Ohe. „Anstoß“: Neuer Anlauf nach verpasstem Aufstieg. Coach Andreas Ferentinos steht für Gelassenheit und bekommt Hilfe von ganz weit her.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen – Andreas Ferentinos hatte sich diesen Traum vieler Menschen erfüllt. Über zwei Jahre lang verdiente der neue Coach des Fußball-Landesligisten FC Voran Ohe seinen Lebensunterhalt auf der Mittelmeerinsel Korsika. Der 57-Jährige jobbte als Reiseleiter in einer Ferienanlage, machte unter anderem Mountainbike-Touren mit den Touristen und war in der Gastronomie tätig. Ferentinos führte im wahrsten Sinne des Wortes das häufig zitierte Leben wie Gott in Frankreich. „Ich wäre gern dort geblieben. Aber meine Kinder haben nun selbst schon Kinder bekommen, in die man sich ja auch sehr schnell verliebt. Und dann muss man ja auch mal nach Hause kommen. Als Vater kann man ja nicht nur sein eigenes Ding machen“, erklärt er.
Und so ist der gebürtige Grieche mit dem Frankreich-Faible („Die Menschen dort gehen die Dinge entspannter als hier an“) zurück in Hamburg und zurück im Fußball-Geschäft. Beim FC Voran beerbt der vormalige Auswanderer den aus privaten Gründen aus dem Amt geschiedenen Matthias Wulff und will das „Weiße Ballett“ auf dem Erfolgspfad halten. Für ihn beginnt damit ein neuer Lebensabschnitt, und auch für die Oher Mannschaft ist es nach drei bewegten Jahren unter Wulff ein Neubeginn.
FC Voran Ohe will die Enttäuschung der Vorsaison abschütteln
Der Altengammer hatte am Amselstieg ein Team aufgebaut, das sich nach Rang zwei in der Landesliga-Saison und den beiden Siegen in den Relegationsspielen gegen Eintracht Norderstedt II bereits in der Oberliga wähnte. Doch weil der Hamburger Meister Altona 93 den Sprung in die Regionalliga verpasste, platzte der Aufstiegstraum. Dass der Spielausschuss des Hamburger Fußball-Verbandes Voran zwischenzeitlich versprochen hatte, im Falle einer erfolgreichen Relegation in jedem Fall aufzusteigen und dies dann revidierte, es hatte einen zusätzlichen bitteren Beigeschmack für die Reinbeker.
„Die Jungs haben das in der Sommerpause sicherlich ein bisschen abschütteln müssen“, berichtet Ferentinos. Sorgen darum, dass die Mannschaft nun in ein tiefes mentales Loch fallen könnte, macht sich der 57-Jährige aber nicht: „Ich spüre nicht, dass hier einer vergebenen Chance nachgetrauert wird.“
Trotz höherklassiger Angebote blieben viele Leistungsträger der Wohlfühl-Oase Ohe treu
Die Eindrücke aus den ersten Testspielen stützen seine Einschätzung. Dort präsentierten sich die Oher Kicker nicht minder motiviert und spielstark wie in der erfolgreichen vergangenen Saison. „Es ist eine hypersympathische Truppe“, lobt Ferentinos das Team und setzt wie Vorgänger Wulff darauf, über das Kollektiv zum Erfolg zu kommen: „Wir wollen versuchen, Harmonie in Homogenität umzusetzen und das auf den Platz zu kriegen.“
Dem neuen Coach kommt bei seiner Arbeit sicherlich zugute, dass er anders als Wulff vor drei Jahren keinen personellen Umbruch einleiten muss. Mit Ausnahme von Verteidiger Marcel Dieckmeyer (private Gründe) und Senkrecht-Starter Demirhan Aaron Brüning, der kurzfristig zum Regionalligisten SC Weiche Flensburg wechselte, verließ kein Stammspieler den Dorfclub. Ein klares Indiz dafür, dass Vereinschef Daniel Schmitt und all die anderen Ehrenamtler bei Voran am Amselstieg eine Wohlfühloase geschaffen haben. Und ein Beweis dafür, dass das Binnenklima im Team ausgezeichnet ist. Denn an Angeboten für Akteure wie Standardspezialist Tim Schmidt, Till Witmütz oder Torjäger Muizz Saqib mangelte es nicht.
