV: Der Aufstiegsfavorit, der keiner sein will
- TSV Reinbek: Traumlos und Hammerstart
- SC Wentorf ist der Europameister in Sachen Vereinstreue
- TSV Glinde: Verwirrspiel um Innenverteidiger Dominik Heikaus
- Barsbütteler SV ist raus aus dem Schatten anderer Vereine
- FSV Geesthacht: Der Trainer tritt auf die Euphoriebremse
- SV Börnsen möchte sich in der Spitzengruppe etablieren
- SC Schwarzenbek geht als krasser Außenseiter in die Saison
- SV Altengamme sorgt für Aufsehen von Hamburg bis Mallorca
- Top-Talente des VfL Lohbrügge geben der Konkurrenz einen Korb
Mit Ausnahme der Routiniers Patrick Möller und Kevin Göde, die beide zum SV Nettelnburg/Allermöhe gewechselt sind, sowie Joshua Czech (VfL Lohbrügge) musste der SCVM keine Stammkraft ziehen lassen. Der umworbene Torjäger David Toth konnte gehalten werden. Er ist die personifizierte Lebensversicherung des Clubs. „Das ist ein cooler Typ, der vereinstreu ist und das SCVM-Logo wirklich im Herzen trägt“, lobt Maurice Herzog den Stürmer. Die Vorzeichen für eine ruhige Saison, „in der schnellstmöglich der Klassenerhalt gesichert werden soll“ (Wobbe), stehen also gut. Allerdings: Das war auch im vergangenen Sommer so, und dann folgte eine Chaos-Runde.