Gleich zwei Neuzugänge kommen vom Oberliga-Nachbarn TuS Dassendorf
Statt für andere Clubs in der Oberliga aufzulaufen, wollen sie lieber mit Ohe einen neuen Anlauf in Richtung Aufstieg unternehmen. Die Vorzeichen dafür scheinen gut. Der Kader dürfte trotz der sportlich wie menschlich fraglos schmerzhaften Abgänge von Dieckmeyer und Brüning in der Spitze und Breite sogar noch stärker als in der Vorsaison sein. Und das gründet auch auf den Kontakten von Ferentinos. Denn die Oberliga-erfahrenen Florian Klein (Düneberger SV), Muhammed Emin Özalp und Maximilian Dittrich (beide TuS Dassendorf) coachte er bereits als Jugendliche beim SVNA. Nun nimmt der 57-Jährige sie am Amselstieg als gestandene Herrenfußballer wieder unter seine Fittiche.
Das Trio vereint eine schwierige Vorsaison. Klein stieg mit dem DSV sang- und klanglos ab. Özalp und Dittrich spielten bei der TuS keine Rolle. Letzterer war zudem in der Rückrunde an den ETSV Hamburg ausgeliehen, bei dem der Offensivakteur aber auch nicht glücklich wurde. In Ohe scheint der 28-Jährige, dessen Vater Holger zum Kompetenzteam des Landesligisten zählt, nun aber wieder aufzublühen.
Der Australier Jack Kiama will für Voran Ohe in der Landesliga für Furore sorgen
„Er kennt das Umfeld und er kennt mich. Für ihn ist es deswegen keine große Umstellung. Aber man muss ein bisschen Geduld mit ihm haben“, sagt Ferentinos über den früheren Jugendspieler des HSV, der in der Vergangenheit immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde. „Natürlich ist er ein Unterschiedsspieler, wenn er fit ist. Er hat echt Bock zu kicken. Und es ist natürlich extrem gewinnbringend, wie er sich einbringt“, lobt Ferentinos den Neuzugang.
Die Serie „Anstoß“ im Überblick
- SV Nettelnburg/Allermöhe: Mit 20 Mann auf Mallorca gefeiert
- Atlantik 97: Klappt es dieses Mal mit dem neuen Trainer?
- TuS Aumühle-Wohltorf: Achterbahnfahrt der Gefühle
- Escheburger SV: Der Aufstiegsfavorit, der keiner sein will
- TSV Reinbek: Traumlos und Hammerstart
- SC Wentorf ist der Europameister in Sachen Vereinstreue
- TSV Glinde: Verwirrspiel um Innenverteidiger Dominik Heikaus
- Barsbütteler SV ist raus aus dem Schatten anderer Vereine
- FSV Geesthacht: Der Trainer tritt auf die Euphoriebremse
- SV Börnsen möchte sich in der Spitzengruppe etablieren
- SC Schwarzenbek geht als krasser Außenseiter in die Saison
- SV Altengamme sorgt für Aufsehen von Hamburg bis Mallorca
- Top-Talente des VfL Lohbrügge geben der Konkurrenz einen Korb
- SC Vier- und Marschlande will zurück in ruhigeres Fahrwasser
Eine weitere sehr interessante Personalie ist Jack Kiama. Der flinke Offensivakteur könnte zur Überraschung der Saison werden, wenn sich die Eindrücke aus der Vorbereitung bestätigen. Der Australier, der in Deutschland studiert, hat fernab seiner Heimat zuvor lediglich ein paar Einsätze für den FC Mecklenburg Schwerin II absolviert. Nun will der 24-Jährige am Amselstieg einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Eingeschworenes Team, entspannter Coach – Was soll da schon groß schiefgehen?
Die Mischung beim FC Voran Ohe ist also ebenso bunt wie stimmig. Was aber ist möglich mit einem griechischen Trainer mit Frankreich-Faible, einem Australier und einer eingeschworenen Mannschaft? „Wir wollen in jedem Fall weiter vernünftig Fußball spielen“, sagt Ferentinos mit der Gelassenheit eines Mannes, der auf Korsika gelernt hat, die Dinge entspannter anzugehen.